Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 6. Oktober 1998, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben,
- soweit sie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 345 Fällen verurteilt worden ist,
- im gesamten Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte unter Freisprechung im übrigen wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 345 Fällen sowie wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlußformel ersichtlichen Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben, soweit sie wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung verurteilt worden ist. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 19. April 1999 (zu den Voraussetzungen sukzessiver Mittäterschaft vgl. Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 25 Rdn. 9 m.N.).
2. Dagegen hält die Verurteilung der Angeklagten wegen 345 selbständiger Fälle der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Schuldspruch entbehrt insoweit einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Wie die Revision zu Recht einwendet, fehlt es in dem angefochtenen Urteil an jeglicher Konkretisierung nach Zeit, Ort, näheren Umständen und Häufigkeit des Tätigwerdens der Angeklagten, in dem das Landgericht die Beihilfehandlungen erblickt. Das Landgericht beschränkt sich hierzu auf die Feststellung, der Verkauf der Betäubungsmittel durch den Mitangeklagten B. sei „zunächst aus der Wohnung der Angeklagten M.” erfolgt, die „von den Drogengeschäften ihres Lebensgefährten … von Anfang an Bescheid (wußte)”, die sich aber darauf beschränkte, „in einigen Fällen beim Abpacken der Drogen, bei der Vermittlung von Treffpunkten und bei der Herausgabe von Drogen zu helfen” (UA 5/6). Daß der Angeklagten 345 Taten zur Last fallen, entnimmt das Landgericht ersichtlich allein dem Umstand, daß es bei dem Mitangeklagten B. in dieser Anzahl einzelne, für sich genommen zutreffend als täterschaftliches Handeltreiben gewertete Verkäufe von Drogen an Konsumenten (bzw. im Fall II. 345 den Besitz von dafür bestimmtem Rauschgift) festgestellt hat. Dies ist rechtsfehlerhaft.
Die Tat des Gehilfen ist allein seine Beihilfehandlung. Abzustellen ist daher nicht auf die Anzahl der Haupttaten, sondern auf die diesen jeweils genau zuzuordnenden, konkret festgestellten Beihilfebeiträge (st. Rspr.; BGH StV 1984, 329; NStZ 1993, 584; Senatsbeschluß vom 19. Dezember 1995 - 4 StR 657/95). Konkreter Feststellungen hierzu hätte es schon deshalb bedurft, weil nicht ersichtlich ist, in welcher Weise die Angeklagte die Tätigkeit des Mitangeklagten B. noch gefördert hat, nachdem dieser die Verkäufe ab September 1997 von der Wohnung der Angeklagten in den Probenraum der Martinskirche verlagert hatte. Das gilt zumal hinsichtlich des Besitzes des am 5. Februar 1998 in der Wohnung des B. sichergestellten Rauschgifts, das dieser dort in der Absicht, es gewinnbringend zu veräußern, verwahrte (Fall II. 345 der Urteilsgründe). Daß die Angeklagte von den Rauschgiftgeschäften des B. Kenntnis hatte und sie diese billigte, erfüllt für sich noch nicht die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 27 Rdn. 7 m.N.), auch nicht, soweit sie sich in der Zeit, in der die Verkäufe aus ihrer Wohnung heraus erfolgten, darauf beschränkte, dies zu dulden (BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 10 = StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 7; BGH, Beschluß vom 9. September 1998 - 3 StR 413/98). Das schließt nicht aus, daß die Angeklagte den Mitangeklagten B. auch aktiv unterstützt haben kann, indem sie in der Erwartung, von den Gewinnen den gemeinsamen Lebensunterhalt zu bestreiten, ihre Wohnung zur Verfügung stellte und bei der Abwicklung einzelner Rauschgiftgeschäfte mithalf (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 10). Doch bedarf es, soweit der Angeklagten zur Last fällt, die Taten des B. durch bloßes Dabeisein unterstützt zu haben, besonders sorgfältiger und genauer Feststellungen auch zur subjektiven Tatseite, daß und wodurch sie die Tatbegehung durch B. konkret gefördert oder erleichtert hat (std. Rspr.; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 15). Daran fehlt es.
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den die Betäubungsmittelstraftaten betreffenden Fällen II. 1 bis 345 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafaussprüche nach sich. Darüber hinaus hebt der Senat auch den Einzelstrafausspruch im Fall II. 346 auf, weil nicht auszuschließen ist, daß diese Strafbemessung von der Verhängung der übrigen Strafen beeinflußt ist. Im übrigen hat es das Landgericht in diesem wie in allen übrigen Fällen rechtsfehlerhaft unterlassen, sich – wie es hier geboten war – ausdrücklich mit den Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen und zu begründen, weshalb die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen gegen die nicht vorbestrafte Angeklagte unerläßlich ist (zu den Begründungsanforderungen vgl. BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 6 m.N.).
4. Der zur Aufhebung des Urteils in den Fälllen II. 1 bis 345 führende Mangel der Feststellungen berührt allein den die Angeklagte betreffenden Schuldspruch. Deshalb ist für eine Erstreckung der Aufhebung auf den Mitangeklagten B., der keine Revision eingelegt hat, nach § 357 StPO kein Raum. Ungeachtet dessen sieht sich der Senat für das weitere Verfahren zu folgendem Hinweis veranlaßt:
Der neue Tatrichter wird bei der Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der Tatbeiträge der Angeklagten zu beachten haben, daß wegen der Akzessorietät der Beihilfe mehrere (natürliche, an sich selbständige) Beihilfehandlungen auch dann zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefaßt werden, wenn dies nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Bewertungseinheit (BGHSt 30, 28, 31; 31, 163, 165) bei den Taten des B., zu denen die Angeklagte Beihilfe geleistet hat, der Fall ist (vgl. zur Akzessorietät Roxin in LK/StGB 11. Aufl. § 27 Rdn. 54). Danach ist es rechtsfehlerhaft, allein auf die Anzahl der Veräußerungsgeschäfte durch B. abzustellen, wenn sich – wie hier (nach den Feststellungen bezog B. „ca. 2mal im Monat mindestens 200 Gramm Marihuana oder Haschisch”, UA 5) – konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, daß an sich selbständige Rauschgiftgeschäfte dieselbe Rauschgiftmenge betreffen und deshalb eine Tat bilden (std. Rspr.; BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 11, 13; BGH, Beschluß vom 27. Mai 1997 – 4 StR 194/97). Diese Grundsätze gelten auch für die Tatbeiträge des Gehilfen (Senatsbeschluß vom 29. September 1998 - 4 StR 403/98).
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Athing, Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 540727 |
NStZ 1999, 451 |
StV 1999, 430 |