Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Insolvenzverwalter. Anspruchsgrundlage
Leitsatz (amtlich)
Wenn für eine juristische Person deren Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe beantragt, ist nicht § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO, sondern Nr. 1 anzuwenden, unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter den Betrieb der juristischen Person liquidiert oder - vorerst - fortführt.
Normenkette
ZPO § 116
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des OLG Celle v. 24.8.2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Verwalter in dem am 1.2.2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH, deren Betrieb er vorläufig fortführte. Unter dem 1. und 4.9.2003 stellte er Warenlieferungen an die Antragsgegnerin zu 1) i.H.v. insgesamt 55.376,78 EUR in Rechnung. Eine Zahlung erfolgte nicht. Wenig später zeigte der Antragsteller bei dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an.
Für die von ihm beabsichtigte Kaufpreisklage hat der Antragsteller um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Das LG hat diesen Antrag zurückgewiesen. Das OLG hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen (OLG Celle v. 24.8.2004 - 11 W 20/04, OLGReport Celle 2004, 568 = ZIP 2004, 2149). Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, das Insolvenzverfahren könne zwar auch dem Erhalt des Schuldner-Unternehmens dienen; dadurch dürfe das unternehmerische Risiko, auch berechtigte Forderungen nur mit Hilfe der staatlichen Gerichte durchsetzen zu können, jedoch nicht auf die Allgemeinheit, welche die Mittel für die Prozesskostenhilfe zur Verfügung stelle, verlagert werden. Wenn ein Insolvenzverwalter ein Unternehmen weiterführe und somit wie ein normaler Kaufmann agiere, müsse er auch die üblichen kaufmännischen Maßnahmen ergreifen, insb. die bei gerichtlicher Inanspruchnahme notwendigen Mittel vorhalten. Die Vorschrift des § 1 InsO diene nicht dazu, den Insolvenzverwalter ggü. anderen Mitbewerbern zu privilegieren.
2. Diese Ausführungen sind rechtlich nicht haltbar.
a) Zwar hat eine juristische Person - etwa eine GmbH - nur dann eine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung, wenn sie ihre Ziele, auch die prozessualen, aus eigener Kraft verfolgen kann (Amtl. Begründung, BT-Drucks. 8/3068, 26; BVerfGE 35, 348 [356]; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 116 Rz. 14). Auf das allgemeine Interesse an der Rechtsverfolgung (§ 116 S. 1 Nr. 2 ZPO) kommt es jedoch nur solange an, als der "bestimmungsgemäße Betrieb" der juristischen Person andauert. Nach Insolvenzeröffnung ist dies grundsätzlich nicht mehr der Fall, so dass, wenn für die juristische Person deren Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe beantragt, nicht § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO, sondern Nr. 1 anzuwenden ist (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 116 Rz. 14; vgl. ferner BGH, Beschl. v. 27.9.1990 - IX ZR 250/89, MDR 1991, 334 = NJW 1991, 40 [41]).
b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist es hierfür unerheblich, ob der Insolvenzverwalter den Betrieb liquidiert oder - vorerst - fortführt. Auch in dem zuletzt genannten Fall wird er nicht wie ein "normaler" Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr tätig. Die Betriebsfortführung dient vielmehr vorrangig dem Hauptziel des Insolvenzverfahrens, der bestmöglichen und gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger (Ganter in MünchKomm/InsO, § 1 Rz. 45, 85; HK-InsO/Kirchhof, InsO, 3. Aufl., § 1 Rz. 3, Rz. 5). Die "reine Privatnützigkeit" der juristischen Person ist entfallen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.9.1990 - IX ZR 250/89, MDR 1991, 334 = NJW 1991, 40 [41]). Damit fehlt es an der vom Beschwerdegericht angesprochenen Privilegierung des Insolvenzverwalters ggü. anderen Mitbewerbern.
III.
Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif. Sie muss vielmehr zurückverwiesen werden.
1. Da der Antragsteller Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, dürfte es zwar den Insolvenzgläubigern nicht zumutbar sein, die Verfahrenskosten aufzubringen (§ 116 S. 1 Nr. 1 ZPO). Denn die vorweg zu befriedigenden Masseforderungen sind höher als der Betrag, den der Antragsteller in dem beabsichtigten Prozess erstreiten will. Für die Insolvenzgläubiger ist eine Verbesserung ihrer Quote somit nicht zu erwarten. Indes ist nicht auszuschließen, dass es für diejenigen Massegläubiger, die vom Ausgang des beabsichtigten Klageverfahrens profitieren können, zumutbar ist, die Prozesskosten aufzubringen. Der Antragsteller, der mit seinem Vergütungsanspruch selbst der rangbeste Massegläubiger ist, hat dabei allerdings außer Betracht zu bleiben, weil er nicht als "wirtschaftlich Beteiligter" i.S.d. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO angesehen werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 18.9.2003 - IX ZB 460/02, BGHReport 2003, 1440 = NZI 2004, 26 [27]). Zu den anderen Massegläubigern hat der Antragsteller nichts vorgetragen. Dazu ist er auch nicht aufgefordert worden. Die Zurückverweisung gibt Gelegenheit, dies nachzuholen.
2. In der Beschwerdeinstanz ist der Frage, ob die beabsichtigte Klage Erfolgsaussicht hat und nicht mutwillig erscheint (§ 114 S. 1 ZPO), nicht nachgegangen worden. Dazu bestand für das Beschwerdegericht wegen seines abweichenden rechtlichen Ansatzes bisher auch keine Veranlassung. Auch insofern besteht Aufklärungsbedarf.
Fundstellen
Haufe-Index 1408554 |
HFR 2006, 91 |