Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug. Beihilfe zum Betrug. Revisionen der Angeklagten
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten G., Kr. und Dr. K. wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 16. Juli 1999 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
- hinsichtlich der Angeklagten G., Kr. und R. im Ausspruch über die Einzelstrafen wegen Betrugs im besonders schweren Fall (sog. Organisationsdelikt; Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten bei G., ein Jahr und neun Monaten bei Kr. und ein Jahr und drei Monaten bei R.) sowie im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe,
- hinsichtlich der Angeklagten G. und Kr. im Ausspruch über das Berufsverbot und
- hinsichtlich des Angeklagten Dr. K. im Strafausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen Betrugs in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, den Angeklagten Kr. wegen Betrugs in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten, die Angeklagte R. wegen Betrugs in 32 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, und den Angeklagten Dr. K. wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt.
Nach den Feststellungen gründete der einschlägig vorbestrafte Angeklagte G. die Firma D, um Anlagegelder unter dem Vorwand von Warenterminoptionsgeschäften zu erlangen, diese jedoch nicht an der Börse zu plazieren. Als „Strohfrau” setzte er seine Schwester, die Angeklagte R., ein. Der Angeklagte Dr. K. stellte für die betrügerischen Operationen ein Konto zum Abräumen der Gelder zur Verfügung. Der Angeklagte Kr. kam später zu der Firma als Telefonverkäufer hinzu und übernahm auch Geschäftsführertätigkeiten. Insgesamt wurden vierzig solcher „Anlagegeschäfte” in der Zeit von Juli 1995 bis April 1996 getätigt.
Die Strafkammer wertete alle „Anlagegeschäfte” für diejenigen Angeklagten, die an ihnen unmittelbar beteiligt waren als jeweils einen Einzelfall eines Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB, während sie die organisatorische, mittäterschaftliche Beteiligung der Angeklagten G., R. und Kr. an den übrigen Fällen als insgesamt eine weitere Tat des Betrugs in einem besonders schweren Fall nach § 263 Abs. 3 StGB a.F., und den Beitrag des Angeklagten Dr. K. als Beihilfe zu einem besonders schweren Fall des Betrugs nach § 27, §263 Abs. 3 StGB a.F. abgeurteilt hat. Dabei ist sie davon ausgegangen, daß nach § 2 Abs. 1 StGB auf die „Organisationsfälle” § 263 Abs. 3 StGB a.F. (Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahre) als Tatzeitrecht anzuwenden ist, weil diese Taten nach neuem Recht mit der gleich hohen Strafdrohung des § 263 Abs. 5 StGB (Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahre) bedroht wären, da die Angeklagten G., R. und später auch Kr. eine Bande gebildet und zudem gewerbsmäßig gehandelt hätten.
Die Strafrahmenwahl für diese Angeklagten hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Annahme bandenmäßigen Handelns wird durch die Feststellungen nicht ausreichend getragen. Abgesehen von der Frage, ob schon zwei Personen eine Bande bilden können (vgl. dazu den dies verneinenden Anfragebeschluß des 4. Strafsenats vom 26. Oktober 2000 – 4 StR 284/99), ist auch eine über mittäterschaftliches Handeln im Individualinteresse hinausgehende Unterordnung der Beteiligten unter ein übergeordnetes Interesse der bandenmäßigen Verbindung nicht belegt. Es spricht viel dafür, daß sich die Angeklagte R. lediglich ihrem Bruder, dem Angeklagten G., als „Strohfrau” unterordnete, nicht aber einem gemeinsamen übergeordneten Interesse. Entsprechendes gilt für den Angeklagten Kr., der erst im Laufe der Betrugstätigkeit der Firma D als Telefonverkäufer angestellt worden war.
Wenn aber nach neuem Recht nicht die Voraussetzungen der Qualifikationsnorm des § 263 Abs. 5 StGB n.F., sondern nur die des besonders schweren Falles nach § 263 Abs. 3 StGB n.F. gegeben sind, stellt § 263 Abs. 3 StGB n.F. das mildere Recht dar, da er eine niedrigere Mindeststrafe von sechs Monaten vorsieht. Die Annahme eines besonders schweren Falles nach § 263 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 3 StGB n.F. kommt deswegen in Betracht, weil die Angeklagten G., R. und Kr. einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeigeführt sowie gewerbsmäßig in der Absicht gehandelt haben, eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen.
Da die für die sogenannten „Organisationsfälle” verhängten Einzelstrafen insbesondere bei den Angeklagten R. (ein Jahr und drei Monate) und Kr. (ein Jahr und sechs Monate) dem unteren Bereich des Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB a.F. entnommen worden sind, vermag der Senat nicht auszuschließen, daß sich der fehlerhafte Strafrahmen auf die Höhe der an sich relativ milden Einzelstrafen ausgewirkt hat.
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs über die dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB a.F. entnommenen Einzelstrafen und die Gesamtstrafe. Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob die in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen auch auf einer unzureichenden Gesamtwürdigung eines besonders schweren Falles beruhen können. Da sich der Fehler in gleicher Weise bei der Mitangeklagten R., die selbst keine Revision eingelegt hatte, ausgewirkt hat, war die Aufhebung gemäß § 357 StPO auch auf ihre Person zu erstrecken.
Auch der Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten Dr. K. ist rechtsfehlerhaft. Da dieser nach den Feststellungen der Strafkammer selbst nicht Bandenmitglied war, kam für ihn die Anwendung des nach §§ 27, 49 StGB gemilderten Strafrahmens nach § 263 Abs. 3 StGB a.F. i.V. mit § 2 Abs. 1, § 263 Abs. 5 StGB ohnehin nicht in Betracht. Im übrigen lassen die Ausführungen des Landgerichts, das auch bei ihm ohne jede nähere, auf seine Person und seinen Tatbeitrag bezogene Prüfung von einem besonders schweren Fall des § 263 Abs. 3 StGB a.F. ausgegangen ist, besorgen, daß ihm die Notwendigkeit einer eigenen Gesamtwürdigung der Beihilfehandlung als solcher nicht bewußt war. Entscheidend ist danach nicht, daß sich die Tat des Haupttäters, zu der Beihilfe geleistet wird, als besonders schwerer Fall erweist; zu prüfen ist vielmehr, ob das Gewicht der Beihilfehandlung selbst die Annahme eines besonders schweren Falles rechtfertigt (st. Rspr., vgl. Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 46 Rdn. 16).
Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils zum Schuldspruch und zur Festsetzung der verbleibenden Einzelstrafen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Keinen Bestand kann auch die Anordnung eines Berufsverbotes für die Angeklagten G. und Kr. haben. Die Verhängung einer Maßregel nach § 70 StGB setzt voraus, daß der Täter den Beruf, bei dem ihm Mißbrauch oder grobe Pflichtverletzung vorgeworfen wird, bei Begehung der Straftat tatsächlich ausübt; es genügt nicht, daß Betrügereien nur im Zusammenhang mit einer vorgetäuschten Berufstätigkeit stehen (BGHSt 22, 144, 145; BGHR StGB § 70 I Pflichtverletzung 4; BGH wistra 1999, 222). So liegt es aber hier. Die Angeklagten haben sich tatsächlich nicht als Anlagevermittler betätigt, sondern als schlichte Betrüger, die von vornherein das ertrogene Geld nicht anlegen, sondern für sich verwenden wollten.
Für die neue Hauptverhandlung geben die Revisionsbegründungen Anlaß zu folgenden Hinweisen:
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Stellungnahme vom 5. Juni 2000 (hinsichtlich des Angeklagten G.) zu Recht ausgeführt, daß bei einer Verfahrensdauer von etwa drei Jahren zwischen der Bekanntgabe der Beschuldigung und der Aburteilung, die nunmehr im Schuldspruch und auch hinsichtlich der meisten Einzelstrafen rechtskräftig geworden ist, nicht von einer mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK unvereinbaren unangemessen langen Verfahrensdauer gesprochen werden kann. Auch eine gewisse Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnittes führt nicht ohne weiteres zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, sofern die angemessene Frist insgesamt nicht überschritten wird (vgl. BGHR MRK Art. 6 I 1 Verfahrensverzögerung 9). Auch die Verfahrensverlängerung, die dadurch entsteht, daß auf die Revision der Angeklagten das Urteil teilweise aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird, begründet regelmäßig keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (BGHR StGB § 46 II Verfahrensverzögerung 15).
Die Verbüßung von Untersuchungshaft stellt grundsätzlich nur bei solchen Angeklagten einen Strafmilderungsgrund dar, gegen die keine ohnehin zu verbüßende Freiheitsstrafe verhängt wird (BGHR StGB § 46 II Lebensumstände 18). Auch die Tatsache der Erstverbüßung einer Freiheitsstrafe bekommt in der Regel erst dann das Gewicht eines bestimmenden Strafzumessungsgrundes, wenn besondere Gründe wie Alter oder Krankheit hinzukommen (BGHR StGB § 46 I Schuldausgleich 7, 13, 19, 20).
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 507890 |
wistra 2001, 105 |