Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bewertung eines eingebrachten Unternehmens gemäß § 8 KVStG 1972
Leitsatz (NV)
1. § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972 stimmt mit der Richtlinie 69/335/EWG überein.
2. Wird ein Betrieb in eine GmbH & Co. KG als Sacheinlage eingebracht, so bemißt sich die Gesellschaftsteuer nach dem Wert des eingebrachten Betriebes.
3. Wird der Wert eines eingebrachten Betriebes nach dem Stuttgarter Verfahren bewertet, so ist für einen Abschlag gemäß Abschn. 77 Abs. 5 VStR kein Raum.
4. Künftige Ertragsteuerbelastungen können bei der Bewertung eines eingebrachten Betriebes nicht wertmindernd berücksichtigt werden.
Normenkette
KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 8 S. 1 Nr. 1 Buchst. a; Richtlinie 69/335/EWG Art. 4 Abs. 1 Buchst. a, b, Art. 5 Abs. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, wurde am 1. Januar 1979 dadurch errichtet, daß ihre einzige Kommanditistin, eine OHG, ihr Betriebsvermögen (ohne Grundvermögen) als Sacheinlage auf die Klägerin übertrug. Das FA sah hierin eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 steuerpflichtige Leistung. Es ermittelte den Wert des von der OHG eingebrachten Betriebes nach dem sog. Stuttgarter Verfahren (Abschn. 76 ff. VStR). Es lehnte es ab, einen Abschlag gemäß Abschn. 77 Abs. 5 VStR zu gewähren und die latente Gewerbesteuerbelastung auf den Importwarenabschlag wertmindernd zu berücksichtigen.
Einspruch und Klage gegen den Gesellschaftsteuerbescheid vom 5. 10. 1983 blieben erfolglos. Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung des § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1977 unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer. Ergänzend dazu regeln die §§ 5 und 6 KVStG 1972, was unter einer inländischen Kapitalgesellschaft und was unter Gesellschaftsrechten i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 zu verstehen ist. Danach ist inländische Kapitalgesellschaft auch eine GmbH & Co. KG mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 KVStG 1972). Als Gesellschaftsrechte gelten die Kommanditanteile an einer inländischen GmbH & Co. KG.
Zu diesen Tatbestandsmerkmalen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß die Klägerin zum 1. Januar 1979 als GmbH & Co. KG mit Sitz und Geschäftsleitung in der Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde. Damit war sie inländische Kapitalgesellschaft i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 KVStG 1972. Zum 1. Januar 1979 erwarb die OHG Kommanditanteile an der Klägerin als Ersterwerber. Damit war der Besteuerungstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 verwirklicht.
2. Nach § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972 wird bei einem Erwerb von Gesellschaftsrechten i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 die Gesellschaftsteuer vom Wert der Gegenleistung berechnet, wenn eine solche zu bewirken ist.
a) Die Regelung ist richtlinienkonform. Durch § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 wird Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 69/335/EWG in nationales Recht umgesetzt. Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie ist in den Fällen des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a die Gesellschaftsteuer auf den tatsächlichen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten oder zu leistenden Einlagen jeder Art abzüglich der Lasten und Verbindlichkeiten zu berechnen, die der Gesellschaft aus der Einlage erwachsen. Diese Regelung entspricht inhaltlich dem § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972.
Zu Unrecht beruft die Klägerin sich auf Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie. Die Vorschrift bezieht sich auf den im Streitfall nicht einschlägigen Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie. Sie betrifft Umwandlungen von Personenvereinigungen in Kapitalgesellschaften. Eine solche Umwandlung ist im Streitfall nicht gegeben. Sie würde begrifflich die Änderung der Rechtsform eines Unternehmens ohne Auflösung (Liquidation) und ohne Einzelübertragung von Vermögen voraussetzen (vgl. Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Einf UmwG Rdnr. 4). Im Streitfall bestand die Klägerin vor dem 1. Januar 1979 nicht in anderer Rechtsform. Das Vermögen, das am 1. Januar 1979 auf sie übertragen wurde, erhielt sie im Wege der Einzelübertragung.
b) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, hatte die OHG als Gegenleistung für den Ersterwerb der Kommanditanteile ihren Betrieb (ohne Grundvermögen) auf die Klägerin zu übertragen. Deshalb findet im Streitfall § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972 Anwendung. Die Gesellschaftsteuer bemißt sich nach dem Wert des eingebrachten Betriebes. Dazu hat der erkennende Senat in Fortführung der Rechtsprechung des II. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden (BFH-Urteile vom 22. Juli 1987 I R 74/85, BFHE 150, 447, BStBl II 1987, 823, und vom 11. Oktober 1989 I R 148/85, BFHE 159, 234, BStBl II 1990, 335), daß der Wert des von einem Gesellschafter eingebrachten Unternehmens in modifizierter Anwendung des Stuttgarter Verfahrens (Abschn. 76 ff. VStR) zu ermitteln ist. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Die gegen die Rechtsprechung von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen greifen schon deshalb nicht durch, weil das Stuttgarter Verfahren auf einer Unternehmensbewertung aufbaut und die Anteilswerte lediglich aus dem Unternehmenswert ableitet. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn im Streitfall der Teil des Stuttgarter Verfahrens modifiziert angewendet wird, der sich unmittelbar auf die Unternehmensbewertung bezieht.
c) Der erkennende Senat hat ferner entschieden, daß bei der Aufstellung der nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1972 geforderten Überschuldungsbilanz für einen Abschlag gemäß Abschn. 77 Abs. 5 VStR kein Raum sei (vgl. Urteil vom 19. April 1989 I R 145/85, BFHE 157, 232, BStBl II 1989, 662). Die Auffassung, an der der erkennende Senat festhält, muß bei der Bewertung der Gegenleistung gemäß § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972 entsprechend gelten. Die Gründe des FG-Urteils entsprechen denen der vorstehend angeführten Entscheidung des Senats. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf sie Bezug genommen. Soweit die Klägerin aus dem Schrifttum etwas anderes abzuleiten versucht, übersieht sie, daß die von ihr zitierten Fundstellen nicht den Abschlag gemäß Abschn. 77 Abs. 5 VStR betreffen.
3. Die Vorentscheidung ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als das FG künftige Ertragsteuerbelastungen auf eine gebildete Preissteigerungsrücklage nicht wertmindernd berücksichtigte. Dazu verweist der Senat auf sein Urteil vom 28. September 1988 I R 31/86 (BFHE 155, 166, BStBl II 1989, 85). An der damals geäußerten Rechtsauffassung hält er fest.
Fundstellen
Haufe-Index 417428 |
BFH/NV 1991, 340 |