Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis einer Steuerberaterkammer. irreführender Name eines Lohnsteuerhilfevereins
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Steuerberaterkammer ist ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen i. S. von § 13 Abs. 1 UWG anzusehen und im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 76 StBerG berechtigt, Ansprüche aufgrund von §§ 1, 3 UWG geltend zu machen. Das gilt auch, wenn sich der Anspruch nicht gegen ein Kammermitglied, sondern gegen einen Außenstehenden richtet.
2. Die Bezeichnung „Steuerberatungsgemeinschaft der Arbeitnehmer” als Namensbestandteil eines Lohnsteuerhilfevereins verstößt gegen § 3 UWG.
3. In den Fällen des § 3 UWG scheidet eine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs und Beseitigungsanspruchs im allgemeinen aus, weil das Interesse der Allgemeinheit, vor Irreführung bewahrt zu werden, grundsätzlich als vorrangig vor den Individualinteressen des Inhabers des Kennzeichnungsrechts anzusehen ist.
4. Besteht der Name einer Firma oder eines Vereins aus mehreren Bestandteilen, von denen nur ein Teil als irreführend gemäß § 3 UWG anzusehen ist, so ist der Verletzer zur Unterlassung der Weiterführung der Gesamtbezeichnung zu verurteilen.
Normenkette
StBerG §§ 4, 43, 76, 161; UWG §§ 3, 13
Tatbestand
Die Klägerin ist eine regionale Steuerberaterkammer, der Beklagte betätigt sich als Lohnsteuerhilfeverein. Er führt den Namen „L. eV – Steuerberatungsgemeinschaft der Arbeitnehmer – (Lohnsteuerhilfeverein)”. Die Klägerin beanstandet an dieser Bezeichnung den Zusatz „Steuerberatungsgemeinschaft” als wettbewerbswidrig und irreführend und nimmt den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch. Sie meint, die Bezeichnung „Steuerberatungsgemeinschaft” im Vereinsnamen eines Lohnsteuerhilfevereins sei geeignet, die irrige Vorstellung hervorzurufen, die Beklagte führe alle Steuerberatungstätigkeiten aus und sei dazu befugt. Das sei unrichtig, da die Tätigkeit eines Lohnsteuerhilfevereins auf die Befugnisse gemäß § 4 Ziff. 11 StBerG beschränkt sei. Darüber hinaus verstoße der Beklagte gegen § 43 Abs. 4 Satz 2 StBerG. Dem Beklagten sei auch jeglicher Hinweis auf die von ihm ausgeübte steuerberatende Tätigkeit verboten. Schließlich liege ein Verstoß gegen § 161 StBerG vor, da der Beklagte eine Bezeichnung führe, die mit der Bezeichnung „Steuerberatungsgesellschaft” zum Verwechseln ähnlich sei.
Der Unterlassungsanspruch sei entgegen der Meinung des Beklagten nicht verwirkt. Weder aus ihrem früheren Verhalten noch dem der Bundessteuerberaterkammer habe der Beklagte den Schluß ziehen können, daß die Führung der unzulässigen Bezeichnung geduldet werde. Noch im Jahre 1976 habe ein Schriftwechsel stattgefunden, in dem von der Klägerin bzw der Bundessteuerberaterkammer auf die Unzulässigkeit der Namensführung hingewiesen worden sei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, den Namen „L. eV – Steuerberatungsgemeinschaft für Arbeitnehmer – (Lohnsteuerhilfeverein)” zu führen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Ansicht, § 161 StBerG besage für den Anspruch der Klägerin nichts, da er eine Bußgeldvorschrift enthalte und keine zivilrechtliche Anspruchsnorm darstelle. § 43 Abs. 2 StBerG sei nicht anwendbar, da diese Vorschrift nur auf Steuerberater, nicht jedoch auf Lohnsteuerhilfevereine ziele. Eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise sei nicht zu besorgen. Jedenfalls seien etwaige Unterlassungsansprüche verwirkt. Angesichts der Vorgeschichte dieses Verfahren habe er, der Beklagte, annehmen können, die Klägerin bzw. ihre Dachorganisation hätte es aufgegeben, den beanstandeten Namensbestandteil als unzulässig zu rügen. Er habe beträchtliche Aufwendungen zur Verwendung dieses Namens gemacht, die sich bei einem Obsiegen der Klägerin als nutzlos erweisen würden. Im übrigen bedürfe es eines solchen Zusatzes, da alle auf dem einschlägigen Sektor tätigen Vereine die Bezeichnung „Lohnsteuerhilfe” in irgendeiner Form verwendeten und eine Unterscheidung nur durch weitere Zusätze möglich sei.
Das Landgericht hat der Klage aus dem Gesichtspunkt des § 3 UWG stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin sei ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung auch als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 Abs. 1 UWG anzusehen, der Ansprüche aufgrund der §§ 1, 3 UWG geltend machen dürfe. Dem ist beizutreten. Der Senat hat in seinem nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 16. Januar 1981 (I ZR 29/79), das die Klage einer Steuerberaterkammer gegen eine Steuerberatungsgesellschaft betraf, ausgesprochen, daß Steuerberaterkammern im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 76 StBerG klageberechtigt im Sinne des § 13 Abs. 1 UWG seien. Dabei hat der Senat auch geprüft, ob das Steuerberatungsgesetz in der Neufassung vom 4. November 1975 Veranlassung zu einer Abweichung von diesem bereits früher eingenommenen Standpunkt (vgl. BGH GRUR 1972, 607 Steuerbevollmächtigter) gebe und ob anderweit geltend gemachte verfassungsrechtliche Bedenken begründet sein könnten. Beides ist verneint worden. Im einzelnen wird dazu auf die Gründe jenes Urteils, das zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung bestimmt ist, Bezug genommen.
Der Streitfall weist gegenüber dem Sachverhalt dieses Urteils die Besonderheit auf, daß der Anspruch nicht gegen ein Kammermitglied, sondern gegen einen Außenstehenden gerichtet ist und daß die Verurteilung nicht auf § 1 UWG in Verbindung mit den die Berufsbezeichnung der Steuerberater regelnden Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes gestützt ist, sondern auf den Irreführungstatbestand des § 3 UWG. Eine andere Beurteilung ist dadurch jedoch nicht geboten. Die Klagebefugnis aus § 13 UWG erstreckt sich auch auf die Klage gegen einen nicht der Steuerberaterkammer angehörigen Wettbewerber, wenn sich die Geltendmachung der Klage im Rahmen der der Kammer nach § 76 StBerG obliegenden Aufgaben hält, also der Wahrung der beruflichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder dient. In diesem Sinne hat der Senat in seinem Urteil vom 16. Januar 1981 den Einwand mangelnder Klagebefugnis auch im Hinblick auf eine Klage gegen Außenstehende nicht für durchgreifend erachtet. Daran ist festzuhalten. Die Klagebefugnis erstreckt sich in diesem Rahmen auch auf Ansprüche aus § 3 UWG, zumal deren Durchsetzung nicht nur im Interesse der betroffenen Berufsangehörigen, sondern auch im Interesse einer breiteren Öffentlichkeit liegt. Dem steht im Streitfall nicht entgegen, daß, wie die Revision hervorhebt, das Steuerberatungsgesetz für die Lohnsteuerhilfevereine besondere Regeln enthält, nach denen diese Vereine der Anerkennung durch die Steuerbehörde bedürfen und deren Aufsicht unterstellt sind. Allerdings bedarf nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 StBerG auch der Vereinsname der Anerkennung durch die Oberfinanzdirektion, die gemäß § 28 Abs. 2 StBerG auch das die Lohnsteuervereine treffende Werbeverbot überwacht (§§ 8, 26 Abs. 1 StBerG; vgl. auch § 3 der Verordnung vom 25. November 1976 BGBl I S 32, 45). Aus diesen Vorschriften ergibt sich jedoch kein Anhalt für die Ansicht der Revision, daß damit allgemein oder zu Lasten der Steuerberaterkammern eine auf die Vorschriften des Wettbewerbsrechts, insbesondere § 3 UWG, gestützte Unterlassungsklage ausgeschlossen und allein die Steuerbehörde zum Erlaß von Verboten ermächtigt sein solle. Dementsprechend hat auch die Oberfinanzdirektion H. in dem zu den Akten gereichten Schreiben vom 25. Februar 1976 die Bundessteuerberaterkammer auf den Weg der Wettbewerbsklage verwiesen.
II.
Zur Frage der Irreführung hat das Berufungsgericht festgestellt, der Beklagte erwecke durch den Namensbestandteil „Steuerberatungsgemeinschaft der Arbeitnehmer” den Eindruck, daß er nicht nur Hilfe in Lohnsteuerangelegenheiten gewähre, sondern darüber hinaus umfassend in allen für Arbeitnehmer in Betracht kommenden Steuerangelegenheiten Rat erteile. Denn das Wort „Steuerberatungsgemeinschaft” enthalte hinsichtlich der Steuerarten keinerlei Einschränkung als die, daß nicht in Steuerangelegenheiten beraten werde, die typischerweise Unternehmer beträfen, wie etwa die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer. Eine Beschränkung auf Lohnsteuerberatung ergebe sich auch nicht durch die weiteren Namensbestandteile „L. eV” und „(Lohnsteuerhilfeverein)”. Denn daraus ergebe sich noch nicht hinreichend für jedermann erkennbar, daß sich die Steuerhilfe auf das Gebiet der Lohnsteuer beschränke. Vielen Arbeitnehmern werde der umstrittene Namensbestandteil Anlaß zu der Annahme geben, daß der Beklagte zusätzlich zur Lohnsteuerhilfe auch umfassend Rat in allen sonst noch für Arbeitnehmer in Betracht kommenden Steuerangelegenheiten erteile. Dies liege um so näher, als der Hinweis auf die Lohnsteuerhilfe bereits zweimal im Namen enthalten sei, so daß kein Grund für die Annahme erkennbar sei, daß mit dem Wort „Steuerberatungsgemeinschaft” erneut auf die Lohnsteuerhilfe hingewiesen werden solle.
Diese Feststellung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Wenn die Revision demgegenüber geltend macht, einprägsame Hauptbestandteile der Gesamtbezeichnung seien die Begriffe „L.” und „Lohnsteuerhilfe”, so steht das nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen lediglich festgestellt wird, daß die Bezeichnung „Steuerberatungsgemeinschaft” den Verkehr, zumindest nicht unbeachtliche Verkehrskreise, auf zusätzliche Tätigkeitsbereiche hinweise. Soweit die Revision dies nicht gelten lassen will, versucht sie in revisionsrechtlich unzulässiger Weise ihre eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Das Berufungsgericht hat auch entgegen der Ansicht der Revision berücksichtigt, daß vielen Arbeitnehmern bekannt ist, daß Lohnsteuerhilfevereine nur auf ihrem begrenzten Gebiet Rat erteilen dürfen und auch nur erteilen. Wenn es jedoch feststellt, daß gleichwohl vielen Arbeitnehmern der Namensbestandteil „Steuerberatungsgemeinschaft” Anlaß zu der Annahme biete, der Beklagte gewähre über die Lohnsteuerhilfe hinaus umfassend Rat in allen für Arbeitnehmer in Betracht kommenden Steuerangelegenheiten, dann ist das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die weiteren in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet (§§ 286, 565a ZPO).
III.
Den Verwirkungseinwand des Beklagten hat das Berufungsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, im Falle der Irreführung stehe das Interesse der Allgemeinheit der Berücksichtigung dieses Einwandes entgegen, auch ein etwa erworbener Besitzstand sei unter den gegebenen Voraussetzungen nicht schutzwürdig. Auch das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß in den Fällen des § 3 UWG eine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs und Beseitigungsanspruchs im allgemeinen ausscheidet, weil das Interesse der Allgemeinheit, vor Irreführung bewahrt zu werden, grundsätzlich als vorrangig vor den Individualinteressen des Inhabers des Kennzeichnungsrechts anzusehen ist (vgl. GRUR 1977, 159, 161 Ostfriesische Teegesellschaft m w N). Zwar kann in besonderen Ausnahmefällen aus Billigkeitsgründen eine Irreführungsgefahr hinzunehmen sein, etwa wenn die Belange der Allgemeinheit nicht in erheblichem Maße und ernstlich in Mitleidenschaft gezogen werden (a.a.O.). Es ist aber kein Rechtsfehler, wenn das Berufungsgericht, das diese Grundsätze ersichtlich nicht verkannt hat, für den Streitfall eine solche Ausnahmelage nicht anerkannt hat. Ein Allgemeininteresse an der unveränderten Weiterführung des Vereinsnamens, auf das sich die Revision beruft, ist nicht dargelegt und auch nicht erkennbar. Auch ein gegenüber dem Irreführungstatbestand überwiegendes Interesse des Beklagten an der Fortführung der Bezeichnung mußte das Berufungsgericht nicht bejahen. Zur Unterscheidung von anderen Lohnsteuerhilfe-Vereinen kann sich der Beklagte solcher Bezeichnungen bedienen, die nicht die Gefahr von Irreführungen mit sich bringen. Daß eine Umstellung im Hinblick auf den Besitzstand nicht zumutbar sei, ist nicht hinreichend belegt.
IV.
Die Revision beanstandet ferner, daß das Berufungsgericht die Weiterführung des Vereinsnamens als Ganzem untersagt hat, obwohl nur der Zusatz „Steuerberatungsgemeinschaft der Arbeitnehmer” beanstandet werde. Sie meint, es hätte allenfalls dieser Zusatz verboten werden dürfen, weil die anderen Bestandteile eine in sich geschlossene Bezeichnung darstellten. Diese Rüge ist nicht begründet. In der Rechtsprechung ist für den Fall des wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs anerkannt, daß in der Regel der gesamte Name einer Firma oder eines Verbandes auch dann die konkrete Verletzungsform darstellt, wenn ein solcher Name aus mehreren Bestandteilen besteht, von denen nur ein Teil aus Rechtsgründen beanstandet wird (vgl. BGH GRUR 1968, 202, 213 Hellige m w N; GRUR 1981, 60, 64 unter IV 1 Sitex). Das beruht auf der Erwägung, daß die Verurteilung zur Unterlassung der Führung eines Firmenbestandteils dem Verletzer nicht die Möglichkeit nehmen darf, den beanstandeten Teil in einer anderen, rechtlich unbedenklichen Zusammenstellung zu verwenden. Dies wäre aber nicht der Fall, wenn dem Verletzer die firmenmäßige Verwendung eines bestimmten Begriffs ohne Rücksicht auf die konkrete Verletzungsform verboten würde. Darauf liefe es auch im Streitfall hinaus, wenn dem Beklagten „lediglich” die Verwendung der Bezeichnung „Steuerberatungsgemeinschaft” verboten worden wäre. Der Beklagte ist daher durch die Verurteilung zur Unterlassung der Führung der Gesamtbezeichnung nicht beschwert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 29. November 1974 (GRUR 1975, 377 – Verleger von Tonträgern), auf das sich die Revision beruft. Dort handelte es sich nicht um einen Bestandteil eines Firmennamens, vielmehr war Verletzungsform ein Teil der Gesamtbezeichnung, der nach Art eines Untertitels seiner Natur nach schon als eine in sich abgeschlossene Bezeichnung angesehen werden konnte und auch so verwendet worden ist.
V.
Da die Verurteilung des Beklagten auf der Grundlage des § 3 UWG aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist, bedarf es keiner Erörterung, ob der Klageanspruch auch aufgrund der weiteren Vorschriften begründet wäre, auf die sich die Klägerin berufen hat.
Fundstellen