Leitsatz (amtlich)
Vorausverfügungen des Schuldners über Ansprüche, die sich gegen eine ärztliche Abrechnungsstelle richten, sind für die Zeit nach Verfahrenseröffnung auch nach Einführung des § 35 Abs. 2 InsO unwirksam, sofern der Verwalter die Arztpraxis fortführt (Bestätigung von BGHZ 167, 363).
Normenkette
InsO § 35 Abs. 2, § 91 Abs. 1, § 114 Abs. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 22. Zivilsenats des KG vom 26.2.2009 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 35.132,95 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg, weil sie keinen Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO aufdeckt.
Rz. 2
1. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage, ob die Unwirksamkeit von Verfügungen, durch die der Schuldner Forderungen auf Vergütung von ärztlichen Leistungen abgetreten oder verpfändet hat, die auf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten ärztlichen Leistungen beruhen (BGHZ 167, 363), auch nach Inkrafttreten des § 35 Abs. 2 und 3 InsO weiter gilt, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Zweck des § 35 Abs. 2 InsO ist es, dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit zu eröffnen, eine für die Masse verlustbringende Betriebsfortführung an den Schuldner freizugeben (BT-Drucks. 16/3227, 17). Ist die Tätigkeit ertragreich, soll er sie mit der Masse fortführen können. Den Schutz von Zessionaren, denen über eine Vorausabtretung Forderungen des Schuldners aus der Zeit nach Verfahrenseröffnung abgetreten sind, bezweckt die Regelung nicht. Den von der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung hergestellten Zusammenhang zwischen der Regelung des § 35 Abs. 2 InsO und der der §§ 91, 114 Abs. 1 InsO gibt es nicht. Die gegenteilige Sicht hätte zur Folge, dass sich der Verwalter ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Erfolg der Tätigkeit des Schuldners für eine Freigabe entscheiden müsste, weil er anderenfalls die Fortführung finanzieren müsste, ohne - jedenfalls für die Dauer von zwei Jahren - die Gegenleistung zur Masse ziehen zu können.
Rz. 3
2. Die Entscheidung BGHZ 167, 363 ist in Rechtsprechung und Schrifttum auf breite Zustimmung gestoßen (vgl. OLG Düsseldorf ZVI 2008, 429; LG Mosbach ZInsO 2009, 198 [200]; Bräuer InvO 2006, 413, 416; Ries ZVI 2007, 398, 399; Runkel ZVI 2007, 45, 51; HK-InsO/Linck, 5. Aufl., § 114 Rz. 3; HmbKomm-InsO/Ahrendt, 3. Aufl., § 114 Rz. 3; Moll in Kübler/Prütting/Bork, § 114 Rz. 19 f.). Soweit es an dem Urteil vereinzelte Kritik gegeben hat (Löwisch/Caspers in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 114 Rz. 4), sieht der Senat keinen Anlass, sich mit der Rechtsfrage erneut zu befassen. Der Grundgedanke der Entscheidung, dass die Erträge einer auf Kosten der Masse durchgeführten Betriebsfortführung nicht einem einzelnen Zessionar zufließen dürfen, gilt ungeachtet des Hinweises auf mögliche Schwierigkeiten der Angehörigen freier Berufe, Betriebsmittelkredite zu erlangen. Die Anerkennung des Absonderungsrechts nach Verfahrenseröffnung würde nur dazu führen, dass die Fortführung der Praxis sofort beendet werden müsste (vgl. Bräuer, a.a.O., S. 416).
Rz. 4
Im Übrigen wird von einer Begründung gem. § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Fundstellen
DB 2010, 6 |
DStR 2010, 14 |
EBE/BGH 2010 |
NJW-RR 2010, 860 |
WM 2010, 567 |
ZIP 2010, 587 |
DZWir 2010, 300 |
MDR 2010, 656 |
MedR 2010, 713 |
NZI 2010, 19 |
NZI 2010, 343 |
NZI 2010, 6 |
NZS 2011, 356 |
ZInsO 2010, 567 |
ZInsO 2011, 703 |
GesR 2010, 388 |
NJW-Spezial 2010, 438 |
ZVI 2010, 267 |