Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Ehrengerichtshofs für Rechtsanwälte vom 8. Dezember 1992 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die den Rechtsanwälten durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Ehrengericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer Nürnberg hat die Rechtsanwälte von dem Vorwurf, ihre Berufspflichten durch standeswidrige Werbung verletzt zu haben, aus Rechtsgründen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat der Ehrengerichtshof als unbegründet verworfen. Mit der vom Ehrengerichtshof zugelassenen Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Das – vom Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Den Rechtsanwälten wird zur Last gelegt, ihre anwaltlichen Pflichten durch standeswidrige Werbung verletzt zu haben. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen betreiben die vier Rechtsanwälte in Nürnberg gemeinsam eine Rechtsanwaltskanzlei. Zwei der Rechtsanwälte sind zur Führung von Fachanwaltsbezeichnungen berechtigt: Rechtsanwalt M. als „Fachanwalt für Sozialrecht”, Rechtsanwalt Dr. Günther K. als „Fachanwalt für Arbeitsrecht”. Auch die beiden übrigen Rechtsanwälte sind innerhalb der Kanzlei jeweils schwerpunktmäßig für bestimmte Tätigkeitsbereiche zuständig, nämlich Rechtsanwältin T.-W. für Verkehrssachen, Rechtsanwalt Bernd K. für Familiensachen. Aufgrund eines von Rechtsanwalt M. erteilten Auftrages war die Kanzlei und die ihr angehörenden Rechtsanwälte im Branchen-Telefonbuch 72 der Deutschen Bundespost Telekom, Ausgabe 1990/1991 für Nürnberg-Fürth, unter der Rubrik „Rechtsanwälte” eingetragen. Dabei war außer der Anschrift und den Nummern für Telefon, Telefax und Telex folgendes angegeben:
Bei Rechtsanwalt Bernd K. „Tätigkeitsgebiet: Familienrecht”
bei Rechtsanwalt Dr. Günther K. „Fachanwalt für Arbeitsrecht”
bei Rechtsanwältin T.-W. „Tätigkeitsgebiet: Verkehrsrecht”,
bei Rechtsanwalt M. „Fachanwalt für Sozialrecht”.
Bei diesem Sachverhalt liegt nach der Auffassung des Ehrengerichtshofs entgegen der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Rechtsansicht in der Beifügung der Worte „Tätigkeitsgebiet: Familienrecht” bei Rechtsanwalt Bernd K. und „Tätigkeitsgebiet: Verkehrsrecht” bei Rechtsanwältin T.-W. keine gemäß § 43 BRAO verbotene Werbung.
II.
Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das den Rechtsanwälten zur Last gelegte Verhalten verstößt nicht gegen das berufsrechtliche Werbeverbot.
1. Zutreffend ist der Ehrengerichtshof davon ausgegangen, daß dem Rechtsanwalt standeswidrige Werbung verboten ist.
Das Verbot anwaltlicher Werbung findet seine Grundlage in § 43 BRAO. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. BGH, Beschl. v. 7.10.1991 – AnwZ (B) 25/91, NJW 1992, 45; Urt. v. 29.10.1990 – AnwSt (R) 11/90, NJW 1991, 49; Urt. v. 19.02.1990 – AnwSt (R) 11/89, NJW 1990, 1739, jeweils m.w.Nachw.), gehört es zu den Pflichten des Rechtsanwalts, nicht in unzulässiger Weise für seine Praxis zu werben. In seinem Kern läßt sich das Werbeverbot aus den Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung ableiten, die das Berufsbild des Rechtsanwalts festlegen. Er ist gemäß § 1 BRAO ein unabhängiges Organ der Rechtspflege; er übt einen freien Beruf, aber kein Gewerbe aus (§ 2 BRAO). Daraus ergibt sich über das bereits aus § 3 UWG zu entnehmende Verbot der irreführenden Werbung hinaus das Verbot solcher Werbung, die nach Form oder Inhalt das gesetzlich normierte Berufsbild des Rechtsanwalts verfälscht.
Danach sind neben dem Verbot der irreführenden Werbung insbesondere aufdringliche Werbemethoden unzulässig, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich an Gewinn orientierten Verhaltens sind. Dazu gehören das unaufgeforderte direkte Herantreten an potentielle Mandanten (gezielte Werbung) und das sensationelle oder reklamehafte Sich-Herausstellen. Insoweit findet das Werbeverbot in § 43 BRAO eine gesetzliche Grundlage (BVerfG, Beschl. gemäß § 93 b BVerfGG vom 17. Februar 1992 – 1 BvR 899/90 = AnwBl. 1992, 182, BRAK-Mitt. 1992, 61 – unter Bezugnahme auf BVerfGE 76, 196, 205 f.).
2. Mit Recht hat der Ehrengerichtshof angenommen, daß das den betroffenen Rechtsanwälten vorgeworfene Verhalten von dem aus § 43 BRAO verfassungsrechtlich zulässig herleitbaren Werbeverbot nicht umfaßt wird.
Einige Wendungen in dem angefochtenen Urteil geben allerdings Anlaß zu der Klarstellung, daß hier nicht generell über die Zulässigkeit „bloßer Angabe eines Tätigkeitsbereiches” zu entscheiden, sondern allein das den betroffenen Rechtsanwälten vorgeworfene Verhalten unter dem Gesichtspunkt des § 43 BRAO zu beurteilen ist.
Dieses Verhalten, nämlich die – wahrheitsgemäße – Angabe der Tätigkeitsbereiche im Branchen-Telefonbuch unter der Rubrik „Rechtsanwälte” stellt keine gezielte Werbung im Sinne eines unaufgeforderten direkten Herantretens an potentielle Mandanten dar. Ähnlich wie im Falle eines Anwaltssuchservices (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. gem. § 93 b BVerfGG vom 17. Februar 1992 – a.a.O.) knüpft hier der Anwalt von sich aus keine Kontakte zum Zwecke der Mandatserlangung. Die Initiative zur Kontaktaufnahme bleibt vielmehr den Rechtsuchenden überlassen, die im Branchen-Verzeichnis einen für ihr Anliegen geeigneten Rechtsanwalt suchen. Hierbei ist von Bedeutung, daß es sich nur um einen gewöhnlichen Eintrag, nicht um ein ins Auge springendes sensationelles, reklamehaftes Anpreisen handelt. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft, zwischen einem Eintrag in einem Branchen-Telefonbuch und Werbung in „sonstigen Zeitungsanzeigen” bestehe kein Unterschied, vermag der Senat nicht zu teilen.
Schließlich führt die hier fragliche Angabe eines Tätigkeitsschwerpunktes im Branchen-Telefonbuch auch nicht zu irreführender Werbung. Ein Rechtsuchender, der für ein bestimmtes Rechtsproblem einen Rechtsanwalt sucht und bei der Durchsicht der Rubrik Rechtsanwälte im Branchen-Telefonbuch auf die Angabe eines für ihn einschlägigen Tätigkeitsbereiches stößt, kann nicht annehmen, es müsse sich um einen Fachanwalt handeln, der auf dem gesuchten Rechtsgebiet über eine bestimmte und geprüfte Qualifikation verfügt, zumal der Eintrag nach Form und Inhalt nicht den Anschein einer zusätzlichen Berufsbezeichnung wie etwa die Bezeichnung „Strafverteidiger” erweckt (vgl. BGH, Beschl. v. 7.10.1991 – AnwZ (B) 25/91, NJW 1992, 45).
3. Der Hinweis von Revision und Generalbundesanwalt auf eine möglicherweise zu erwartende gesetzliche Neuregelung kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Der Senat hat aufgrund der im Tatzeitraum und jetzt geltenden Regelung zu entscheiden, die allein durch die Generalklausel des § 43 BRAO und deren im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässigen Auslegung gekennzeichnet ist.
Unterschriften
Jähnke, Ulsamer, Kutzer, van Gelder, von Hase, Kieserling, Jordan
Fundstellen
Haufe-Index 1530800 |
NJW 1994, 141 |