Leitsatz (amtlich)
a) Für den rechtsvernichtenden Einwand des nachträglichen Erlöschens des Freistellungsanspruchs gemäß § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB trägt der Befreiungsschuldner die Darlegungs- und Beweislast.
b) Auf tatsächliches Vorbringen des Befreiungsgläubigers zum Wegfall des Anspruchs darf eine Klageabweisung nur dann gestützt werden, wenn der darlegungspflichtige Schuldner es sich zumindest hilfsweise zu eigen gemacht hat.
Normenkette
BGB § 738 Abs. 1 S. 2; ZPO § 138 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf |
LG Krefeld |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. November 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung gegen die Abweisung der Widerklage zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger hat den Beklagten auf Erstattung verauslagter Leasing-Raten in Anspruch genommen.
Die Parteien waren unter anderem mit zwei weiteren Gesellschaftern in der im Februar 1991 gegründeten „C.-GbR” verbunden, die die Gaststätte „P.” in Q. betrieb. Am Gewinn und Verlust dieser Gesellschaft war der Kläger zu 20 %, der Beklagte zu 30 % beteiligt. Im März 1991 gewährte die E. AG der Gesellschaft im Rahmen eines Getränkelieferungsvertrages ein Darlehen über 100.000,– DM. Im Einvernehmen aller Gesellschafter schied der Beklagte mit Wirkung zum 1. August 1991 wieder aus der „C.-GbR” aus. Ob und gegebenenfalls wann diese Gesellschaft in der Folgezeit ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hat oder sogar aufgelöst worden ist, ist zwischen den Parteien streitig. Am 15. August 1992 fanden sich die Parteien wiederum in einer Gesellschaft zusammen, die unter der Bezeichnung „T.-GbR” in denselben Geschäftsräumen, die früher die „C.-GbR” bewirtschaftet hatte, ein Speise- und Getränkelokal betrieb; die Bewirtschaftung des Lokals wurde zum 31. Dezember 1992 eingestellt. Die E. AG, die das der „C.-GbR” gewährte Darlehen bereits im Frühjahr 1992 aufgrund erheblicher Tilgungsrückstände zum 31. August 1992 fällig gestellt hatte, erwirkte gegen die Parteien dieses Rechtsstreits ein Anerkenntnisurteil des Landgerichts H. vom 30. März 1994 über 94.811,16 DM nebst Zinsen sowie einen Kostenfestsetzungsbeschluß über erstattungsfähige außergerichtliche Kosten von 6.861,80 DM; sie betreibt wegen dieser Ansprüche gegen den Beklagten die Zwangsversteigerung in dessen Miteigentumsanteil an einem Hausgrundstück in Q.. Aus jenem Rechtsstreit schuldet der Beklagte außerdem der Landeskasse 441,– DM Gerichtskosten und seinem damaligen Prozeßbevollmächtigten Anwaltsgebühren in Höhe von 3.192,40 DM. Mit der Widerklage begehrt der Beklagte vom Kläger Freistellung von den genannten Verbindlichkeiten im Wege der unmittelbaren Zahlung an die betreffenden Gläubiger, hilfsweise Freistellung in sonstiger Weise; ferner verlangt er die Feststellung der Verpflichtung des Klägers zum Ersatz aller weiteren aus der Nichterfüllung der Freistellungsverbindlichkeit entstandenen und künftig entstehenden Schäden.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten haben die Parteien im Hinblick auf zwischenzeitliche Zahlungen des Klägers an die E. AG in Höhe von 24.000,– DM den Rechtsstreit teilweise in der Hauptsache für erledigt erklärt; im übrigen hat das Oberlandesgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte nur noch sein Widerklagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet und führt hinsichtlich der Widerklage zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, ein durch den Austritt des Beklagten aus der „C.-GbR” etwa entstandener Befreiungsanspruch gemäß § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB hinsichtlich der aus dem Darlehen der E. AG resultierenden Verbindlichkeiten sei im Innenverhältnis zwischen den Parteien dadurch erloschen, daß diese sich im August 1992 zu der „T.-GbR” zusammengeschlossen hätten. Nach dem Vorbringen des Beklagten habe der Kläger die frühere „C.-GbR” nach Ausscheiden auch der beiden anderen Mitgesellschafter als Einzelunternehmen weitergeführt, in das der Beklagte als persönlich haftender Gesellschafter eingetreten sei mit der Rechtsfolge seiner Haftung nach § 28 HGB für Altverbindlichkeiten; dem stehe die Umbenennung des Lokals nicht entgegen. Auch im Innenverhältnis zum Kläger sei der Beklagte zum hälftigen Gesamtschuldnerausgleich verpflichtet, zumal er die Vorteile der Bierlieferung und Darlehensgewährung seitens der E. AG wieder in Anspruch genommen und dadurch den Darlehensvertrag zur eigenen Sache im Sinne einer Tilgungsgemeinschaft mit dem Kläger gemacht habe. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
1. Der Beklagte hatte – wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeht – nach seinem unstreitig einvernehmlichen Ausscheiden aus der „C.-GbR” zum 1. August 1991 gegen den Kläger und die anderen verbliebenen Gesellschafter grundsätzlich einen Anspruch auf Befreiung von der gemeinschaftlichen Darlehensverbindlichkeit gegenüber der E. AG (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. §§ 105 Abs. 2, 138 HGB).
2. Die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts zu einem späteren Erlöschen dieses Freistellungsanspruchs des Beklagten infolge des gemeinsamen Betriebes der „T.-GbR” entbehren hingegen einer verfahrensrechtlich einwandfrei festgestellten Tatsachengrundlage (§ 286 ZPO).
Für den rechtsvernichtenden Einwand des nachträglichen Erlöschens des Freistellungsanspruchs des Beklagten trifft den Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Das hat das Berufungsgericht offenbar bereits im Ansatz übersehen, da es seine Hypothese vom angeblichen Eintritt des Beklagten in ein aus der Weiterführung der Geschäfte der „C.-GbR” entstandenes Einzelunternehmen des Klägers lediglich auf den keineswegs unstreitigen – zudem nur beiläufigen – erstinstanzlichen Vortrag des Beklagten stützt, die früheren Mitgesellschafter El. und P. seien nach Meinung von El. aus der „C.-GbR” ausgeschieden. Dieses Beklagtenvorbringen hätte das Berufungsgericht seiner Entscheidung allenfalls dann zugrunde legen dürfen, wenn der Kläger es sich zumindest hilfsweise zu eigen gemacht hätte (vgl. BGH, Urt. v. 23. Juni 1989 – V ZR 125/88, BGHR ZPO § 138 Abs. 2 – Gleichwertiges Parteivorbringen 1 m.w.N.). Das ist indessen nicht der Fall, weil der Kläger zweitinstanzlich ausdrücklich vorgetragen hat, der Beklagte sei zum 15. August 1992 wieder in die „C.-GbR” eingetreten, die zu keinem Zeitpunkt zuvor aufgelöst worden sei. Fehlt es aber bereits an einem als feststehend zu behandelnden Eintritt des Beklagten in ein bestehendes Einzelunternehmen des Klägers, so ist zugleich der darauf aufbauenden Schlußfolgerung des Berufungsgerichts über eine erneute Tilgungsgemeinschaft der Parteien im Innenverhältnis zueinander hinsichtlich der Altverbindlichkeiten der „C.-GbR” der Boden entzogen.
Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht nicht bedacht, daß der Beklagte in beiden Tatsacheninstanzen – im ersten Rechtszug sogar in Übereinstimmung mit dem Kläger – behauptet hat, die Parteien hätten im August 1992 eine weitere, von der „C.-GbR” zu unterscheidende „T.-GbR” gegründet. Dieser Vortrag über die Neugründung einer zweiten Gesellschaft schloß es ebenfalls aus, einen Wegfall des Befreiungsanspruchs des Beklagten mit dessen Eintritt in ein bestehendes Einzelunternehmen des Klägers zu begründen.
III.
1. Das Berufungsurteil läßt sich nicht mit der Erwägung aufrechterhalten (§ 563 ZPO), der vom darlegungspflichtigen Kläger behauptete Wiedereintritt des Beklagten in die etwa fortbestehende C.-Gesellschaft – sei sie OHG oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts – könne ein Erlöschen seines ursprünglichen Befreiungsanspruchs gegenüber dem Kläger ebenfalls zur Folge haben. Denn diesem – nicht einmal näher konkretisierten – Klägervortrag steht wiederum das Vorbringen des Beklagten über die Neugründung einer weiteren Gesellschaft zwischen den Parteien entgegen.
2. Auch eine teilweise Aufrechterhaltung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Hauptantrags zur Widerklage auf unmittelbare Zahlung an die Drittgläubiger kommt nicht in Betracht. Zwar steht es dem Befreiungsschuldner grundsätzlich frei, auf welche Weise er die Befreiung bewirkt (BGHZ 91, 73, 77). Hier kann jedoch der Beklagte – das Bestehen seines Befreiungsanspruchs unterstellt – die unmittelbare Befriedigung der E. AG und der weiteren Gläubiger aus der gerichtlichen Auseinandersetzung über das Brauereidarlehen verlangen, weil schon der Beklagte vorprozessual vergeblich versucht hat, unter Hinweis auf sein Ausscheiden aus der „C.-GbR” seine Freistellung durch die Gläubiger zu erreichen; es ist nicht davon auszugehen, daß etwa der Kläger die Freistellung anders als durch direkte Zahlung an jene Gläubiger erreichen könnte.
3. Andererseits ist die Sache auch nicht zugunsten des Beklagten entscheidungsreif im Sinne des § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Nachdem der Prozeß hinsichtlich der Widerklage erstinstanzlich mit einer überflüssigen Beweisaufnahme in eine falsche Richtung und zweitinstanzlich vom Berufungsgericht in eine andere, von den Parteien offenbar nicht hinreichend überdachte Richtung gelenkt worden ist, muß diesen nunmehr in einer erneuten Tatsachenverhandlung Gelegenheit gegeben werden, ihren Sachvortrag klarzustellen und zu ergänzen sowie gegebenenfalls (weiteren) Beweis anzutreten. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Die Behauptung des Klägers über den Eintritt des Beklagten in die angeblich fortbestehende alte C.-Gesellschaft läßt sich kaum in Einklang bringen mit seiner Mitteilung vom 24. August 1994 an das Finanzamt, die „C.-GbR” habe nur bis zum 31. Dezember 1991 bestanden, weil nach den rechtsradikalen Demonstrationen in Q. ein weiterer Betrieb nicht mehr möglich gewesen sei (Hülle GA 426). Soweit andererseits der Beklagte in seinem Entwurf einer gemeinsamen Erklärung vom 14. April 1992 dem Kläger eine Fortsetzung der C.-Gesellschaft zu gleichen Teilen vorgeschlagen hat, ist diese Absicht nach dem bisherigen Vortrag des Klägers nicht realisiert worden.
b) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht bislang davon aus, die Räumlichkeiten, in denen die „T.-GbR” betrieben wurde, seien durch die „C.-GbR” angemietet worden. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Beklagten hat dieser den Mietvertrag im eigenen Namen mit der Stadt Q. abgeschlossen und ihn später als Einlage in die „T.-GbR” eingebracht. Auf welcher Grundlage das von der „C.-GbR” angeschaffte Inventar durch die „T.-GbR” genutzt worden ist, bleibt allerdings noch aufzuklären.
c) Sollte es für die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien in der „T.-GbR” erneut auf eine Interessenwertung ankommen, wird das Oberlandesgericht zu bedenken haben, daß für seine bisherige Annahme, der Beklagte habe sich den Darlehensvertrag mit der E. AG im Innenverhältnis zum Kläger (wiederum) zur eigenen Sache gemacht, bislang tragfähige Indizien fehlen. Nach dem Vorbringen des Beklagten hat die „T.-GbR” ihr Bier nicht von der E. AG, sondern von der G. H. GmbH bezogen und auch keine Altschulden der früheren „C.-GbR” beglichen. Ein vernünftiges Interesse des Beklagten an einem Verzicht auf seine Haftungsbefreiung ist jedenfalls derzeit nicht ersichtlich, zumal er die desolate finanzielle Situation sowohl der „C.-GbR” als auch ihrer Gesellschafter kannte und selbst ebenfalls weitgehend mittellos war.
IV.
Im übrigen hat der Senat von der Zurückverweisungsmöglichkeit nach § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Unterschriften
Röhricht, Henze, Goette, Kurzwelly, Münke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.02.2000 durch Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2000, 735 |
DB 2000, 2013 |
DStR 2000, 647 |
NJW 2000, 1641 |
BGHR |
EWiR 2001, 267 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 670 |
ZAP 2000, 523 |
ZIP 2000, 716 |