Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 6. Juni 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit ein Berufsverbot verhängt worden ist.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen, wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen sowie wegen Anstiftung zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Daneben hat es dem Angeklagten für die Dauer von zwei Jahren untersagt, die Berufe des Rechtsanwalts und des vereidigten Buchprüfers auszuüben.
Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Berufsverbots; im übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Erwägungen des Landgerichts zur Verhängung des Berufsverbots begegnen durchgreifenden Bedenken.
Allerdings hat das Landgericht das Verhalten des Angeklagten im Fall II. 6. ohne Rechtsfehler als grobe Verletzung der mit seinen Berufen des Rechtsanwalts und des vereidigten Buchprüfers verbundenen Pflichten angesehen. Die Entwicklung eines „Steuermodells” für einen Mandanten, das diesem ermöglichte, unter Verwendung überhöhter Rechnungen in der Buchhaltung über einen längeren Zeitraum eine Verkürzung von Körperschaft-, Gewerbe-, Umsatz- und Einkommensteuern herbeizuführen, verstößt in schwerwiegender Weise gegen die beruflichen Pflichten eines Rechtsanwalts – zudem Fachanwalts für Steuerrecht – und eines vereidigten Buchprüfers. Dieses Verhalten, das die Strafkammer zutreffend als Anstiftung zur Steuerhinterziehung gewertet hat, ist grundsätzlich geeignet, ein Berufsverbot für die Berufe Rechtsanwalt und vereidigter Buchprüfer auszulösen (vgl. BGHR StGB § 70 – Pflichtverletzung 6).
Indes hält die Gesamtwürdigung, aufgrund derer das Landgericht zur für den Angeklagten nachteiligen Prognose gelangt ist, daß bei weiterer Berufsausübung die Gefahr erheblicher gleichartiger Taten bestehe, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. So hat das Landgericht eine „erhöhte Gefahr” weiterer Straftaten darin gesehen, daß der Angeklagte sich in „keiner Weise einsichtig gezeigt” habe. Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft, denn der Angeklagte hat die berufsspezifische Anlaßtat im Fall II. 6. bestritten. Aus einem berechtigten Verteidigungsverhalten darf kein für den Angeklagten nachteiliger Schluß gezogen werden (vgl. BGHR StGB § 70 Abs. 1 – Dauer 1 und StGB § 46 Abs. 2 – Nachtatverhalten 2).
Die neue Strafkammer kann für die vorzunehmende Gesamtwürdigung mit den bisherigen, aufrechterhaltenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehende weitere Feststellungen treffen.
2. Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich folgendes:
Entgegen der Ansicht der Revision durfte der Angeklagte im Fall II. 5. der Urteilsgründe die Vorsteuer aus der Rechnung der Firma M nicht bereits deshalb für die Rechnungsempfängerin, die Firma H, nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegenüber dem Finanzamt geltend machen, weil er als Subunternehmer für die Firma M. tätig geworden und diese deshalb zur Erstellung einer Rechnung im Sinne des § 14 Abs. 1 UStG berechtigt gewesen sei. Umsatzsteuerrechtlich ist nämlich auf die tatsächliche Gestaltung eines Rechtsgeschäfts abzustellen; maßgeblich sind die tatsächlichen Leistungsbewegungen (vgl. BGHR AO § 41 Abs. 1 – Durchführung, tatsächliche 1). Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, daß der Angeklagte für sich selbst, nicht aber als Subunternehmer der Firma M. die Leistungen erbracht hat.
Entgegen der Auffassung der Revision steht der im Umsatzsteuerrecht geltende „Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer” einer strafrechtlichen Verurteilung des Angeklagten nicht entgegen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 19. September 2000 – Rechtssache C-454/98 – (LS in ABl. EG 2000, Nr. C 316, 12 und BB 2000, 2617; vgl. auch Vogelberg PStR 2000, 271). Zwar hat der Gerichtshof in diesem Urteil im Hinblick auf das Besteuerungsverfahren ausgesprochen, daß der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verlange, daß zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden könne, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt worden sei (EuGH aaO Tz. 57, 58). Indes wird ausdrücklich klargestellt, daß das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, „die Ausstellung fingierter Rechnungen, in denen zu Unrecht Mehrwertsteuer ausgewiesen wird, als versuchte Steuerhinterziehung zu behandeln und in einem solchen Fall die nach ihrem nationalen Recht vorgesehenen Sanktionen wie Geldstrafe oder Geldbuße zu verhängen” (EuGH aaO Tz. 62). Anders als in den der Entscheidung des Gerichtshofs zugrunde liegenden Fallkonstellationen, in denen der jeweilige Aussteller der Rechnung diese vor ihrer Verwendung durch den Adressaten wiedererlangt und vernichtet bzw. den in der verwendeten Rechnung gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag entrichtet hatte, wurde im vorliegenden Fall die durch Erstellung der Scheinrechnung geschaffene Gefährdung des Steueraufkommens nicht wieder beseitigt. Entgegen der Auffassung der Revision ist bei Ausstellung einer Scheinrechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer eine Gefährdung des Steueraufkommens jedenfalls gegeben, wenn diese Rechnung noch zum Vorsteuerabzug benutzt werden kann und der Rechnungsaussteller die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt hat.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Tepperwien, Gerhardt, Brause
Fundstellen
DStZ 2001, 528 |
NJW 2001, 3349 |
NStZ 2001, 380 |
wistra 2001, 220 |