Entscheidungsstichwort (Thema)
Restaurantkassenmanipulation
Leitsatz (redaktionell)
Mit der Programmierung der an Restaurantinhaber vertriebenen Software und des Vertriebs von Restaurantkassen mit dieser Manipulationsfunktion zum Zweck, die vollständige buchhalterische Aufzeichnung der Ausgangsumsätze zu vermeiden, wird der Tatbestand der gewerbsmäßigen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verwirklicht.
Normenkette
AO § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1; StGB § 27
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 28.11.2019; Aktenzeichen 950 Js 25231/18 2 KLs 2/19) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 28. November 2019
- im Schuldspruch dahin gefasst, dass die Angeklagten jeweils der Beihilfe zur Fälschung technischer Aufzeichnungen in Tateinheit mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung in acht Fällen schuldig sind;
- im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen „Beihilfe in acht Fällen zur Fälschung technischer Aufzeichnungen in Tateinheit mit Steuerhinterziehung” verurteilt, und zwar den Angeklagten F. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten H. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Zudem hat es – im Wege der erweiterten Einziehung – gegen den Angeklagten F. die Einziehung beschlagnahmten Bargeldes in Höhe von 680.285 EUR angeordnet. Die hiergegen gerichteten, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Der Tenor des angefochtenen Urteils ist dahin klarzustellen, dass die Angeklagten auch bezüglich der Steuerhinterziehung der Beihilfe schuldig sind (§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 AO, § 27 StGB; vgl. insbesondere UA S. 105) und die Steuerstraftaten nicht als (Mit-)Täter begingen.
Rz. 3
Im Übrigen fehlt es in der Beweiswürdigung zwar an einer verständlichen geschlossenen Darstellung des Einlassungsverhaltens der Angeklagten in der Hauptverhandlung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. März 2020 – 2 StR 380/19 Rn. 6; vom 12. Februar 2020 – 1 StR 518/19 Rn. 3 f.; vom 13. März 2019 – 1 StR 520/18 Rn. 10 und vom 30. Dezember 2014 – 2 StR 403/14, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 Einlassung 2 Rn. 2 f.). Es bleibt unklar, ob und wie sich die Angeklagten, insbesondere der Angeklagte H., zu den einzelnen Tatvorwürfen eingelassen haben. Auf dieser Darstellungslücke beruht der Schuldspruch indes nicht. Denn der Beweiswürdigung ist noch zu entnehmen, dass der Angeklagte F. zumindest bezüglich der Programmierung der von ihm an Restaurantinhaber vertriebenen Software, die er darauf auslegte, die vollständige buchhalterische Aufzeichnung der Ausgangsumsätze zu vermeiden, geständig war. Davon abgesehen stellt sich insgesamt die Beweislage angesichts des ausreichend dokumentierten Einsatzes der Manipulationssoftware und aufgrund der die Beteiligung des Angeklagten H. belegenden Telefonate als erdrückend dar.
Rz. 4
2. Die Strafzumessung hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Insoweit führt der aufgezeigte Darstellungsmangel zu einem durchgreifenden Rechtsfehler:
Rz. 5
Das – bereits nach der rudimentären Darstellung als das Verfahren durchaus abkürzendes und als weitgehend zu wertendes – Teilgeständnis des Angeklagten F. wäre als strafbestimmender Zumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 2019 – 2 StR 589/18 Rn. 15; vom 22. Mai 2018 – 4 StR 598/17 Rn. 11 und vom 28. Januar 2014 – 4 StR 502/13 Rn. 3 mwN; Urteil vom 1. August 2018 – 2 StR 42/18 Rn. 5 f.). Solches ist der Strafzumessung auch ihrem Gesamtzusammenhang nicht zu entnehmen, insbesondere nicht etwa der Erwägung über das Zurverfügungstellen von Passwörtern und der Erleichterung der Ermittlungsarbeiten (UA S. 105). Aufgrund der Darstellungslücke (1. b)) kann der Senat nicht überprüfen, ob die Strafzumessung bezüglich des Mitangeklagten H. unter einem gleichen Erörterungsmangel leidet.
Rz. 6
3. Daher sind alle Einzelstrafen und die Gesamtstrafe aufzuheben. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und bleiben aufrecht erhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht darf seiner Strafzumessung neue Feststellungen zugrunde legen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Unterschriften
Raum, Jäger, Bellay, RinBGH Dr. Hohoff befindet sich im Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum, Leplow
Fundstellen
HRRS 2020, 459 |
ZWH 2021, 102 |
ZWH 2021, 108 |