Leitsatz (amtlich)
Ein Ehe- (oder Partnerschafts-) anbahnungsinstitut kann das seinem Vertragspartner nach § 627 BGB zustehende Kündigungsrecht in Allgemeinen Vertragsbedingungen oder Formularverträgen nicht wirksam ausschließen.
Normenkette
BGB § 627; AGBG § 9
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 09.07.1987) |
LG Düsseldorf |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Juli 1987 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte betreibt ein Partnerschaftsvermittlungsinstitut. In einem Besprechungstermin am 23. November 1985 nahm die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau E., in vorgedruckten Formularen persönliche Daten der Klägerin sowie Angaben der Klägerin über den von ihr gewünschten Partner auf. Anschließend unterzeichnete die Klägerin ein vorgefertigtes Vertragsformular der Beklagten, in dem es u.a. heißt:
„…
Pflichten der Firma Gr.
Inhalt der Dienstleistungsverpflichtungen der Firma Gr. gegenüber dem Kunden ist die Erstellung eines Kundenpersönlichkeitsprofils und eines Wunschpartnerprofils auf der Grundlage entsprechender Analysen und eine Vorauswahl potentieller Partnervorschläge aus dem Bestand an Partnerschaftsinteressenten der Firma Granada, eine Hauptauswahl von Partnervorschlägen in angemessener Zahl durch individuellen Persönlichkeitsvergleich sowie die laufende Beratung während der Vertragsdauer. Die Firma Gr. verpflichtet sich, dem Kunden auf dessen Wunsch hin Partnervorschläge in angemessener Zahl und wenn der Kunde einen entsprechenden Wunsch nicht äußert, mindestens einen Partnervorschlag pro Monat zuzuleiten.
…
Vergütung
Für die unter Pflichten der Firma Gr. näher beschriebene Dienstleistung zahlt der Kunde eine Vergütung von … insgesamt: 5.700 DM …
Die Vergütung wird mit Abschluß des Vertrages fällig. …
Vertragsdauer
Das Vertragsverhältnis läuft über 12 Monate und beginnt mit dem Tage der Zahlung der vereinbarten Vergütung.
Eine Kündigung gemäß § 627 BGB ist ausgeschlossen. …”
Die Klägerin nahm einen Ratenkredit in Höhe von 5.700 DM auf und zahlte das Honorar von 5.700 DM an die Beklagte.
Am 30. November 1985 sandte die Klägerin der Beklagten ein Einschreiben mit folgendem Inhalt:
„Kündigung
Unser Vertrag vom 23. November 1985
…
Hiermit trete ich von meinem Vertrag innerhalb acht Tagen zurück. Ich habe auf zwei Anzeigen geschrieben, die Briefe wurden nicht berücksichtigt. Mir wurden offensichtlich Partner vermittelt, welche auch gerade den Vertrag unterzeichnet und laut Telefon mit mir keinerlei Interessen gemeinsam haben. Ich bin nicht gewillt, 5.700 DM zu zahlen, für Partner, die ich auch so kennenlernen kann. Den Betrag wünsche ich abzüglich eines kleinen Unkostenbeitrags von 200 DM zurück. …”
Mit der Klage fordert die Klägerin von der Beklagten 5.700 DM zurück. Sie hat den Vertrag vorsorglich wegen arglistiger Täuschung angefochten und behauptet, die Leistungen der Beklagten seien gering und stünden in einem auffälligen Mißverhältnis zu dem gezahlten Entgelt, das unter bewußter Ausnutzung ihrer Bedürfnisse nach Geselligkeit erzielt worden sei. Die Beklagte habe auch einen zu geringen Adressenbestand gehabt, um den Partnerschaftswünschen der Klägerin gerecht zu werden.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 5.225 DM nebst Zinsen stattgegeben.
Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht sieht den zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag als einen Dienstvertrag an, der die Leistung höherer Dienste zum Gegenstand gehabt habe. Er habe deshalb von der Klägerin gemäß § 627 BGB jederzeit gekündigt werden können. Der im Vertragsformular enthaltene Ausschluß des Kündigungsrechts sei nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG zu beanstanden. Infolge der Kündigung könne die Klägerin den Teil der Gesamtvergütung zurückverlangen, der auf die „unverbrauchte Dienstleistungszeit” entfalle. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Mühewaltung der Beklagten am Anfang größer war, könne die Vergütung für den zwischen Vertragsschluß und Kündigung liegenden 10-tägigen Zeitraum auf ein Zwölftel der Gesamtvergütung = 475 DM geschätzt werden. Den verbleibenden Restbetrag von 5.225 DM habe die Beklagte der Klägerin zurückzuerstatten.
II. Diese rechtliche Beurteilung ist zutreffend.
1. Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Parteien einen Dienstvertrag abgeschlossen haben.
a) In der Rechtsprechung ist allerdings zum Teil angenommen worden, daß Verträge der vorliegenden Art deshalb nicht als Dienstverträge angesehen werden könnten, weil es sich bei den vertraglichen Beziehungen zwischen den Partnerschaftsinstituten und den Kunden nicht um ein Dauerschuldverhältnis handle (Urteil des OLG Hamburg vom 28. August 1985 – NJW 1986, 325 = VersR 1985, 1191). Hierbei wurde verkannt, daß Dienstverträge nicht notwendigerweise Dauerschuldverhältnisse sein müssen; wenn die dienstvertraglichen Beziehungen auch häufig als Dauerschuldverhältnisse ausgestaltet werden, so gibt es doch auch Dienstverträge, die nur eine Einzelleistung zum Gegenstand haben (z.B. die einmalige Beratung durch einen Arzt oder einen Anwalt). Im übrigen besteht zwischen Dienstverträgen und Eheanbahnungsverträgen kein begrifflicher Gegensatz. Ein auf Herbeiführung einer Ehe (oder einer außerehelichen Partnerschaft) gerichteter Vertrag kann entweder als Ehemaklervertrag oder als Eheanbahnungsdienstvertrag ausgestaltet sein (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 1984 – IVa ZR 113/82 – LM BGB § 656 Nr. 4 = NJW 1984, 2407 = FamRZ 1984, 763). Der letztgenannte Vertragstyp fällt demnach sowohl unter den Oberbegriff des Dienstvertrages als unter den des Eheanbahnungsvertrages.
b) Die Beklagte hatte sich in dem mit der Klägerin geschlossenen Vertrag u.a. zur „Erstellung eines Kundenpersönlichkeitsprofils und eines Wunschpartnerprofils auf der Grundlage entsprechender Analysen und zu einer Vorauswahl potentieller Partnervorschläge aus dem Bestand an Partnerschaftsinteressenten der Firma Granada sowie zu einer Hauptauswahl von Partnervorschlägen in angemessener Zahl durch individuellen Persönlichkeitsvergleich” verpflichtet. Die rechtliche Natur solcher Verträge ist vielfach erörtert worden (so z.B. von Gilles, Eheanbahnung und Partnervermittlung 1985 Rdn. 131–136; ders. in MDR 1983, 712; NJW 1983, 361; Beckmann, Ehevermittlung und sonstige Partnervorschlagsleistungen 1988, S. 19 ff.; ders. FamRZ 1985, 19; Priebe, Eheanbahnungs- und Partnerschaftsverträge 1987 S. 28 ff., S. 67 ff.; Peters NJW 1986, 2676, 2680). Von Seiten der Eheanbahnungs- und Partnervermittlungsinstitute, aber auch im juristischen Schriftum, wird geltend gemacht, daß es sich dabei nicht um unter § 656 BGB fallende Verträge, sondern um Werkverträge handle. In der Rechtsprechung hat diese Auffassung nur teilweise Anklang gefunden (so OLG Bamberg NJW 1984, 1466; LG Schweinfurt FamRZ 1983, 909; LG München FamRZ 1985, 698; anders OLG Karlsruhe NJW 1985, 2035; LG Rottweil NJW 1983, 2824; LG Osnabrück NJW 1986, 2710; AG Hamburg NJW 1983, 395; LG Freiburg FamRZ 1983, 908; LG Aachen FamRZ 1983, 910; OLG Hamm NJW-RR 1987, 243; OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 691; OLG Köln NJW-RR 1987, 441; AG Altötting FamRZ 1985, 699; vermittelnd LG Hannover MDR 1983, 754, das zwar einen Werkvertrag annimmt, diesen aber § 656 BGB unterstellt), sie ist insbesondere vom Oberlandesgericht Hamburg im Urteil vom 28. August 1985 (NJW 1986, 325 = VersR 1985, 1191) mit eingehender Begründung abgelehnt worden.
c) Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt einmal darin, daß sich die beklagte Partnerschaftsvermittlerin im Gegensatz zu den meisten bisher in der Rechtsprechung behandelten Fällen nicht eines Computers bedient, zum anderen, darin, daß die Beklagte selbst die von ihr versprochene Leistung nicht als „Werk”, „Werkleistung” o.ä., sondern als „Dienstleistungsverpflichtung” bezeichnet. Das letztere kann allerdings nicht allein entscheidend sein; für die rechtliche Einordnung eines Vertrages kommt es nicht auf die von den Vertragspartnern gewählte Benennung, sondern auf den tatsächlichen Inhalt der von ihnen übernommenen Verpflichtungen an. Ebensowenig wie eine unrichtige Bezeichnung als Werkvertrag die Anwendung von § 656 BGB auf Eheanbahnungsdienstverträge hindern kann, kann ein Vertrag, der seiner tatsächlichen Ausgestaltung nach ein Werkvertrag ist, lediglich wegen der Bezeichnung als Dienstvertrag der Klagesperre des § 656 BGB unterworfen werden.
Eine unter diesem Gesichtspunkt vorgenommene Überprüfung ergibt jedoch, daß der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag keinen werkvertraglichen Charakter hat.
Die von der Beklagten zu erbringende Leistung besteht im Grunde nur in dem Nachweis geeigneter Partner. Auch wenn sie sich dabei nicht auf die bloße Namensnennung beschränkt, sondern nähere Angaben – etwa über Alter, Herkunft, Schulbildung, berufliche Stellung, Charaktereigenschaften, Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Interessen und Neigungen – macht, liegt kein Werk im Sinne des § 631 BGB vor, sondern lediglich eine nähere Beschreibung der nachgewiesenen Gelegenheit. Die von der Beklagten abgeschlossenen Verträge fallen daher unter den Oberbegriff der Ehe-(bzw. Partnerschafts-)anbahnungsverträge. Da sie einerseits eine Tätigkeitsverpflichtung der Beklagten, andererseits eine erfolgsunabhängige Vergütungsverpflichtung begründen, können sie keine Maklerverträge im eigentlichen Sinn sein. Sie sind daher als Ehe-(bzw. Partnerschafts-)anbahnungsdienstverträge anzusehen.
2. Das Berufungsgericht nimmt an, daß ein Ehe- oder Partnerschaftsvermittler Dienste höherer Art leiste. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 24. Juni 1987 – IVa ZR 99/86 – BGHR BGB § 627 Abs. 1 „Eheanbahnung” 1 = NJW 1987, 2808).
Mit Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, daß die Beklagte bei der Klägerin nicht in einem „dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen” im Sinne von § 627 BGB gestanden habe. Der Gesetzgeber hat bei dieser Formulierung in erster Linie an Personen gedacht, die nach heutigem Sprachgebrauch als Arbeitnehmer zu bezeichnen wären. Unter dem Begriff können allerdings auch solche Dienstverpflichtete fallen, die wirtschaftlich oder sozial nicht vom Dienstberechtigten abhängig sind und die auch nicht eine Dienstleistung schulden, die den überwiegenden Teil ihrer Arbeitskraft in Anspruch nimmt (BGHZ 47, 303; 90, 280). Nach der Verkehrsauffassung (BGHZ 47, 303, 305) setzt jedoch der Begriff des „dauernden Dienstverhältnisses” eine gewisse persönliche Bindung zwischen den Vertragsparteien voraus. An einer solchen fehlt es aber, wenn ein Dienstleistungsunternehmen wie das der Beklagten seine Dienste einer großen, unbestimmten und unbegrenzten Zahl von Interessenten anbietet. Davon ist auch der Senat im Urteil vom 24. Juni 1987 (a.a.O.) als selbstverständlich ausgegangen.
3. Zutreffend ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, der Ausschluß des gesetzlichen Kündigungsrechts in dem von der Klägerin verwandten Vertragsformular sei nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBGB unwirksam (so auch Löwe/v. Westphalen/Trinkner, AGBG, § 9 Rdn. 42; Schlosser bei Staudinger, BGB 12. Auflage, § 9 AGBG Rdn. 120). Dem § 627 BGB liegt der Gedanke zugrunde, daß bei Diensten, die nur aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, dem Dienstberechtigten eine Kündigung gestattet sein müsse, wenn er – aus welchen Gründen immer – dieses Vertrauen verloren habe. Ob aus diesem Grunde AGB-Klauseln, die das Kündigungsrecht aus § 627 BGB einschränken oder ausschließen, schlechthin unzulässig sind (vgl. dazu Schlosser NJW 1980, 273, 274 unter Ziffer V; Neumann bei Staudinger BGB § 627 Rdn. 20), braucht im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht entschieden zu werden. Da unter diese Gesetzesvorschrift ganz verschiedene Dienstleistungen fallen, mag eine differenzierte Betrachtungsweise angebracht sein (vgl. BGHZ 90, 280). Eine unangemessene Benachteiligung i.S. von § 9 AGBG muß jedoch dann angenommen werden, wenn von einem Eheanbahnungs- oder Partnerschaftsvermittlungsinsitut in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Kündigung des Vertrages nach § 627 BGB schlechthin ausgeschlossen wird. Wäre eine derartige Klausel wirksam, so wäre der Vertragspartner des Instituts auf das Kündigungsrecht aus § 626 BGB angewiesen. In diesem Falle würde zur Auflösung des Vertragsverhältnisses der subjektive Vertrauensschwund nicht genügen; der Kunde müßte vielmehr die Frage, ob die Umstände, die den Vertrauensverlust herbeigeführt haben, auch bei objektiver Betrachtung eine Kündigung rechtfertigen, zur gerichtlichen Nachprüfung stellen. Er müßte deshalb im Rechtsstreit diese Umstände darlegen und beweisen. Schon dadurch würde seine Rechtsstellung gegenüber der gesetzlichen Regelung erheblich verschlechtert. Mit Recht weist jedoch das Berufungsgericht auch darauf hin, daß der Kunde in einem solchen Falle gezwungen sein kann und vielfach gezwungen sein wird, Vorgänge aus seinem Intimbereich zu offenbaren. Das würde den Intentionen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, der mit § 656 BGB (auch) die Intimsphäre der Beteiligten schützen wollte (vgl. dazu BVerfGE 20, 31, 33f.).
4. Der Rückforderung der gezahlten Vergütung steht § 656 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entgegen. Diese Vorschrift findet zwar auch auf Eheanbahnungsdienstverträge Anwendung (BGHZ 25, 124, 126; 87, 309, 313; BGH Urteil vom 4. Dezember 1985 – IVa ZR 75/84 – NJW 1986, 927 – FamRZ 1986, 240); sie schließt jedoch nur solche Rückzahlungsansprüche aus, die darauf gestützt werden, daß der Auftraggeber nach § 656 Abs. 1 BGB nicht hätte zur Leistung gezwungen werden können (BGHZ 87, 309, 316 unter Ziffer II 2; BGH Urteil vom 9. Mai 1984 – IVa ZR 113/82 – NJW 1984, 2407 = FamRZ 1984, 763 = LM BGB § 656 Nr. 4).
5. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe des zurückzuerstattenden Betrages enthalten keinen Rechtsfehler zu Lasten der Beklagten. Sie werden auch von der Revision nicht angegriffen.
Unterschriften
Dr. Hoegen, Dr. Lang, Dehner, Dr. Zopfs, Dr. Ritter
Fundstellen
Haufe-Index 1237677 |
BGHZ |
BGHZ, 341 |
NJW 1989, 1479 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1989, 308 |