Entscheidungsstichwort (Thema)
gewerbs- und bandenmäßige Geldfälschung
Tenor
I.
- Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 21. Dezember 1998, soweit die Angeklagte verurteilt worden ist, dahingehend abgeändert, daß die Angeklagte wegen gewerbs- und bandenmäßiger Geldfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird.
- Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen. Sie hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
II.
- Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 21. Dezember 1998 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagte vom Vorwurf des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels in 553 Fällen freigesprochen wurde.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gewerbs- und bandenmäßiger Geldfälschung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Vom Vorwurf der Begehung der gewerbs- und bandenmäßigen Geldfälschung in vier weiteren Fällen hat das Landgericht die Angeklagte ebenso freigesprochen wie vom Vorwurf des Schmuggels in 553 Fällen. Hinsichtlich eines weiteren als Schmuggel angeklagten Falles hat das Landgericht das Verfahren wegen anderweitiger Rechtshängigkeit eingestellt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten führt auf die Sachrüge hin zur Abänderung des Schuldspruchs sowie zum Wegfall einer Einzelstrafe und der Gesamtstrafe. Im übrigen hat die Revision der Angeklagten keinen Erfolg. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, welche sich gegen den Freispruch vom Tatvorwurf des Schmuggels wendet, greift mit der Sachrüge durch.
I.
Die Revision der Angeklagten hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Die Verfahrensrüge der Angeklagten ist unzulässig; sie entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
2. Auf die Sachrüge der Angeklagten hin ist das Urteil jedoch im Schuldspruch und im Strafausspruch abzuändern. Soweit das Landgericht die Angeklagte wegen zweier Fälle der gewerbs- und bandenmäßigen Geldfälschung verurteilt hat, hat es verkannt, daß das Sichverschaffen des Falschgeldes in der Absicht, es später abzusetzen, und das anschließende Verwirklichen dieser Absicht in zwei Einzelakten nur einen einheitlichen Verstoß gegen § 146 StGB darstellt (st. Rspr.; vgl. RGSt 1, 25, 26; BGHSt 34, 108, 109; BGHSt 42, 162, 168; BGHR StGB § 146 Abs. 1 Konkurrenzen 4; BGH, Beschluß vom 3. Dezember 1998 - 4 StR 569/98 -). Ein Teil der tatbestandsmäßigen Handlungsakte, die in einem Vorbereitungs-Vollzugs-Zusammenhang stehen – hier der Vorbereitungsakt des Sichverschaffens –, ist möglicherweise lediglich einmal verwirklicht worden. Die Verurteilung wegen einer weiteren Tat der Geldfälschung kann daher keinen Bestand haben.
Der Änderung des Schuldspruchs steht § 265 StPO nicht entgegen, denn die Angeklagte hätte sich gegen den Vorwurf, die ihr zur Last gelegten Handlungen durch eine Tat begangen zu haben, nicht anders als geschehen verteidigen können.
Die vom Landgericht ausgesprochene zweite Einzelstrafe und die Gesamtstrafe kommen zum Wegfall.
II.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Der Angeklagten wird zur Last gelegt, in der Zeit vom 1. Februar 1997 bis zum 27. Oktober 1997 in 553 Fällen Eingangsabgaben dadurch verkürzt zu haben, daß sie gemeinsam mit weiteren Personen in großem Umfang, zum Teil mehrmals täglich, unversteuerte und unverzollte Zigaretten aus Polen in ihrem Pkw nach Deutschland verbracht hat, ohne die mitgeführten Waren beim Grenzübertritt den zuständigen Zollbehörden zu gestellen. Hierdurch seien Eingangsabgaben in Höhe von 1.180.449,10 DM verkürzt worden.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen dieser Tatvorwürfe insgesamt freigesprochen. Zwar habe die Angeklagte in erheblichem Umfang als Mitglied einer Bande Zigaretten geschmuggelt; es habe aber nicht festgestellt werden können, wann und wie oft die einzelnen Schmuggelfahrten vorgenommen worden seien und wieviele Zigaretten die Angeklagte dabei jeweils ohne Gestellung in das Erhebungsgebiet verbracht habe. Damit fehle es an der erforderlichen Individualisierung der einzelnen Taten.
2. Dies hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zu Recht weist die Beschwerdeführerin darauf hin, daß der Tatrichter die Anforderungen überspannt hat, die an die Konkretisierung bei Serienstraftaten zu stellen sind.
Zwar ist es erforderlich, bei einer Tatserie die Einzelakte so konkret und individualisiert zu ermitteln und festzustellen, daß sich daraus die Verwirklichung des objektiven und subjektiven Deliktstatbestandes ergibt (BGHSt 40, 374, 376).
Steht aber bei Vermögensstraftaten, wie hier, nach der Überzeugung des Tatrichters ein strafbares Verhalten des Täters fest, so kann die Bestimmung des Schuldumfangs im Wege der Schätzung erfolgen (BGHSt 36, 320, 328; 38, 186, 193; 40, 374, 376). Ein solches Verhalten ist stets zulässig, wenn sich Feststellungen auf andere Weise nicht treffen lassen (BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten Betrug 1). Die Schätzung ist dann sogar unumgänglich, wenn – wie bei Zigarettenschmuggel häufig der Fall – über die kriminellen Geschäfte keine Belege oder Aufzeichnungen vorhanden sind (BGHSt 40, 374, 376 f.).
In Fällen dieser Art hat der Tatrichter einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang festzustellen (BGHSt 40, 374, 376). Die Feststellung der Zahl der Einzelakte und die Verteilung des Gesamtschadens auf diese Einzelakte erfolgt sodann nach dem Grundsatz „in dubio pro reo” (BGHSt 40, 374, 377). In Fällen, in denen sich im Rahmen der Schätzung konkrete Kriterien für die Aufteilung des festgestellten Mindestschuldumfangs auf Einzeltaten trotz sorgfältiger Würdigung aller Beweisanzeichen nicht feststellen lassen, gebietet dieser Grundsatz im Extremfall die Annahme lediglich einer Tat (vgl. zur Untreue: BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 31). Ein Freispruch kommt hingegen nicht in Betracht, wenn die Schuld des Täters als solche feststeht.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:
a) Im Rahmen der Beweiswürdigung reicht es nicht aus, wie bisher vom Landgericht vorgenommen, die Belastungsindizien isoliert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen. Einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweise der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatrichters begründen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; vgl. auch BGHSt 20, 333, 341/342). Eine Gesamtschau aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände ist außer für die Frage der Täterschaft auch für die Schätzung der Zahl der Taten und des jeweiligen Tatumfangs notwendig.
b) Steht die Zahl der Taten, soweit erforderlich im Wege der Schätzung, zur Überzeugung des Gerichts fest, hat dieses im Rahmen freier Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO auch die Besteuerungsgrundlagen festzustellen. In Steuerstrafverfahren ist hierbei grundsätzlich auch die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 1; BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 Steuerschätzung 1, 2, 5; Kohlmann, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 52, 157 ff.; Tipke/Kruse AO 16. Aufl. § 162 Rdn. 16). Welche Schätzungsmethode dem vorgegebenen Ziel, der Wirklichkeit, durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen möglichst nahe kommt, hat der Tatrichter selbst zu entscheiden. Er darf hierbei Schätzungen des Finanzamts oder der Steuerfahndungsstellen nach § 162 AO allerdings nur übernehmen, wenn er sie überprüft hat und von ihrer Richtigkeit auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO), insbesondere des Grundsatzes „in dubio pro reo”, überzeugt ist. Die Schätzung muß schon nach steuerrechtlichen Grundsätzen in sich schlüssig sein; ihre Ergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH BStBl. II 1986, 226; 732). Ihre Grundlagen müssen in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar mitgeteilt werden. Im Rahmen der Schätzung muß der Tatrichter bei seiner Überzeugungsbildung vom wirklichen Sachverhalt alle geeigneten Erkenntnisquellen erschließen und alle vorhandenen Beweisanzeichen heranziehen, um sich von den Besteuerungsgrundlagen in Höhe eines bestimmten Mindestbetrages seine Überzeugung zu verschaffen.
Unterschriften
Harms, Häger, Basdorf, Nack, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 540983 |
HFR 2000, 608 |
NStZ 1999, 581 |
wistra 1999, 426 |
StV 2000, 600 |