Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswirkung der Lohnsteuerklassenwahl auf Verfahrenskostenstundung im Insolvenzverfahren
Leitsatz (amtlich)
Zur Wahl der Steuerklasse als Widerrufsgrund für die Verfahrenskostenstundung.
Leitsatz (redaktionell)
Im Hinblick auf die Subsidiarität der Stundung der Verfahrenskosten im Insolvenzverfahren ist der Schuldner verpflichtet, seine Steuerklasse so zu wählen, dass sein pfändbares Einkommen nicht zum Nachteil der Gläubiger und der Staatskasse auf Null reduziert wird. Wählt er ohne sachlichen Grund die Steuerklasse V, um seinem nicht insolventen Ehegatten die Vorteile der Steuerklasse III zukommen zu lassen, ist ihm im Hinblick auf die Verfahrenskostenstundung zuzumuten, in die Steuerklasse IV zu wechseln, um sein liquides Einkommen zu erhöhen. Ob der Ehegatte bereit ist, dabei mitzuwirken, ist unbeachtlich, zumal dem Schuldner gegen diesen ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss zusteht.
Normenkette
InsO § 4c Nr. 5; EStG §§ 38b, 39 Abs. 3b
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 13.03.2007; Aktenzeichen 2 T 460/06) |
AG Esslingen (Entscheidung vom 13.10.2006; Aktenzeichen 5 IN 24/05) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 13.3.2007 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Schuldners auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 2.000 EUR.
Gründe
I.
[1] Auf Antrag des Schuldners vom 10.12.2004 wurde über sein Vermögen am 1.2.2005 das (Regel-)Insolvenzverfahren eröffnet, in dem er Restschuldbefreiung begehrt. Gleichzeitig wurden dem Schuldner mit Beschluss vom 1.2.2005 die Kosten des Insolvenzverfahrens gestundet. Mit Beschluss vom 13.10.2006 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Verfahrenskostenstundung gem. § 4c Nr. 5 InsO entzogen, weil er seine Mitwirkungspflichten im Verfahren verletzt habe, indem er die Wahl der für die Insolvenzgläubiger und die Staatskasse ungünstigen Steuerklasse V nicht geändert habe und auch nicht bereit gewesen sei, den vom Insolvenzverwalter unter Zugrundelegung der Steuerklasse IV berechneten pfändbaren Betrag i.H.v. insgesamt 2.962,80 EUR an die Masse zu zahlen. Außerdem habe der Schuldner eine in einem Rechtsstreit vor Verfahrenseröffnung im eigenen Namen rechtshängig gemachte Forderung i.H.v. 4.903,50 EUR nicht angegeben. Beides rechtfertige die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung, weil es einen Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung darstelle. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Begehren, den Widerruf der Verfahrenskostenstundung aufzuheben, weiter.
II.
[2] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7,6 Abs. 1, 4d Abs. 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist jedoch nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig. Auf die Zulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des LG vom 13.3.2007 kommt es nicht an, denn bei einer schon kraft Gesetzes statthaften, vom Beschwerdegericht aber irrtümlich zugelassenen, Rechtsbeschwerde sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO gleichwohl noch zu prüfen und das Rechtsbeschwerdegericht ist nicht gehindert, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.6.2004 - IX ZB 90/03, NZI 2004, 635; v. 8.7.2004 - IX ZB 209/03, NZI 2004, 593; Ganter in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 7 Rz. 16).
[3] 1. Soweit der Schuldner in seinem Vermögensverzeichnis eine von ihm im eigenen Namen eingeklagte Forderung i.H.v. 4.903,50 EUR nicht angegeben hat, hat der Senat bereits entschieden, dass die Nichtangabe einer Forderung eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Schuldners im Verfahren darstellt. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht im Verfahren rechtfertigt auch ohne die vorhergehende Versagung der Restschuldbefreiung die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung gem. § 4c Nr. 5 InsO (BGH, Beschl. v. 15.11.2007 - IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111, 112 Rz. 18). Soweit der Schuldner hierzu später an Eides statt versichert hat, die Forderung in Prozessstandschaft für seine Mutter eingeklagt zu haben, kommt es hierauf nicht an. Der Schuldner hätte die Forderung in jedem Fall - ggf. auch unter Hinweis auf die angebliche Prozessstandschaft - angeben müssen, um dem Gericht und den Gläubigern die Prüfung der Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse zu ermöglichen. Die Beurteilung der Frage, ob es sich um eine für die Gläubiger interessante Forderung handelt, ist nicht Sache des Schuldners (BGH, Beschl. v. 7.12.2006 - IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96, 97 Rz. 8).
[4] 2. Auf die von der Rechtsbeschwerde als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage, ob die entsprechende Anwendung des § 4c Nr. 4 InsO auf die Steuerklassenwahl des Schuldners gerechtfertigt ist und eine die Gläubiger benachteiligende Wahl der Steuerklasse einer Verletzung der Erwerbspflicht gleichgesetzt werden kann, kommt es damit nicht an. Die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung ist schon aus den vorstehenden Gründen gerechtfertigt.
[5] 3. Im Übrigen war die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung auch gem. § 4c Nr. 5 InsO wegen der zum Nachteil der Gläubiger erfolgten Steuerklassenwahl des Schuldners gerechtfertigt. Der Schuldner ist im Hinblick auf die Subsidiarität der Stundung der Verfahrenskosten verpflichtet, seine Steuerklasse so zu wählen, dass sein pfändbares Einkommen nicht zum Nachteil der Gläubiger und der Staatskasse auf Null reduziert wird. Hat er - wie im vorliegenden Fall - ohne einen sachlichen Grund die Steuerklasse V gewählt, um seinem nicht insolventen Ehegatten die Vorteile der Steuerklasse III zukommen zu lassen, ist ihm in Hinblick auf die Verfahrenskostenstundung zuzumuten, in die Steuerklasse IV zu wechseln, um sein liquides Einkommen zu erhöhen. Dies entspricht allgemeiner, auch vom Senat geteilter Auffassung (vgl. AG Kaiserslautern ZVI 2002, 378, 380; Ernst ZVI 2003, 107, 109; Braun/Lang, InsO, 3. Aufl., § 290 Rz. 23; Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 4a Rz. 28; HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl., § 4a Rz. 17; Jaeger/Eckardt, InsO § 4a Rz. 26; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 4a Rz. 33a; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 18 Rz. 14). Ob der Ehegatte bereit ist, dabei mitzuwirken, ist unbeachtlich, zumal dem Schuldner gegen diesen ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss zusteht (vgl. Ganter in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 4a Rz. 13). Entsprechend den Grundsätzen der Individualzwangsvollstreckung, nach denen analog § 850h Abs. 2 ZPO eine missbräuchliche Steuerklassenwahl den Gläubigern gegenüber unbeachtlich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 4.10.2005 - VII ZB 26/05, WM 2005, 2324, 2325; BAG, Urt. v. 23.4.2008 - 10 AZR 168/07, Rz. 25; Musielak/Becker, ZPO, 6. Aufl., § 850e Rz. 3), muss sich auch der Schuldner bei der Verfahrenskostenstundung so behandeln lassen, als hätte er keine die Staatskasse benachteiligende Steuerklassenwahl getroffen. Die Aufforderung des Insolvenzverwalters an den Schuldner, in die Masse einen Betrag von 2.962,80 EUR, der die Verfahrenskosten gedeckt hätte, einzuzahlen, der der Schuldner nicht nachgekommen ist, war deshalb gerechtfertigt.
III.
[6] Da die Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, kommt die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht (§ 4 InsO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
BFH/NV 2009, 111 |
BGHR 2008, 1247 |
EBE/BGH 2008 |
FamRZ 2008, 1845 |
WM 2008, 1791 |
ZIP 2008, 2132 |
DZWir 2008, 470 |
MDR 2008, 1305 |
NZI 2008, 624 |
Rpfleger 2008, 662 |
ZInsO 2008, 976 |
FamRB 2009, 31 |
InsbürO 2008, 398 |
NJW-Spezial 2008, 661 |
ZVI 2009, 13 |