Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Erläßt der Geber eines Darlehens im Sinn des § 7 c EStG 1951 dem Darlehnsnehmer in einem späteren Jahr das Darlehen, so ist das Darlehen als zurückgeflossen anzusehen.
Normenkette
EStG § 11/1, § 7c
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) gab im Jahre 1951 einem Privaten Bauherrn zur Erlangung einer Wohnung für sich und seine Familie ein zinsloses Darlehen in Höhe von 5.000 DM, das das Finanzamt nach § 7 c des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung vom 17. Januar 1952 (Bundesgesetzblatt I S. 33) bei der Ermittlung der gewerblichen Einkünfte zum Abzug zuließ.
Im Januar 1953 wurde ein Erlaß der Darlehensschuld auf Grund eines Vertrages wirksam, den der Bg. im Oktober 1952 mit dem Darlehnsempfänger geschlossen hatte. Das Finanzamt sah in diesem Erlaß unter Bezugnahme auf Abschn. 54 Abs. 1 Buchst. b der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1953 einen steuerpflichtigen Rückfluß des Darlehens im Jahre 1953 und die gleichzeitige Hingabe eines Zuschusses, für den die Voraussetzungen der Abzugsfähigkeit nach § 7 c EStG im Jahre 1953 verneint wurden.
Das Finanzgericht gab der Berufung des Bg. statt. Es lehnte die dem Abschn. 54 Abs. 1 Buchst. b EStR 1953 zugrunde liegende Auffassung, daß der Verzicht auf das Darlehen in eine Rückzahlung und gleichzeitige Hingabe eines Zuschusses aufgespalten werden könne, als formaljuristisch und dem Willen der Parteien nicht entsprechend ab. Man könne in dem Erlaß, also einer die Rückzahlung ausschließenden Vereinbarung, nicht eine Rückzahlung sehen. Der Wohnungsbau sei durch die Hingabe des Darlehens gefördert worden. Es widerspreche dem Sinn und dem Zweck des Gesetzes, die nachträgliche überleitung der für den Geber weniger belastenden Form der Förderung des Wohnungsbaus durch ein Darlehen in die strengere Form des Zuschusses steuerpflichtig zu machen. Es liege kein Anhaltspunkt dafür vor, daß die Parteien zunächst ein Darlehen nur zum Schein vereinbart hätten mit der von vornherein bestehenden Absicht, die Darlehnsschuld in Kürze zu erlassen. Nur in diesem Fall könne das durch das Darlehen verdeckte Rechtsgeschäft, nämlich der Zuschuß, von Anfang an der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Die Tatsache allein, daß von solchen Umgehungsfällen abgesehen der Darlehnsempfänger seine Abschreibungen zunächst von einem höheren Betrag berechnen dürfe als dem, der sich ergeben hätte, wenn von vornherein ein Zuschuß vereinbart worden wäre, könne zu keiner anderen Beurteilung führen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Nach § 7 c EStG können Steuerpflichtige, die den Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, solche Zuschüsse oder unverzinsliche Darlehen zur Förderung des Wohnungsbaus als Betriebsausgaben absetzen, die sie privaten Bauherrn zum Bau von Wohnungen zur eigenen Benutzung hingeben. Bei den unverzinslichen Darlehen ist die dem Geber damit gewährte steuerliche Vergünstigung von der Auswirkung der Tarifgestaltung abgesehen in der Regel dadurch zeitlich beschränkt, daß der Rückfluß des Darlehens als Betriebseinnahme behandelt werden muß (ß 11 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - in der Fassung vom 17. Januar 1952, Bundesgesetzblatt I S. 54). Bei den Zuschüssen soll die nach dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung dem Geber endgültig gewährte Steuervergünstigung dadurch eine Beschränkung erfahren, daß der Empfänger nur von den um die Zuschüsse verminderten Herstellungskosten des Gebäudes abschreiben darf (ß 11 Abs. 2 EStDV). Bei den Zuschüssen werden also die Parteien hinsichtlich der nachträglichen Beschränkung der Vergünstigung als eine Einheit angesehen.
Aus diesen der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Erwägungen ergibt sich, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, daß bei unverzinslichen Darlehen die bei der Hingabe gewährte Vergünstigung durch die Versteuerung des Rückflusses in erheblichem Umfang ausgeglichen wird. Es liegt deshalb die Annahme nahe, daß Maßnahmen, die die Parteien aus außerhalb der Abwicklung des Darlehnsvertrags liegenden Erwägungen treffen und die den Rückfluß des Darlehens unmöglich machen, steuerlich wie ein Rückfluß behandelt werden. Diese überlegung liegt offenbar der Regelung in Abschn. 54 Abs. 1 Buchstabe b EStR 1953 zugrunde, wonach in einer späteren Vereinbarung, daß das unverzinsliche Darlehen einen Zuschuß darstellen solle, steuerlich die Rückzahlung des unverzinslichen Darlehens unter gleichzeitiger Hingabe eines Zuschusses zu erblicken sei. Den Bestimmungen in Abschn. 54 Abs. 1 EStR 1953 kann insoweit zugestimmt werden, als die Parteien ein einmal hingegebenes Darlehen steuerlich nicht mit rückwirkender Kraft in einen Zuschuß umwandeln können. Der Vertrag bleibt bis zu der neuen Vereinbarung ein Darlehnsvertrag. Fraglich aber ist, wie eine Vereinbarung des Inhalts steuerlich behandelt werden soll, in der der Darlehnsgeber nachträglich auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet. Die nicht unbedenkliche Aufspaltung des zivilrechtlichen Erlasses in einen Rückfluß des Darlehens und die Hingabe eines Zuschusses, gegen die das Finanzgericht beachtliche Gründe angeführt hat, läßt sich nur denn rechtfertigen, wenn den oben entwickelten Grundgedanken des Gesetzes in anderer Weise nicht Rechnung getragen werden kann. Die Prüfung dieser Frage ergibt folgendes.
Der IV. Senat hat sich im Urteil IV 278/53 U vom 22. Oktober 1953 (Slg. Bd. 58 S. 176, Bundessteuerblatt 1953 III S. 359) der Auffassung in Abschn. 54 Abs. 1 Buchstabe c EStR 1953 angeschlossen, daß in der Vereinbarung der Parteien, ein Zuschuß solle ein unverzinsliches Darlehen werden, ein steuerpflichtiger Rückfluß des Zuschusses und die gleichzeitige Hingabe eines Darlehens zu erblicken sei. Dieser Auffassung schließt sich der Senat grundsätzlich an. Daraus kann indessen nicht der Schluß gezogen werden, daß auch der Fall, in dem der Darlehnsgeber auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet, entsprechend behandelt werden müsse. Denn die Umwandlung eines Zuschusses in ein Darlehen bedeutet zivilrechtlich und wirtschaftlich die Vereinbarung einer ganzen oder teilweisen Rückzahlung des Zuschusses. Nur in dieser beabsichtigten Rückzahlung findet die Vereinbarung einer Darlehnsschuld ihre Begründung.
Anders ist die Sach- und Rechtslage, wenn die Parteien nachträglich einen Erlaß des unverzinslichen Darlehens vereinbaren. Hier machen sie nicht eine Leistung, nämlich den Zuschuß, der früher zu einer Steuervergünstigung geführt hat, wieder rückgängig, sondern sie erhöhen die Leistung des Gebers, indem der Erlaß des Darlehens nunmehr die wirtschaftliche Bedeutung eines Zuschusses erhält. Trotzdem kann sich der Senat der Auffassung des Finanzgerichts, das den verständlichen Standpunkt des Gebers entscheidend in den Vordergrund stellt, deshalb nicht anschließen, weil diese Betrachtung dem Grundgedanken des Gesetzes nicht gerecht wird.
Die steuerliche Behandlung des Darlehns- oder Zuschußgebers kann nicht unabhängig von den steuerlichen Auswirkungen beim Empfänger entschieden werden. Das ergibt sich aus dem oben entwickelten Grundgedanken des Gesetzes, daß hinsichtlich des späteren Ausgleichs der gewährten Steuervergünstigung bei den Zuschüssen Geber und Empfänger als eine Einheit betrachtet werden. Hier kann der in anderen Fällen durchaus berechtigte Einwand, daß die steuerlichen Auswirkungen bei einem bestimmten Steuerpflichtigen unabhängig von der Behandlung anderer Steuerpflichtiger entschieden werden müssen, nicht durchgreifen. Der von dem Finanzgericht vertretene Standpunkt, daß der Erlaß der Darlehnsschuld, soweit nicht ein Umgehungstatbestand festgestellt werden könne, keine Rückzahlung des Darlehens darstelle, führt in der Regel zu dem Ergebnis, daß die von dem Gesetzgeber auch bei Zuschüssen gewollte spätere Einschränkung der dem Geber zunächst gewährten Vergünstigung jedenfalls teilweise entfiele. Denn wenn das unverzinsliche Darlehen erst in einem späteren Jahre erlassen wird, was wohl den Regelfall bildet, so hat der Darlehnsempfänger unter Berücksichtigung des § 7 b EStG recht erhebliche Anfangsabschreibungen auf die vollen Herstellungskosten des Gebäudes bereits in Anspruch genommen. Der Senat hält ein Ergebnis, das einen Rückfluß des Darlehens bei dem Geber verneint, ohne bei dem Empfänger die sich aus der Hingabe eines Darlehens zunächst ergebenden steuerlichen Folgen rückgängig zu machen, nicht für vertretbar. Wenn der Geber die Auffassung, in seinem Verzicht auf das Darlehen liege ein steuerpflichtiger Rückfluß, als eine ihn ungerechtfertigterweise belastende Fiktion betrachtet, so ist das von seinem Standpunkt aus verständlich trotzdem aber nicht berechtigt. Denn die Notwendigkeit einer solchen Fiktion ergibt sich zwingend aus der Idee des Gesetzes, daß bei Zuschüssen die dem Geber endgültig gewährte Steuervergünstigung durch eine den Empfänger belastende Regelung ganz oder teilweise ausgeglichen werden soll. Der Auffassung des Finanzgerichts könnte der Senat nur dann zustimmen, wenn die Veranlagungen des Empfängers vom Zeitpunkt der Hingabe des Darlehens bis zum Erlaß so berichtigt werden könnten, als sei von Anfang an ein Zuschuß gegeben worden. Es ist zweifelhaft, ob eine solche Berichtigung rechtskräftiger Veranlagung des Empfängers auf § 4 Abs. 3 Ziff. 2 des Steueranpassungsgesetzes gestützt werden könnte. Praktisch ist sie jedenfalls nach Ablauf mehrerer Jahre kaum mehr durchführbar. Eine Auslegung, die zu einer solchen Berichtigung zahlreicher Veranlagungen der Vergangenheit führen würde, kann jedenfalls nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechen. Der Gesichtspunkt der praktischen Durchführbarkeit ist ein wichtiger Auslegungsgrundsatz, worauf der Senat in dem Urteil I 39/56 S vom 29. Mai 1956 (Bundessteuerblatt 1956 III S. 226) hingewiesen hat. Die Auffassung des Finanzgerichts, das einen Rückfluß bei dem Geber verneint, ohne eine Berichtigung bei dem Empfänger für die Vergangenheit vorzunehmen, öffnet einer nur selten nachweisbaren Umgehung insbesondere in den Fällen Tür und Tor, in denen Geber und Empfänger wirtschaftlich die gleichen Personen sind. Da häufig Kapitalgesellschaften, deren Anteile dem Geber gehören, unverzinsliche Darlehen im Sinne der §§ 7 c und 7 d EStG erhalten haben, muß das Gesetz so ausgelegt werden, daß solche Umgehungen ausgeschlossen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 408532 |
BStBl III 1956, 283 |
BFHE 1957, 223 |
BFHE 63, 223 |