Leitsatz (amtlich)
Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit ist der Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses zu Gunsten eines Altmassegläubigers unzulässig.
Normenkette
InsO § 210; ZPO § 104
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 14.08.2003; Aktenzeichen 19 T 260/03) |
AG Neuss |
Tenor
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des LG Düsseldorf v. 14.8.2003 gewährt.
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden der vorbezeichnete Beschluss des LG Düsseldorf und der Beschluss des AG Neuss v. 15.4.2002 aufgehoben. Die Anträge des Beklagten v. 11.3.2002 und v. 2.1.2003 - Letzterer, soweit er die Kosten der ersten Instanz betrifft - werden abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten der Wiedereinsetzung, der Beklagte die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerdeinstanz wird auf 1.159,10 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger machte in seiner Eigenschaft als Treuhänder in dem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des L. M. gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch gerichtlich geltend und unterlag in diesem Rechtsstreit. Auf den Antrag des Beklagten v. 11.3.2002 wurden dessen Kosten i.H.v. 1.159,10 EUR vom AG Neuss mit Beschluss v. 15.4.2002 festgesetzt. Zwischenzeitlich - am 12.4.2002 - hatte der Kläger dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Er legte gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss sofortige Beschwerde ein. Während des Beschwerdeverfahrens beantragte der Beklagte u.a. hilfsweise festzustellen, dass der Kläger an ihn Kosten für die erste Instanz i.H.v. 1.159,10 EUR zu erstatten hat. Der Einzelrichter der 19. Zivilkammer des LG Düsseldorf wies die Beschwerde zurück. Auf die - zugelassene - Rechtsbeschwerde hob der Senat diesen Beschluss auf und verwies die Sache zur neuen Entscheidung an das LG zurück (BGH, Beschl. v. 17.7.2003 - IX ZB 120/03, ZVI 2003, 467). Dieses hat daraufhin - nach Übertragung der Sache auf die Kammer - mit dem angefochtenen Beschluss erneut die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Der Senat hat dem Kläger für eine Rechtsbeschwerde gegen den vorgenannten Beschluss Prozesskostenhilfe gewährt. Der Kläger hat nach Zustellung dieses Beschlusses am 16.10.2003 mit einem am 29.10.2003 eingegangenen Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des LG Düsseldorf eingelegt, diese begründet sowie beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Einlegungs- und Begründungsfrist zu gewähren.
II.
Dem Kläger ist auf seinen innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, weil er ohne sein Verschulden, nämlich wegen der Unzulänglichkeit der Masse, verhindert war, diese Fristen einzuhalten (§ 233 ZPO). Die versäumten Prozesshandlungen sind innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden.
III.
Die gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und nach erfolgter Wiedereinsetzung auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde hängt davon ab, ob ein Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 104 ZPO gegen den Insolvenzverwalter (Treuhänder) als Partei kraft Amtes auch dann noch ergehen kann, wenn er nach Eintritt der Rechtshängigkeit die Unzulänglichkeit der Masse angezeigt hat (§ 208 Abs. 1 InsO). Dies wird von einer in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung bejaht (OLG Naumburg v. 25.6.2002 - 12 W 48/02, OLGReport Naumburg 2002, 527; OLG Koblenz AGS 2002, 262 zur Konkursordnung; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 104 Rz. 21 Stichwort: "Masseunzulänglichkeit"), zum Teil beschränkt auf den - hier nicht gegebenen - Fall, dass Bestehen und Umfang des Vollstreckungsverbots zwischen den Parteien streitig sind (OLG Hamm ZInsO 2002, 831 [832]), von anderen Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums hingegen verneint (OLG München v. 30.4.2003 - 11 W 2839/01, MDR 2004, 175 = OLGReport München 2004, 71 = ZIP 2004, 138; v. 5.8.2004 - 11 W 1399/04, ZIP 2004, 2248; OLG Düsseldorf ZInsO 2003, 713; LAG BW v. 26.3.2001 - 1 Ta 12/01, ZIP 2001, 657 [658]; LAG Düsseldorf ZInsO 2003, 867 [868]; OLG Düsseldorf v. 13.12.1990 - 10 W 82/90, MDR 1991, 357 zur Konkursordnung; Hefermehl in MünchKomm/InsO, § 208 Rz. 65; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 210 Rz. 3; Landfermann in HK-InsO, 3. Aufl., § 210 Rz. 5; Braun/Kießner, InsO, 2. Aufl., § 210 Rz. 7; Lappe, EWiR 2000, 873). Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu.
a) Der Beklagte hat kein Rechtsschutzinteresse für den Erlass des beantragten Kostenfestsetzungsbeschlusses. Sein Kostenerstattungsanspruch ist eine Altmasseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Eine Masseverbindlichkeit ist gem. § 209 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO in dem Zeitpunkt "begründet" worden, in dem der Insolvenzverwalter (Treuhänder) den Rechtsgrund hierfür gelegt hat (BGH v. 3.4.2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 [363] = BGHReport 2003, 759 m. Anm. Ringstmeier = MDR 2003, 1015). Der Anspruch des Beklagten auf Erstattung der Prozesskosten war mit der Zustellung der Klage des Treuhänders am 17.8.2001 und damit vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 12.4.2002 aufschiebend bedingt entstanden (vgl. BGH, Urt. v. 5.7.1988 - IX ZR 7/88, MDR 1989, 61 = WM 1988, 1391; v. 25.5.1992 - V ZR 108/91, NJW 1992, 2575). Auf den jeweiligen Entstehungszeitpunkt der angefallenen Gebühren kommt es nicht an (OLG München v. 30.4.2003 - 11 W 2839/01, MDR 2004, 175 = OLGReport München 2004, 71 = ZIP 2004, 138 [139]; v. 5.8.2004 - 11 W 1399/04, ZIP 2004, 2248 [2249]). Die Vollstreckung wegen des Kostenerstattungsanspruchs ist somit gem. § 210 InsO unzulässig (vgl. Hefermehl in MünchKomm/InsO, § 210 Rz. 10). Für den Altmassegläubiger besteht daher kein Rechtsschutzinteresse, in Form eines Kostenfestsetzungsbeschlusses einen Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) zu erlangen, den er von Gesetzes wegen nicht durchsetzen kann. Auch im Kostenfestsetzungsverfahren muss das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers gegeben sein (OLG Düsseldorf JurBüro 2004, 321; OLG Frankfurt v. 2.6.1993 - 18 W 283/92, OLGReport Frankfurt 1994, 24; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 104 Rz. 21 Stichwort "Rechtsschutzbedürfnis"). Insoweit verhält es sich daher nicht anders als im Klageverfahren. Dort ist anerkannt, dass Forderungen i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden können (BGH v. 3.4.2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 [360] = BGHReport 2003, 759 m. Anm. Ringstmeier = MDR 2003, 1015 m.w.N.). Das Kostenfestsetzungsverfahren ist lediglich ein im Vergleich zu einem klageweisen Vorgehen regelmäßig weniger aufwändiges Verfahren (BGH v. 6.11.1979 - VI ZR 254/77, BGHZ 75, 230 [235] = MDR 1980, 217; v. 24.4.1990 - VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168 [171] = MDR 1990, 1099). Das Ziel, in beiden Fällen einen zur Vollstreckung geeigneten Titel zu schaffen, ist jedoch dasselbe. Deswegen müssen die Verfahren auch in dem hier gegebenen Zusammenhang gleich behandelt werden.
b) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind (so aber OLG Naumburg v. 25.6.2002 - 12 W 48/02, OLGReport Naumburg 2002, 527). Zum einen handelt es sich bei dem Vollstreckungsverbot in § 210 InsO nicht um eine materiell-rechtliche Einwendung. Zum anderen werden Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt, wenn ihre tatsächlichen Voraussetzungen feststehen (vgl. OLG München v. 9.7.1998 - 11 W 1411/98, MDR 1998, 1183 = OLGReport München 1998, 334 = NJW-RR 1999, 655; OLG Hamburg v. 22.11.2002 - 8 W 203/02, MDR 2003, 294 = OLGReport Hamburg 2003, 151; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 104 Rz. 9). So liegt es hier. Denn die für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses maßgeblichen Verfahrenstatsachen - die Zustellung der Klage am 17.8.2001 und die Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 12.4.2002 - stehen nicht in Frage. Diese Tatsachen können vom Rechtspfleger leicht und ohne Schwierigkeiten im Festsetzungsverfahren aus den Akten ermittelt werden. Anhaltspunkte für eine Unverbindlichkeit der Anzeige werden kaum jemals bestehen (BGH v. 3.4.2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358 [361] = BGHReport 2003, 759 m. Anm. Ringstmeier = MDR 2003, 1015).
2. Der Beklagte hat hilfsweise beantragt festzustellen, dass der Kläger ihm auch die Kosten erster Instanz zu erstatten hat; der Kläger hat dieses Begehren mit seinem allerdings nur hilfsweise gestellten Antrag aufgegriffen. Dem Feststellungsantrag kann jedoch nicht stattgegeben werden. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob ein solcher Feststellungsausspruch im Kostenfestsetzungsverfahren überhaupt zulässig ist (verneinend OLG München v. 30.11.1999 - 11 W 3090/99, ZIP 2000, 555 zur Konkursordnung; LAG Düsseldorf ZInsO 2003, 867 [868]). Denn der Beklagte hat hier kein Feststellungsinteresse für einen solchen Ausspruch.
Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn der erstrebte gerichtliche Ausspruch geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGHZ 15, 382 [390]; BGHZ 69, 144 [147]). Bei einer behauptenden Feststellungsklage liegt eine solche Gefährdung i.d.R. schon darin, dass der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet (BGH, Urt. v. 7.2.1986 - V ZR 201/84, MDR 1986, 743 = NJW 1986, 2507). Daran fehlt es. Der Kläger hat den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten weder dem Grunde noch der Höhe nach jemals in Frage gestellt. Der Umstand, dass er dem Kostenfestsetzungsantrag unter Hinweis auf § 210 InsO entgegengetreten ist, bedeutet nicht, dass er sich etwa eines gegen Grund oder Höhe dieses Anspruchs gerichteten Rechts berühmt. Dessen Feststellung bedarf der Beklagte daher nicht (vgl. OLG Düsseldorf ZinsO 2003, 713; LAG Düsseldorf ZInsO 2003, 867 [868]).
IV.
Bei der Wertfestsetzung war zu berücksichtigen, dass der Kläger sich mit seinem Hauptantrag - anders als noch in dem dem Senatsbeschluss v. 17.7.2003 zu Grunde liegenden Verfahren (BGH, Beschl. v. 17.7.2003 - IX ZB 120/03, ZVI 2003, 467 [468]) - nicht mehr darauf beschränkt, anstelle eines Vollstreckungstitels die bloße Feststellung seiner Zahlungspflicht zu erreichen.
Fundstellen
Haufe-Index 1337909 |
DStR 2005, 1148 |
DStZ 2005, 500 |
BGHR 2005, 942 |
EBE/BGH 2005, 2 |
JurBüro 2005, 424 |
WM 2005, 1036 |
ZIP 2005, 817 |
DZWir 2005, 342 |
MDR 2005, 952 |
NZI 2005, 328 |
Rpfleger 2005, 382 |
ZInsO 2005, 430 |
RVGreport 2005, 235 |
ZVI 2006, 67 |