Leitsatz (amtlich)
Für das Widerspruchsrecht des Treugebers nach § 771 ZPO ist die Publizität des Treuhandkontos nicht zwingend erforderlich.
Normenkette
ZPO § 771
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 30. November 1992 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 11. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte vollstreckte im Juni 1990 aufgrund eines gegen den Ehemann der Klägerin M. B. gerichteten Titels in ein auf dessen Namen lautendes Postgirokonto. Sie erhielt aus der Zwangsvollstreckung 21.150,20 DM. Die Klägerin verlangt Auskehrung dieses Betrages mit der Behauptung, ihr Ehemann habe das Konto treuhänderisch in ihrem Auftrag gehalten; das Konto sei als Geschäftskonto für das ihr gehörende und von ihr unter der Bezeichnung „M. B. Baumontage, Inhaberin V. B.” betriebene Einzelhandelsunternehmen eröffnet und geführt worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr im wesentlichen stattgegeben. Mit der – zugelassenen – Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, der Ehemann der Klägerin habe das Postgirokonto als uneigennütziger Treuhänder für die Klägerin geführt. Auf das Konto seien nur Gelder gelangt, die unmittelbar aus dem Unternehmen der Klägerin stammten. Es seien Kundenschecks eingezogen worden und Bareinzahlungen aus Mitteln des Betriebes geleistet worden. Da das Guthaben unmittelbar aus dem Vermögen der Klägerin auf das Konto gelangt sei, habe es Treugut dargestellt. Deshalb habe die Klägerin nach § 771 ZPO der Zwangsvollstreckung der Beklagten widersprechen können und könne nach durchgeführter Vollstreckung nunmehr die Herausgabe des Vollstreckungserlöses verlangen. Hierfür sei nicht zusätzlich erforderlich, daß die Treuhand offenkundig gewesen sei.
II.
1. Die Revision wendet sich zunächst gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß das Treuhandverhältnis nicht offenkundig sein müsse, um ein Widerspruchsrecht nach § 771 ZPO zu begründen. Damit vermag sie jedoch nicht durchzudringen.
Das Reichsgericht hat ein Aussonderungsrecht des Treugebers im Konkurs des Treuhänders sowie ein Widerspruchsrecht gegenüber der Einzelzwangsvollstreckung eines Gläubigers des Treuhänders nur anerkannt, wenn der Treuhänder das Treugut aus dem Vermögen des Treugebers übertragen erhalten hat (vgl. RGZ 84, 214, 216; 91, 12, 14). Von diesem Grundsatz der Unmittelbarkeit hat der Bundesgerichtshof eine Ausnahme für den Fall gemacht, daß von dritter Seite Geld auf ein sogenanntes Anderkonto eingezahlt oder überwiesen wird, das offenkundig zu dem Zweck bestimmt ist, fremde Gelder zu verwalten (BGH, Urt. v. 5. November 1953 – IV ZR 95/53, NJW 1954, 190, 191). In einer weiteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Überweisung von Geldbeträgen auf ein nicht als Anderkonto eingerichtetes Postscheckkonto genügen lassen, sofern die den Zahlungen zugrundeliegenden Forderungen nicht in der Person des Treuhänders, sondern unmittelbar in der Person des Treugebers entstanden waren (BGH, Urt. v. 7. April 1959 – VIII ZR 219/57, NJW 1959, 1223, 1225; vgl. auch Urt. vom 19. November 1992 – IX ZR 45/92, WM 1993, 83, 84).
Die Entscheidungen besagen nicht, daß ein Aussonderungs- oder Widerspruchsrecht des Treugebers nur anerkannt werden kann, wenn das Treuhandverhältnis offenkundig ist. Die Offenlegung der treuhänderischen Bindung wird nur in einem anderen Zusammenhang gefordert. Bei der Führung eines Treuhandkontos entscheidet die Offenlegung des Treuhandcharakters darüber, ob der kontoführenden Bank ein vertragliches Pfandrecht an dem Kontoguthaben sowie ein Aufrechungs- und Zurückbehaltungsrecht für eigene Ansprüche gegen den Kontoinhaber zusteht. Bei einem offenen Treuhandkonto ist beides stillschweigend abbedungen (BGHZ 61, 72, 77; BGH, Urt. v. 25. September 1990 – XI ZR 94/89, ZIP 1990, 1463, 1464). Für das Widerspruchsrecht des Treugebers nach § 771 ZPO ist die Publizität des Treuhandkontos demgegenüber nicht zwingend erforderlich (BGHZ 61, 72, 79).
Die Rechtsordnung verlangt generell nicht, daß die Vermögensverhältnisse des Schuldners für seine Gläubiger ohne weiteres durchschaubar sein müssen. Wie gerade die Vorschrift des § 771 ZPO zeigt, muß der Gläubiger gewärtigen, daß Vermögensgegenstände, die dem äußeren Anschein nach dem Schuldner gehören, in Wahrheit nicht dem Vollstreckungszugriff unterliegen. Auch die stille Zession und viele Formen der Sicherungsübereignung belegen, daß der Schuldner nicht gezwungen ist, seine Vermögensverhältnisse offenzulegen. Einem Mißbrauch dieser Rechtsinstitute wie auch des Treuhandverhältnisses zum Nachteil der Vollstreckungsgläubiger kann nur dadurch begegnet werden, daß an den Nachweis einer Aussonderung von Vermögensgegenständen nicht nur verbal, sondern tatsächlich strenge Anforderungen gestellt werden (siehe dazu unter 2.).
Im übrigen verlangt Canaris, auf den sich die Revision in erster Linie bezieht, nicht zusätzlich eine Offenkundigkeit der Treuhandstellung, wenn das Treugut aus dem Vermögen des Treugebers auf den Treuhänder übertragen worden ist (Canaris, Bankvertragsrecht in Großkomm HGB 4. Aufl. Rdnr. 280 a.E.; ders. in Festschrift Werner Flume, 1978 S. 371, 417 ff.) Auch die von der Revision angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Betrieb 1983, 1759) steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Sie befaßt sich mit der Inhaberschaft eines Treuhandkontos und besagt nichts über die Voraussetzungen, unter denen der Treugeber einer Vollstreckung von Gläubigern des Treuhänders widersprechen kann.
2. Mit Erfolg greift die Revision jedoch die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts an. Wie die Revision im einzelnen zutreffend rügt, hat das Berufungsgericht bei seiner Beweiswürdigung wesentliche Umstände des Falles nicht berücksichtigt und den Sachverhalt insgesamt nicht erschöpfend gewürdigt (§ 286 ZPO).
a) Mit Recht weist die Revision darauf hin, daß das Berufungsgericht Widersprüche und Unklarheiten im Vorbringen der Klägerin nicht berücksichtigt hat. So hat die Klägerin im Schriftsatz vom 13. Mai 1991 (Bl. 27 GA) vortragen lassen, sie habe das Konto eröffnen lassen, weil sie bei Aufnahme ihrer Tätigkeit in eigener Firma eine Bankverbindung habe aufweisen wollen. Diese Behauptung ist nicht damit zu vereinbaren, daß das Konto niemals auf den Geschäftspapieren angegeben wurde und auch nicht für den bargeldlosen Zahlungsverkehr genutzt wurde.
Bei ihrer Anhörung vor dem Oberlandesgericht hat die Klägerin angegeben, das Konto habe auf den Briefbögen gestanden (Bl. 85 GA). Bei ihrer Parteivernehmung mußte sie dann einräumen, daß das Postgirokonto nie auf den Geschäftsbögen gestanden hat (Bl. 146 GA). Auch diesen Widerspruch hat das Berufungsgericht in seiner Beweiswürdigung nicht erwähnt.
b) Wie die Revision weiterhin zutreffend geltend macht, entbehrt die Feststellung des Berufungsgerichts, daß auf das Konto nur betriebliche Einnahmen geflossen und die Abhebungen in erheblichem Umfang zur Finanzierung betrieblicher Schulden verwendet worden seinen, einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage. Das Berufungsgericht läßt nicht erkennen, auf welche Tatsache das Berufungsgericht seine Überzeugung stützt, die eingereichten Schecks seien ausschließlich Kundenschecks der Klägerin gewesen. Hinsichtlich der Bareinzahlungen und der Abhebungen, die sämtlich in bar erfolgt sind, fehlen jegliche Feststellungen über Herkunft und konkreten Verwendungszweck der Gelder.
c) Vor allem hat das Berufungsgericht sich nicht damit auseinandergesetzt, daß die Klägerin keine nachvollziehbare Erklärung dafür hat geben können, warum sie das Konto nicht auf ihren Namen eingerichtet hat, wenn es von vornherein nur für ihre Guthaben bestimmt war.
Zunächst hat die Klägerin behauptet, sie habe das Konto auf den Namen ihres Mannes einrichten lassen, damit es mit der Bezeichnung ihres Unternehmens übereingestimmt habe. Diese Einlassung ist dadurch widerlegt, daß das Konto weder auf den Geschäftsbögen aufgeführt noch für geschäftliche Überweisungen benutzt worden ist.
Später hat die Klägerin behauptet, das Konto sei auf den Namen ihres Mannes eingerichtet worden, weil es bei der Post andernfalls nicht möglich gewesen sei, daß auf den Namen ihres Mannes lautende Überweisungen gutgeschrieben worden wären. Auch diese Erklärung wird dadurch widerlegt, daß das Konto niemals im Überweisungsverkehr benutzt worden ist.
Schließlich hat die Klägerin angegeben, laut Auskunft der Post hätte es Schwierigkeiten geben können, wenn das Konto auf ihren Namen laute und sie Schecks einreiche, die den Namen ihres Mannes trügen. Diese Erklärung ist nicht nachvollziehbar, weil Schecks in aller Regel Inhaberschecks sind und als solche auf jedes Konto eingezogen werden können.
III.
Aus den dargelegten Gründen kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache muß zur erneuten Feststellung, des streitigen Sachverhalts an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Bei der erneuten Beweiswürdigung wird das Berufungsgericht auch zu bedenken haben, daß in Fällen, in denen erfahrungsgemäß der Verdacht von Vermögensverschiebungen besteht, stets von wesentlicher Bedeutung ist, inwieweit die Angaben der Beteiligten durch zweifelsfrei feststehende objektive Tatsachen erhärtet werden und inwieweit die Aussagen in sich nachvollziehbar sind.
Fundstellen
Haufe-Index 609781 |
BB 1993, 1549 |
NJW 1993, 2622 |
ZIP 1993, 1185 |
ZBB 1993, 257 |