Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung bei Sozietätsveräußerung aufgrund Versorgungsregelung in Sozietätsvertrag zwischen Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten
Leitsatz (amtlich)
Wird eine in einem Sozietätsvertrag zu Gunsten altersbedingt ausscheidender Partner vorgesehene, an den Jahresgewinn der aktiven Sozietät anknüpfende Versorgungsregelung undurchführbar, weil die aktiven Partner die Praxis veräußert haben, kann im Rahmen der erforderlichen beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung den in der Vergangenheit ausgeschiedenen Partnern u. U. ein Anspruch auf Abfindung nach dem Wert ihrer Beteiligung zum Zeitpunkt des Ausscheidens zuzuerkennen sein.
Normenkette
StBerG § 56; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 05.09.2001; Aktenzeichen 9 U 98/01) |
LG Hannover (Urteil vom 12.01.2001; Aktenzeichen 1 O 945/99) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Celle v. 5.9.2001 aufgehoben, soweit sein Hauptantrag auf Zahlung einer monatlichen Altersversorgung ab 1.1.1999 und der Feststellungsantrag zu Gunsten seiner Ehefrau abgewiesen worden sind.
2. Auf die Anschlussrevision der Beklagten wird das Urteil weiter aufgehoben, soweit sie auf den Hilfsantrag zur Zahlung einer kapitalisierten Rente für die Zeit ab 1.1.1999 von mehr als 1.402.813 DM verurteilt worden sind.
Im Übrigen wird die Anschlussrevision (hinsichtlich des Jahres 1998) als unzulässig verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
4. Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird bis zum 20.10.2003 auf 1.066.769,68 EUR, danach auf 961.228,43 EUR und ab dem 20.11.2003 auf 1.308.030,79 EUR festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger und die Beklagten zu 1) bis 7) waren in einer Sozietät von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten verbunden. Der Sozietätsvertrag der Parteien v. 14.12.1990 sieht vor, dass ein Partner mit Vollendung des 65. Lebensjahres aus der Sozietät ausscheidet. In dem Vertrag ist die Gewährung einer Altersversorgung für ehemalige Partner und ihre Hinterbliebenen geregelt, deren Höhe sich nach der Dauer der Sozietätszugehörigkeit und dem im jeweiligen Kalenderjahr von den aktiven Partnern erwirtschafteten Gewinn bemisst.
Mit Erreichen des 65. Lebensjahrs trat der Kläger nach 28 Jahren tätiger Mitarbeit am 1.9.1995 aus der von den Beklagten fortgeführten Sozietät aus. Während der Folgejahre wurde dem Kläger zunächst die vertraglich ausbedungene Altersversorgung gewährt. Im Dezember 1998 veräußerten die Beklagten die Praxis zum Preis von 46.000.000 DM an eine weltweit operierende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Nachdem der Kläger im Jahr 1998 auf seine Versorgungsansprüche Abschlagszahlungen über 180.000 DM erhalten hatte, entrichteten die Beklagten an ihn im Zeitraum von Januar bis März 1999 einen Gesamtbetrag i. H. v. 60.000 DM. Ab dem 1.4.1999 stellten sie die Zahlungen ein.
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger für das Jahr 1998 Zahlung weiterer Versorgungsbezüge i. H. v. 329.980,60 DM. Daneben beansprucht er ab Januar 1999 - abzgl. der bereits gezahlten Vergütung von 60.000,00 DM - Zahlung einer monatlichen Altersversorgung i. H. v. 25.000 DM. Schließlich begehrt er die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, nach seinem Tode seiner Ehefrau eine monatliche Altersversorgung von 15.000 DM zu zahlen.
Das LG hat dem Kläger - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - für das Jahr 1998 zusätzliche Versorgungsbezüge i. H. v. 184.271,86 DM zugesprochen und die weiter gehende Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger seine erstinstanzlich abgewiesenen Anträge weiterverfolgt. Auf Anregung des Berufungsgerichts hat er in der mündlichen Verhandlung den Hilfsantrag gestellt, ihm auf der Grundlage eines monatlichen Rentenbetrages von 25.000 DM eine kapitalisierte Rente zu zahlen. Das Berufungsgericht hat die dem Kläger für das Jahr 1998 noch zustehenden Versorgungsbezüge im Rahmen der von den Beklagten eingelegten Anschlussberufung auf 123.559,86 DM gekürzt. Für den Zeitraum ab Januar 1999 hat das Berufungsgericht die monatliche Altersversorgung des Klägers unter Berücksichtigung seiner voraussichtlichen Lebenserwartung kapitalisiert und ihm auf den Hilfsantrag einen Anspruch i. H. v. 2.036.431,60 DM (2.096.431,60 DM abzgl. im Jahre 1999 gezahlter 60.000 DM) zuerkannt. Der Kläger begehrt mit seiner Revision für das Jahr 1998 Zahlung weiterer Versorgungsbezüge i. H. v. 206.420,74 DM (329.980,60 DM abzgl. 123.559,86 DM) sowie ab Januar 1999 an Stelle der Kapitalabfindung die in den Vorinstanzen geltend gemachte monatliche Altersversorgung. Der Senat hat die Revision des Klägers, soweit er für das Jahr 1998 Versorgungsbezüge in Höhe weiterer 206.420,74 DM beansprucht, nicht angenommen. Die Beklagten erstreben mit ihrer nach dem Teilannahmebeschluss eingelegten Anschlussrevision eine Reduzierung des dem Kläger auf seinen Hilfsantrag von dem Berufungsgericht zuerkannten Klagebetrages auf 1.402.813 DM sowie zum Hauptantrag die Reduzierung der Verurteilungssumme auf 78.892 DM zzgl. Zinsen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsmittel führen nach Maßgabe der Urteilsformel teilweise zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht; die Anschlussrevision ist bezüglich der Versorgungsbezüge für 1998 unzulässig.
I. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision des Klägers nicht stand, soweit es den von ihm verfolgten Hauptanspruch abgewiesen hat. Bei der Auslegung des Sozietätsvertrages der Parteien hat das Berufungsgericht den Streitstoff nicht ausgeschöpft und gegen den Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. BGH v. 28.10.1997 - XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69 [72] = MDR 1998, 232; Urt. v. 3.4.2000 - II ZR 194/98, NJW 2000, 2099; Urt. v. 26.1.1998 - II ZR 243/96, GmbHR 1998, 375 = NJW 1998, 1481) verstoßen.
1. Im Ansatz noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Sozietätsvertrag, aus dem der Kläger seine Ansprüche herleitet, lückenhaft ist. Denn er geht als selbstverständlich von dem Fall aus, dass die Gesellschaft von den aktiven Sozien weiter betrieben wird, regelt aber nicht die hier eingetretene Gestaltung, dass die Praxis von ihnen zulässigerweise veräußert wird. Für den Veräußerungsfall wird die im Vertrag vorgesehene Versorgungsbestimmung undurchführbar, ohne dass dafür eine Auffangregelung getroffen wäre.
Die Parteien haben eine Partnerversorgung vereinbart, deren Höhe sich am jährlichen Bilanzgewinn der Sozietät als Bemessungsgrundlage orientiert. Mithin hängt die Partnerversorgung nach der Intention des Sozietätsvertrages von einer Fortsetzung der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft ab. Gleichwohl ist nach dem Inhalt des Sozietätsvertrages, wie die in § 14 getroffene Regelung über eine Beendigung der Sozietät im Einvernehmen aller Partner verdeutlicht, eine Veräußerung der Praxis an einen Dritten entgegen der Auffassung der Revision nicht ausgeschlossen. War die Partnerversorgung an den Bestand der Sozietät geknüpft, den aktiven Partnern gleichwohl die Veräußerung der Praxis an einen Dritten nicht verwehrt, so liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, weil die Parteien bei Vertragsschluss die Möglichkeit eines künftigen Praxisverkaufs nicht bedacht und in ihrem Vertrag deshalb auch keine die dann entfallende Partnerversorgung ersetzende Regelung getroffen haben.
2. Die damit vorhandene planwidrige Lücke ist auf dem Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen. Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH v. 29.4.1982 - III ZR 154/80, BGHZ 84, 1 [7] = MDR 1982, 732; Urt. v. 21.9.1994 - XII ZR 77/93, MDR 1994, 1211 = NJW 1994, 3287). Dabei kommt zum Verständnis dessen, was Treu und Glauben entspricht, den Wertungen, die in den gesetzlichen Vorschriften Ausdruck gefunden haben, entscheidende Bedeutung zu.
Im gegebenen Fall hätten die Parteien, wenn sie die Möglichkeit einer Praxisveräußerung bedacht hätten, bei redlichem Verhalten Sorge getragen, dass altersbedingt ausgeschiedenen Sozien ein angemessener Ausgleich für den durch die Praxisveräußerung bedingten Verlust ihrer Altersversorgung gewährt wird. Grundlage der danach zu treffenden - die Interessen beider Parteien gleichermaßen beachtenden - ergänzenden Regelung hat neben den getroffenen Vertragsbestimmungen das gesetzliche Modell der Behandlung eines aus einer Sozietät von Freiberuflern ausscheidenden Partners zu sein.
Aus einer Sozietät ausscheidenden Partnern steht nach der gesetzlichen Regelung (§ 738 BGB) eine nach dem Wert ihrer Beteiligung zu bemessende Abfindung zu. Anstelle einer Abfindung haben die Parteien zu Gunsten der in den Ruhestand tretenden Partner eine Altersversorgung in Gestalt einer Rentenzahlung vereinbart. Durch die Gewährung einer Rente, deren Höhe sich nach dem von den aktiven Partnern erwirtschafteten Gewinn und der Dauer der Sozietätszugehörigkeit des rentenberechtigten ehemaligen Partners bestimmt, sollte sichergestellt werden, dass die in der Sozietät aktiven Partner nicht durch die Zahlung unerträglich hoher Abfindungsbeträge belastet werden. Auf der anderen Seite partizipierten ausscheidende, nicht mit dem Wert ihrer Beteiligung abgefundene Partner im Rahmen ihrer Altersversorgung an dem von ihnen mitgeschaffenen Praxiswert. Beide Gesichtspunkte sind nach der Veräußerung der Sozietät entfallen: Die Beklagten als zunächst die Sozietät fortführende Partner sind nach Veräußerung der Praxis auf Grund des von ihnen erzielten Verkaufspreises von 46 Mio. DM zur Zahlung einer Abfindung ohne weiteres in der Lage. Den vor der Veräußerung aus Altersgründen ausgeschiedenen Partnern kommt als Äquivalent einer Abfindung eine aus den Erträgen der Sozietät erwirtschaftete Altersversorgung nicht mehr zugute. Es wäre nicht interessengerecht, wenn sich die Beklagten den auch von diesen früheren Partnern mitgeschaffenen Wert der Sozietät unter Ersparnis der ihnen versprochenen Altersversorgung allein zu Eigen machen dürften. Vor diesem Hintergrund könnte es sich als angemessener Ausgleich anbieten, den Kläger - dem gesetzlichen Regelungsmodell (§ 738 BGB) entsprechend - nach dem Wert seiner Beteiligung (vgl. BGH v. 16.12.1991 - II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 [370] = GmbHR 1992, 257 = MDR 1992, 355) im Zeitpunkt seines Ausscheidens - u. U., wofür gegenwärtig allerdings keine Anhaltspunkte bestehen, in monatlichen Raten - abzufinden. Dieser Weg ist der Zahlung fiktiver Versorgungsbezüge ebenso wie ihrer Kapitalisierung vorzuziehen, weil nach Aufgabe der Geschäftstätigkeit eine tragfähige Berechnungsgrundlage zur Ermittlung der Altersversorgung nicht mehr vorhanden ist. Der Abfindungsbetrag wäre, nachdem diese Zahlung an die Stelle der Altersversorgung getreten ist, selbstverständlich um die dem Kläger zwischenzeitlich gezahlten Versorgungsbezüge zu mindern.
3. Das Berufungsgericht hat nach Zurückverweisung der Sache zunächst über den von dem Kläger verfolgten Hauptantrag zu befinden. Falls das Berufungsgericht den Hauptantrag als begründet erachtet, hat es in dem Urteil, das diesem Antrag stattgibt, zugleich die frühere Entscheidung über den Hilfsantrag aufzuheben (BGH v. 14.12.1988 - IVa ZR 209/87, BGHZ 106, 219 ff. = MDR 1989, 432).
II. Die unselbstständige Anschlussrevision der Beklagten ist teilweise unzulässig, im Übrigen aber begründet.
1. Unzulässig ist die unselbstständige Anschlussrevision, soweit damit eine Reduzierung der dem Kläger für das Jahr 1998 zustehenden Altersversorgung auf 78.892 DM begehrt wird. Die Anschlussrevision ist erst eingelegt worden, nachdem der Senat die Annahme der Revision bezüglich dieses selbstständigen Streitgegenstandes abgelehnt hat. Mit der unselbstständigen Anschlussrevision kann aber nur ein Antrag innerhalb der Hauptrevision gestellt werden (BGH, Urt. v. 19.10.1995 - IX ZR 82/94, MDR 1996, 356 = NJW 1996, 321 f.).
2. Zulässig und begründet ist die unselbstständige Anschlussrevision hingegen, soweit die Beklagten auf den Hilfsantrag zur Zahlung einer kapitalisierten Rente von mehr als 1.402.813 DM verurteilt worden sind. Denn es kann auf der Grundlage des zu Gunsten der Beklagten als revisionsrechtlich richtig zu unterstellenden Sachverhalts gegenwärtig nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der im Rahmen der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung anzustellenden Berechnung zu geringeren Wertansätzen als in dem angefochtenen Urteil gelangt.
Fundstellen
Haufe-Index 1167213 |
BFH/NV Beilage 2004, 390 |
BB 2004, 1469 |
DB 2004, 1549 |
DStR 2004, 1303 |
DStZ 2004, 504 |
WPg 2004, 757 |
NJW 2004, 2449 |
Inf 2004, 532 |
NWB 2004, 2558 |
BGHR 2004, 1228 |
NZG 2004, 713 |
WM 2004, 1286 |
ZAP 2004, 979 |
ZIP 2004, 1264 |
AnwBl 2004, 656 |
DNotZ 2004, 793 |
MDR 2004, 1147 |
VersR 2005, 814 |
NJW-Spezial 2004, 191 |
BBV 2004, 39 |
BFH/NV-Beilage 2004, 390 |
BRAK-Mitt. 2004, 183 |
Mitt. 2004, 383 |
SJ 2004, 51 |
UM 2004, 284 |