Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftspflicht des Steuerbevollmächtigten gegenüber der Steuerberaterkammer. Berufspflichtverletzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Auskunftsersuchen der Steuerberaterkammer (§ 80 StBerG) darf ein Steuerbevollmächtigter nicht einfach unbeantwortet lassen, auch wenn er sich bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Gefahr einer Verfolgung wegen einer Straftat, einer Ordnungswidrigkeit oder einer Berufspflichtverletzung aussetzen könnte und daher ein Auskunftsverweigerungsrecht hat. Entweder muß er die gestellten Fragen beantworten und richtig Auskunft geben oder erklären, daß er die Aussage ganz oder zum Teil verweigert.
2. Der Abschluß einer sog. Rückwärtsversicherung läßt den Pflichtverstoß der ursprünglichen Versäumnis eine Berufshaftpflichtversicherung für Steuerbevollmächtigte abzuschließen nicht entfallen.
Normenkette
StBerG § 90 Abs. 1 Nr. 4, §§ 89, 92, 80; StPO § 55
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 13.10.1988; Aktenzeichen 45 StL 27/85) |
LG Düsseldorf (Urteil vom 25.04.1988; Aktenzeichen StO 11/88) |
Tenor
Die Revision des Steuerbevollmächtigten gegen das Urteil des Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Oberlandesgericht Düsseldorf vom 13. Oktober 1988 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
I. Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Landgericht Düsseldorf hat den Steuerbevollmächtigten wegen zahlreicher Berufspflichtverletzungen aus dem Beruf ausgeschlossen. Die Berufung des Steuerbevollmächtigten hat der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Oberlandesgericht Düsseldorf als unbegründet verworfen. Er hat festgestellt:
Der Berufsangehörige wurde am 27. Mai 1974 zum Steuerbevollmächtigten bestellt. Danach war er als Angestellter tätig, übernahm jedoch mit Genehmigung seines Arbeitgebers vereinzelt auch eigene Mandate. Seit 1982 ist er selbständig. Eine Aushilfsbuchhalterin und seine Ehefrau unterstützen ihn bei den Büroarbeiten. Den monatlichen Umsatz beziffert er mit 5.000 DM bis 6.000 DM. Berufsgerichtliche Maßnahmen sind gegen ihn bisher nicht verhängt worden. Dem vorliegenden Verfahren liegen folgende Verfehlungen zugrunde:
1. Vom 14. Dezember 1983 bis 2. April 1984 war er ohne ausreichenden Haftpflichtversicherungsschutz.
2. Durch rechtskräftiges Urteil des Schöffengerichts Moers vom 25. September 1986 wurde er wegen Betrugs zum Nachteil seiner Mandanten H. und B. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach den Feststellungen des Schöffengerichts kam er seit 1979 seiner vertraglich übernommenen Verpflichtung nicht mehr ordnungsgemäß nach, für die GmbH des Zeugen H. die Bücher zu führen, Bilanzen zu erstellen und Steuererklärungen abzugeben. Obwohl er vom 2. Quartal 1982 bis Ende 1983 vierteljährlich 406,80 DM als Entgelt verlangte und erhielt, erbrachte er keine Leistungen. Die von ihm für den Betrieb des Mandanten abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen versah er mangels Buchführung mit aus der Luft gegriffenen Beträgen, so daß die Eheleute H. einer Umsatzsteuernachforderung von 16.600 DM ausgesetzt waren. Nach Aufdeckung des Betrugs verweigerte er die Herausgabe der Unterlagen. Nur ein Teil davon konnte im Wege der Zwangsvollstreckung sichergestellt werden.
Der Steuerbevollmächtigte täuschte dem Schreinermeister B. vor, die Einkommensteuererklärungen für 1980 und 1981 abgegeben zu haben, und erreichte so die Zahlung von Honoraren in Höhe von 2.623 DM, 1.000 DM und 1.734 DM. Auch später reichte er die Steuererklärungen beim Finanzamt nicht ein, verweigerte aber die Herausgabe der Unterlagen. Der Mandant hat ein Urteil über eine Schadensersatzzahlung von 10.513 DM erwirkt. Der tatsächlich entstandene Schaden liegt höher.
3. Von Anfang 1984 bis Ende 1985 ließ es der Berufsangehörige zu zahlreichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von insgesamt 22 Gläubigern und zum Erlaß von vier Haftbefehlen zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kommen. Die Summe der titulierten Forderungen betrug 61.922 DM. Unter den nicht bezahlten Rechnungen befanden sich auch solche über kleinere Beträge aus der Lieferung von Fachliteratur, einem Autoleasingvertrag, der Reparatur von Büromaschinen, der Lieferung von Heizöl u.a. Teilweise beglich er die Forderungen erst, nachdem der Gerichtsvollzieher zur Pfändung erschienen war. Auch die Beiträge für die Steuerberaterkammer zahlt er seit 1985 nicht mehr.
4. Für die Mandantin G. fertigte er die Einkommensteuererklärung 1985 nicht und reagierte auch nicht auf deren vielfache Mahnungen. Nachdem die Mandantin die Steuererklärung am 1. Mai 1987 an Hand von Ersatzbelegen mit Hilfe ihres Ehemannes erstellt hatte, informierte er sie weder von dem danach ergangenen Steuerbescheid noch von dem durch ihn erhobenen Widerspruch. Im Jahre 1987 fertigte er die Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen 1985 für den Versicherungskaufmann V. nicht mit der erforderlichen Sorgfalt. In beiden Fällen gab er die Unterlagen nicht zurück.
5. Das Schreiben der Steuerberaterkammer vom 21. April 1987, mit dem er förmlich unter Hinweis auf die Regelung des § 80 StBerG um Stellungnahme zu den von der Mandantin G erhobenen Vorwürfen aufgefordert worden war, beantwortete er nicht.
Entscheidungsgründe
II. Die vom Berufsangehörigen gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf eingelegte, mit einer Aufklärungsrüge und der Sachbeschwerde gerechtfertigte Revision ist unbegründet.
1. Die Aufklärungsrüge entspricht nicht den Anforderungen des § 130 Abs. 3 StBerG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. hierzu Pikart in Karlsruher Kommentar, 2. Aufl. § 344 StPO Rdn. 51). Es fehlt schon die Angabe, welche außerberuflichen Zahlungsverpflichtungen auf welches vom Berufsangehörigen nicht zu vertretendes Verhalten seiner Ehefrau zurückgehen sollen. Im übrigen wird das angeblich nicht benutzte Beweismittel nicht dem Gesetz entsprechend bezeichnet.
2. Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg.
Die vom Oberlandesgericht nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 StBerG angeordnete Ausschließung aus dem Beruf läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Sie kommt als schärfste, in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifende berufsgerichtliche Maßnahme nur in Betracht, wenn sie zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit einer den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden unabhängigen und eigenverantwortlichen Hilfeleistung in Steuersachen, insbesondere zum Schutze der Mandanten und der übrigen Beteiligten erforderlich ist (vgl. BVerfGE 66, 337, 360; BGHSt 32, 305, 306 ff.). Ob dies der Fall ist, muß unter Würdigung aller den Einzelfall und die Persönlichkeit des Betroffenen kennzeichnenden Umstände entschieden werden, wobei dem Schuldgehalt der Tat nicht die gleiche überragende Bedeutung wie im allgemeinen Strafrecht zukommt (BGHSt 20, 73, 74).
Diese Grundsätze hat das Oberlandesgericht beachtet. Auch aus dem Revisionsvorbringen ergibt sich nichts anderes.
a) Die Behauptung, die schriftliche Androhung der Kündigung der Haftpflichtversicherung sei bei dem Berufsangehörigen nicht eingegangen, widerspricht den Feststellungen des Oberlandesgerichts (UA S. 4), die den Senat binden. Der Abschluß sog. Rückwärtsversicherungen läßt den Pflichtverstoß nicht entfallen (st.Rspr., zuletzt Urteil des Senats vom 17. Oktober 1988 – StbSt (R) 5/88).
b) Die Auffassung des Oberlandesgerichts, in den vom Schöffengericht Moers mit Freiheitsstrafen geahndeten Betrugsfällen zum Nachteil der Mandanten H. und B. liege eine besonders schwerwiegende Berufsverfehlung, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Allerdings weist die Revision zutreffend darauf hin, daß sich die Notwendigkeit einer berufsgerichtlichen Ahndung nicht – wie das Oberlandesgericht meint (UA S. 24/25) – aus § 89 Abs. 2 StBerG ergibt. Denn der Steuerbevollmächtigte hat die Mandanten in Ausübung seines Berufs betrügerisch geschädigt, so daß es auf die zusätzlichen Kriterien, die § 89 Abs. 2 StBerG für die Ahndung einer außerhalb des Berufs begangenen Pflichtverletzung aufstellt, nicht ankommt. Einschlägig ist vielmehr die Vorschrift des § 92 StBerG. Nach dessen Satz 2 steht die strafgerichtliche Verurteilung einer Ausschließung aus dem Beruf niemals entgegen (vgl. Gehre, Steuerberatungsgesetz § 92 Rdn. 3).
c) Auch der Bewertung der außerberuflichen Schulden durch das Oberlandesgericht stimmt der Senat im Ergebnis zu. Da der Steuerbevollmächtigte sowohl beruflich wie auch außerberuflich veranlaßten Zahlungsverpflichtungen in einer mit dem Ansehen seines Berufs unvereinbaren Weise nicht nachgekommen ist, sind die Verfehlungen insgesamt als eine zu ahndende Tat anzusehen. Es ist daher entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts (UA S. 26) unerheblich, ob bei isolierter Betrachtung die außerberufliche Verschuldung die zusätzlichen Voraussetzungen des § 89 Abs. 2 StBerG erfüllen würde (vgl. BGHSt 27, 305, 306 f.). Das Oberlandesgericht hat diese Berufspflichtverletzung auch nicht allein damit begründet, daß Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Berufsangehörigen eingeleitet worden sind. Zutreffend hat es auf die von diesem zu verantwortende schuldhafte Veranlassung abgestellt und das Verschulden mit Tatsachen, z.B. der Bezahlung oder Vereinbarung von Ratenzahlungen erst nach Einleitung der Zwangsvollstreckung, ausreichend belegt. Insbesondere kann den Berufsangehörigen nicht entlasten, daß er 1983/1984 an „eine ihm damals sehr nahestehende Frau” 16.000 DM verliehen habe, die sie ihm wider Erwarten nicht zurückgezahlt habe (UA S. 22, 26). Hier liegt das Verschulden darin, daß er in einer angespannten Vermögenslage nicht näher erläuterte private Beziehungen zu einer Frau über seine Berufspflichten gestellt und ihr ein Privatdarlehen ohne wirksame Absicherung gewährt hat. Die nicht mehr hinnehmbare Nachlässigkeit des Berufsangehörigen bei der Tilgung seiner Schulden und die völlige Gleichgültigkeit gegenüber den in § 57 Abs. 1 und 2 StBerG niedergelegten Berufspflichten wird auch daran deutlich, daß er in vier Fällen den Erlaß eines Haftbefehls zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung verschuldete.
d) Was die Revision zu dem Verhalten des Berufsangehörigen in den Fällen G. und V. vorträgt, entfernt sich von den den Senat bindenden Feststellungen des angefochtenen Urteils.
e) Die Behauptung der Revision, der Berufsangehörige habe auf die Aufforderung der Steuerberaterkammer, zu der Beschwerde der Mandantin G. Stellung zu nehmen, deshalb nicht reagiert, weil er an ein Schweigerecht geglaubt habe, wird durch die Gründe des angefochtenen Urteils nicht belegt. Selbst wenn sie zuträfe und sich das Oberlandesgericht aus sachlichrechtlichen Gründen mit einem etwaigen Verbotsirrtum des Berufsangehörigen hätte auseinandersetzen müssen, wäre durch die Behauptung der Revision eine Berufspflichtverletzung nicht in Frage gestellt. Ein Steuerbevollmächtigter darf das von der Steuerberaterkammer gemäß § 80 StBerG ergangene Auskunftsersuchen nicht einfach unbeantwortet lassen, wenn er sich bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Gefahr einer Verfolgung wegen einer Straftat, einer Ordnungswidrigkeit oder einer Berufspflichtverletzung aussetzen könnte und daher ein Auskunftsverweigerungsrecht hat. Entweder muß er die gestellten Fragen beantworten und richtig Auskunft geben, oder er muß erklären, daß er die Aussage ganz oder zum Teil verweigere (vgl. BGHSt 27, 374, 379). Ein etwaiger Verbotsirrtum darüber wäre fahrlässig verursacht.
f) Schließlich hat das Oberlandesgericht entgegen der Auffassung der Revision auch die innere Einstellung des Berufsangehörigen angemessen gewürdigt. Es hat nicht verkannt, daß er nunmehr Einsicht zeigt und mit Erfolg bemüht ist, seine Schulden abzutragen. Dennoch durfte es aus Art, Umfang und Gewicht der Berufsverfehlungen, die er teilweise trotz Einreichung zweier Anschuldigungsschriften des Generalstaatsanwalts und trotz der strafgerichtlichen Verurteilung begangen hat, den rechtsfehlerfreien Schluß ziehen, daß er auch künftig nicht die Gewähr für die ordnungsmäßige Erfüllung seiner Berufspflichten bietet, so daß zum Schutze der Mandanten und der übrigen Beteiligten seine Ausschließung aus dem Beruf erforderlich ist.
Fundstellen