Entscheidungsstichwort (Thema)
Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1982 (sog. Beschäftigungszulage) für Rohbaukosten
Leitsatz (NV)
1. Aufwendungen für einen Rohbau, der vom Erwerber unter Aufwendung erheblicher weiterer Kosten zu einem Gebäude vollendet wird, gehen in die Bemessungsgrundlage zur Festsetzung von Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1982 ein (Anschluß an Senatsurteil vom 19. Januar 1990 III R 115/84, BFHE 160, 352, BStBl II 1993, 136 zu § 19 BerlinFG 1978).
2. Für eine Förderung nach § 4b InvZulG 1982 ist es unerheblich, ob der Rohbau beim Veräußerer zum (betrieblichen) Anlagevermögen gehört hatte (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 23. Mai 1990 III R 192/85, BFH/NV 1990, 734).
Normenkette
InvZulG 1982 § 4b Abs. 2 S. 1 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine aus zwei Personen bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die eine ... schule betreibt. Sie traf mit Frau X sowie Frau Y, die als "Erbengemeinschaft X/Y" auftraten, eine privatschriftliche Vereinbarung vom ... November 1981, derzufolge die Gesellschafter der Klägerin beabsichtigten, von der Erbengemeinschaft einen Anteil an dem Grundstück A-Straße in B zu erwerben, um darauf "als Bauherr im Rahmen der Bauherrengemeinschaft Haus C eine ... schule mit anteiligen Gemeinschaftseinrichtungen" zu errichten. Die Aufwendungen für den Grundstücksanteil, die schlüsselfertige Erstellung (der ... schule) entsprechend dem Entwurf eines Architekturbüros sowie für eine Vermittlungsprovision für die Beschaffung der Finanzierung sollten sich auf 2,3 Mio. DM inkl. Umsatzsteuer belaufen. Dem Abschluß der Vereinbarung war eine Reihe von Gesprächen und Verhandlungen der Klägerin mit dem Vertreter der Erbengemeinschaft X/Y und dem Architekten vorausgegangen. Dabei wurden die Planung des Gesamtvorhabens sowie die Sonderwünsche hinsichtlich der baulichen Gestaltung der ... schulräume besprochen.
Durch Vertrag vom ... Januar 1982 gründeten die Gesellschafter der Klägerin sowie die Grundstückseigentümerinnen die "Bauherrengemeinschaft Haus C". Diese hatte nach den vertraglichen Bestimmungen die Rechtsform einer GbR, sollte jedoch nicht am Rechtsverkehr teilnehmen und auch kein Gesamthandsvermögen haben (Innengesellschaft). Sie hatte den Zweck, die Rechte aller Gesellschafter als Bauherren einheitlich wahrzunehmen, soweit es sich um die Errichtung des "Hauses C" handelte.
Am ... Januar 1982 stellte die Bauherrengemeinschaft den Antrag auf Baugenehmigung; diese wurde am ... September 1982 erteilt. Bereits davor, im April 1982, war mit den Grab- und Aushubarbeiten begonnen worden. Der Rohbau wurde im Juni 1983 fertiggestellt. Die ... schulräume baute dann die Klägerin allein aus und stellte sie im Jahre 1984 endgültig fertig.
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom ... Oktober 1983 erwarben die Gesellschafter der Klägerin Miteigentumsanteile am Grundstück A-Straße. Besitz, Nutzungen und Lasten sollten mit Wirkung vom ... Oktober 1983 auf die Erwerber übergehen. Durch einen weiteren notariell beurkundeten Vertrag vom ... Oktober 1983 wurde das Sondereigentum an den Räumen übertragen, in denen die Klägerin nach der Fertigstellung die ... schule betrieb. Ende des Jahres 1983 (Streitjahr) stellte die "BGB-Gesellschaft X/Y" der Klägerin eine Abschlagszahlung von 1 350 000 DM zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung. Darüber hinaus entstanden der Klägerin bzw. ihren Gesellschaftern im Streitjahr im Zusammenhang mit der Fertigstellung der Räume noch weitere Aufwendungen von 268 682 DM.
Die Klägerin beantragte für das Jahr 1983 die Gewährung einer Investitionszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 aus einer Bemessungsgrundlage von 1 637 941 DM. In dem Betrag ist die Abschlagszahlung von 1 350 000 DM enthalten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) bezog diese nicht in das Begünstigungsvolumen ein und gewährte die Zulage aus einer Bemessungsgrundlage von lediglich 278 999 DM.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Es war der Ansicht, die Klägerin habe die halbfertigen, später für die Zwecke der ... schule genutzten Räume nicht hergestellt, sondern erworben. Es liege eine nicht nach § 4b InvZulG 1982 begünstigte Anschaffung unbeweglicher Wirtschaftsgüter vor.
Soweit die Klägerin aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Juli 1979 IV R 235/75 (BFHE 128, 448, BStBl II 1980, 3) für sie günstige Rechtsfolgen herleite, könne dem nicht gefolgt werden. Ein Steuerpflichtiger könne hinsichtlich eines bis zu einem bestimmten Baufortschritt durchgeführten Bauvorhabens nicht nachträglich zum Hersteller werden.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision und rügt eine Verletzung des § 4b InvZulG 1982 sowie des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Sie führt im wesentlichen aus: Sie, die Klägerin, sei aufgrund der vor Baubeginn geschlossenen Verträge und der vorbereitenden Handlungen im Zusammenhang mit der Gesamtgestaltung und -planung als Bauherrin des Rohbaus anzusehen. Das FG habe Zeugenbeweise zur Frage der Einflußnahme auf Planung und Bauausführung nicht erhoben und damit die Pflicht zur Sachaufklärung verletzt. Durch eine Beweisaufnahme hätte sich ergeben, daß die Gesellschafter der Klägerin in weitaus größerem Umfang auf die bauliche Gestaltung und auf das Baugeschehen Einfluß nehmen konnten als vom FG angenommen.
Aber auch dann, wenn sie, die Klägerin, den Rohbau erworben hätte, stünde ihr die Investitionszulage zu. Nach dem zum Berlinhilfegesetz (BHG) ergangenen Urteil des IV. Senats des BFH in BFHE 128, 448, BStBl II 1980, 3 gehörten auch Aufwendungen für den Erwerb eines Rohbaus zu den Herstellungskosten des später vom Erwerber fertiggestellten Gebäudes. Die Entscheidung des FG weiche von diesem Urteil ab. Das vom FA zur Unterstützung seiner Rechtsauffassung herangezogene Urteil des VIII. Senats des BFH vom 22. April 1980 VIII R 149/75 (BFHE 130, 391, BStBl II 1980, 441) stehe hierzu nicht in Widerspruch, da der IV. Senat einer Abweichung von seiner o. g. Entscheidung nur insoweit zugestimmt habe, als davon die Auslegung des § 14 BHG nicht betroffen werde. Es widerspreche Sinn und Zweck des InvZulG 1982, wenn eine Investition, durch die Arbeitsplätze geschaffen und gesichert worden seien, aus formalen Gründen, und zwar weil die Grundstücksanteile bei Baubeginn noch nicht übertragen waren, nicht gefördert werde. Im Streitfall seien nicht nur Arbeitsplätze im Bauhandwerk gesichert worden; es seien darüber hinaus in den Betrieben, die in dem errichteten Gebäude untergebracht seien, ... neue Arbeitsplätze auf Dauer geschaffen worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Investitionszulage auf 162 900 DM festzusetzen und das FA zur Zahlung von 6 v. H. Zinsen aus 135 000 DM seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Klägerin ist im vorliegenden Verfahren die GbR. Diese ist nach § 4b Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1982 anspruchsberechtigt. Für die Gesellschaft wurde auch der Antrag auf Investitionszulage gestellt und Klage erhoben. Das FG hat zu Unrecht die Gesellschafter als Kläger bezeichnet.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat rechtsfehlerhaft die Einbeziehung der auf den Rohbau entfallenden Aufwendungen in das Begünstigungsvolumen abgelehnt.
1. Gemäß § 4b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1982 ist die Herstellung abnutzbarer unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nicht Wohnzwecken dienen und mindestens drei Jahre nach ihrer Herstellung in einem Betrieb (Betriebstätte) im Inland verbleiben, eine durch die sog. Beschäftigungszulage nach § 4b InvZulG 1982 begünstigte Investition. Die Investitionszulage kann gemäß § 4b Abs. 4 Satz 2 InvZulG 1982 auch schon für Teilherstellungskosten beansprucht werden.
2. Entgegen der Rechtsansicht des FG ist nicht entscheidend, ob die Klägerin als Herstellerin des Rohbaus anzusehen ist. Der Senat braucht daher auf die Rüge, das FG habe angebotene Beweismittel zur Frage der Bauherrengemeinschaft übergangen, nicht einzugehen. Auch kommt es nicht darauf an, ob übernommene Herstellungskosten beim Erwerber eines halbfertigen Gebäudes zu Anschaffungskosten werden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 128, 448, BStBl II 1980, 3 zu § 14 BHG, und vom 19. Januar 1990 III R 115/84, BFHE 160, 352, BStBl II 1993, 136 zu § 19 des Berlinförderungsgesetzes -- BerlinFG -- 1978). Denn der erkennende Senat hat im Urteil in BFHE 160, 352, BStBl II 1993, 136 entschieden, daß Aufwendungen für einen Rohbau, der vom Erwerber unter Aufwendung erheblicher weiterer Kosten zu einem Gebäude vollendet wird, in die Bemessungsgrundlage zur Festsetzung von Investitionszulage nach § 19 BerlinFG eingehen. Er kam zu diesem Ergebnis aufgrund einer am Wortsinn und Zweck der Vorschrift orientierten Auslegung und führte in diesem Zusammenhang aus: Der mögliche Wortsinn des § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 BerlinFG 1978 schließe nicht aus, daß ein anderer als der Anspruchsberechtigte einen Teil der Herstellungskosten aufgewandt hat. Die Vorschrift gebe keinen Anhaltspunkt für eine "personenbezogene Sicht" des Begriffs der Herstellung. Der Zweck der Zulagengesetze könne einer uneingeschränkten Übernahme einkommensteuerrechtlicher Grundsätze entgegenstehen. Der Gesetzeszweck des § 19 BerlinFG, nämlich die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und der Beschäftigung der Berliner Wirtschaft sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze, spreche für eine Einbeziehung der Aufwendungen für den Erwerb eines halbfertigen Gebäudes in die Bemessungsgrundlage für die Zulagengewährung.
3. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind sinngemäß auf den Streitfall zu übertragen.
a) Auch § 4b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1982 schließt nach seinem Wortsinn nicht aus, daß neben dem (endgültigen) Hersteller auch noch ein anderer Herstellungskosten getragen hat. Die genannte Vorschrift gebietet keine personenbezogene Sicht des Herstellungsbegriffs. Von der "Vornahme" einer Investition i. S. des § 4b Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1982 ist auch dann auszugehen, wenn die Investition -- im Falle der Herstellung -- noch unter Aufwendung erheblicher eigener Herstellungskosten abgeschlossen wird.
b) Der Zweck des § 4b InvZulG 1982 spricht ebenfalls dafür, die Aufwendungen für den Rohbau bei der Ermittlung des Begünstigungsvolumens einzubeziehen. Ziel der sog. Beschäftigungszulage war es, durch die Förderung von Mehrinvestitionen neue Arbeitsplätze zu schaffen und bestehende Arbeitsplätze zu sichern (BTDrucks 9/1400, S. 10). Dieser Effekt sollte -- von nachträglichen Herstellungsarbeiten abgesehen -- durch die Förderung der Anschaffung oder Herstellung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sowie der Herstellung abnutzbarer unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens erreicht werden. Dieser mit der sog. Beschäftigungszulage verfolgte Zweck wird auch erreicht, wenn jemand -- wie im Streitfall -- ein im Bau befindliches Vorhaben übernimmt und es in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den vorherigen Maßnahmen des Veräußerers unter Aufwendung erheblicher eigener Kosten fertigstellt.
Unerheblich ist dabei, ob das halbfertige Gebäude bereits beim Veräußerer, hier der Erbengemeinschaft, zum (betrieblichen) Anlagevermögen gehört hatte oder nicht. Der im Senatsurteil vom 23. Mai 1990 III R 192/85 (BFH/NV 1990, 734) aufgestellte Grundsatz, demzufolge ein Gebäude (Gebäudeteil) -- wenigstens -- während des gesamten Herstellungsvorganges zum Anlagevermögen gehören muß, betrifft allein die sog. Konjunkturzulage nach § 4b InvZulG 1975, die unabhängig von der Einhaltung von Verbleibensvoraussetzungen zu gewähren war. Insoweit war es daher nötig, Mindestanforderungen an die Dauer des Verbleibs im Anlagevermögen zu stellen. Da in jenem Urteilsfall die Gebäudeteile bereits während der Bauphase Umlaufvermögen geworden waren, brauchte nicht entschieden zu werden, ob -- trotz des Fehlens von Verbleibensvorschriften -- auch noch nach der Fertigstellung eine längere Zugehörigkeit zum Anlagevermögen erforderlich gewesen wäre. Diese Überlegungen können jedoch nicht auf die sog. Beschäftigungszulage nach § 4b InvZulG 1982 übertragen werden. Hier ist entscheidend, daß die betreffenden Baulichkeiten mindestens drei Jahre nach ihrer Herstellung in einem Betrieb oder einer Betriebstätte im Inland verbleiben (§ 4b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1982).
c) Schließlich läßt sich der vorliegende Sachverhalt auch nicht mit dem Erwerb eines bereits bestehenden Gebäudes vergleichen. Die an der Klägerin beteiligten Gesellschafter erwarben das Sondereigentum an den halbfertigen Räumen, in denen sie später die ... schule betrieben, aufgrund eines von Anfang an mit den Grundstückseigentümerinnen abgestimmten Vorgehens. Planung und Gestaltung der Räume waren maßgeblich von den Gesellschaftern beeinflußt. Zu diesem Zweck war die "Bauherrengemeinschaft Haus C" gegründet worden. Weiter entstanden der Klägerin bzw. ihren Gesellschaftern allein im Jahre 1983 noch (weitere) eigene Aufwendungen von 268 682 DM (s. insoweit das Senatsurteil in BFHE 160, 352, BStBl II 1993, 136).
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann über die Zulagenbegünstigung nicht abschließend entscheiden. Den Feststellungen des FG läßt sich nicht entnehmen, ob im Streitfall das Erfordernis des mindestens dreijährigen Verbleibens der ... schulräume in einem Betrieb (Betriebstätte) im Inland gemäß § 4b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1982 erfüllt war. Auch wird das FG zu beachten haben, daß die Höhe von Teilherstellungskosten nicht durch Abschlagszahlungen, sondern durch den tatsächlichen Verbrauch von Gütern und die tatsächliche Inanspruchnahme von Diensten bestimmt wird (Senatsurteil vom 15. November 1985 III R 110/80, BFHE 145, 482, BStBl II 1986, 367).
Fundstellen
Haufe-Index 420777 |
BFH/NV 1996, 263 |