Entscheidungsstichwort (Thema)
Einziehung des Wertes von Taterträgen bei gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer Steuerhinterziehung kann grundsätzlich auch ein Betrag in Höhe nicht gezahlter Steuern in Gestalt ersparter Aufwendungen der Einziehung unterliegen. Ein Steuerhehler hat jedoch weder „durch die Tat” noch „für sie” die von den Lieferanten hinterzogenen Steuern und Abgaben erlangt. Er ersparte sich „durch die Tat” auch keine Aufwendungen.
2. Der Steuerhehler erlangt dadurch, dass er Zigaretten ankauft oder sich sonst verschafft, zunächst die Zigaretten und durch den anschließenden Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös. Ferner unterliegt der an ihn gezahlte Tatlohn der Einziehung.
Normenkette
AO § 374; StGB § 73 Abs. 1, § 73c S. 1
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 10.03.2020; Aktenzeichen 6 Js 15/15 43 KLs 8/16) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten und die zu Gunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 10. März 2020 dahingehend abgeändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 36.200 EUR angeordnet wird; die darüberhinausgehende Einziehungsanordnung entfällt. Von den im Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten, die die Einziehung betreffen, hat die Staatskasse die Hälfte zu tragen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Jedoch wird die Gebühr für das Rechtsmittelverfahren um die Hälfte ermäßigt. Die Staatskasse hat die Hälfte der insoweit entstandenen Auslagen sowie der notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
4. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in Tateinheit mit Beihilfe zur gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in elf Fällen sowie wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt, wobei wegen überlanger Verfahrensdauer zwei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Weiter hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 69.192 EUR angeordnet.
Rz. 2
Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten, die er gleich mit Einlegung wirksam auf die Einziehungsanordnung beschränkt und innerhalb derer er später den Einziehungsbetrag von 2.400 EUR von seinem Angriff ausgenommen hat. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 3
Die zu Gunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat in Bezug auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen ebenfalls Erfolg. Die weitergehende zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie das Strafmaß und die Strafaussetzung zur Bewährung angegriffen hatte, ist wirksam zurückgenommen worden.
Rz. 4
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten und das zu Gunsten des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben insoweit Erfolg, als der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen nur in Höhe eines Betrages von 36.200 EUR von den Feststellungen getragen wird, im Übrigen aber entfallen muss.
Rz. 5
a) Soweit das Landgericht im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) auch die bei den jeweiligen Taten 2 bis 12 der Urteilsgründe (UA S. 39 f.) hinterzogene Tabaksteuer einbezogen hat, kann die Einziehungsentscheidung keinen Bestand haben, da der Angeklagte insoweit nichts erlangt bzw. keine rechtswidrige Tat einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) begangen hat.
Rz. 6
Zwar kann ein Täter auch dadurch „etwas” i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB erlangen, dass er sich Aufwendungen erspart. Infolgedessen kann bei einer Steuerhinterziehung grundsätzlich auch ein Betrag in Höhe nicht gezahlter Steuern in Gestalt ersparter Aufwendungen der Einziehung unterliegen (BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2018 – 1 StR 244/18 Rn. 7, BGHR StGB § 73 Abs. 1 Anwendungsbereich 1 zu §§ 73 ff. StGB nF und vom 28. Juni 2011 – 1 StR 37/11 Rn. 11 mwN zu § 73 StGB aF). Der Angeklagte als Steuerhehler nach § 374 AO hat jedoch weder „durch die Tat” noch „für sie” die von den Lieferanten hinterzogenen Steuern und Abgaben erlangt. Er ersparte sich „durch die Tat” auch keine Aufwendungen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 StR 634/18 Rn. 28 mwN).
Rz. 7
b) Jedoch erweist sich die Einziehung hinsichtlich des Wertes der weiterverkauften Zigaretten in Höhe von 33.800 EUR und des an den Angeklagten bezahlten Tatlohns in Höhe von 2.400 EUR als rechtsfehlerfrei.
Rz. 8
Der Steuerhehler erlangt dadurch, dass er Zigaretten ankauft oder sich sonst verschafft, zunächst die Zigaretten und durch den anschließenden Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös (BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 StR 634/18 Rn. 29; Beschlüsse vom 23. Mai 2019 – 1 StR 127/19 Rn. 20 und vom 4. Juli 2018 – 1 StR 244/18 Rn. 8). Nach den Feststellungen des Landgerichts (UA S. 14 ff.) erlöste der Angeklagte aus dem Weiterverkauf der bei den Taten 2 bis 12 der Urteilsgründe jeweils erlangten 200 Stangen Zigaretten insgesamt 33.800 EUR; dies entspricht unter den gegebenen Umständen dem Wert der Zigaretten (§ 73 Abs. 1 Alternative 1, § 73c Satz 1 StGB).
Rz. 9
c) Ferner unterliegt der an den Angeklagten gezahlte Tatlohn von je 200 EUR bei den Taten 1 bis 12 der Urteilsgründe und damit ein weiterer Betrag in Höhe von 2.400 EUR der Einziehung (§ 73 Abs. 1 Alternative 2, § 73c Satz 1 StGB). In Höhe eines Gesamtbetrags von 36.200 EUR ist die Entscheidung des Landgerichts zur Einziehung des Wertes von Taterträgen daher rechtsfehlerfrei. Die Einziehungsentscheidung des Landgerichts ist daher durch den Senat entsprechend abzuändern (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
Rz. 10
2. a) Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten beruht auf § 473 Abs. 3 und 4 Satz 1, 2 StPO. Im Übrigen folgt die Verteilung der notwendigen Auslagen des Angeklagten, die durch die Einziehung entstanden sind, insbesondere der „zusätzlichen Gebühr” gemäß Nr. 4142 der Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 zum RVG, aus § 465 Abs. 2 StPO (entsprechend), § 464d StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2021 – 1 StR 423/20 Rn. 6 ff.).
Rz. 11
b) Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft ergibt sich aus § 473 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 StPO.
Unterschriften
Raum, Jäger, Bellay, Bär, Leplow
Fundstellen
wistra 2021, 317 |
NZWiSt 2021, 351 |
ZWH 2022, 75 |