Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungsanspruch eines Steuerberaters beim Ausscheiden aus einer Sozietät mit Rechtsanwälten
Leitsatz (amtlich)
Ist der aus einer Personengesellschaft ausgeschiedene Gesellschafter imstande, die Höhe seines Abfindungsanspruchs schlüssig zu begründen, so kann er nach dem Verstreichen der vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkte im Regelfall auf Leistung klagen und im Rahmen dieser Zahlungsklage den Streit darüber austragen, ob und in welcher Höhe bestimmte Aktiv- oder Passivposten bei der Berechnung des Abfindungsguthabens zu berücksichtigen sind (Bestätigung von BGH, Urt. v. 13.7.1987 - II ZR 274/86, ZIP 1987, 1314).
Leitsatz (redaktionell)
1. Sieht der Gesellschaftsvertrag einer Sozietät von Freiberuflern einen am Praxiswert ausgerichteten Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters vor, ohne eine Regelung über die Mitnahme von Mandaten zu treffen, so führt eine ergänzende Vertragsauslegung in der Regel zu dem Ergebnis, dass sich der Ausscheidende den Wert mitgenommener Mandate anspruchsmindernd anrechnen lassen muss. Die Anrechnung mitgenommener Mandate hängt nicht davon ab, ob die verbleibenden Gesellschafter ausdrücklich ihr Einverständnis erklären oder lediglich davon absehen, gegen die Mitnahme der Mandate rechtlich vorzugehen. Entscheidend ist allein, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats liegt in einer Teilung der Sachwerte und der rechtlich nicht begrenzten Möglichkeit, um die bisherigen Mandanten zu werben, die sachlich nahe liegende und angemessene Art der Auseinandersetzung einer Sozietät unter Freiberuflern, wobei eine weitergehende Abfindung grundsätzlich nicht beansprucht werden kann. Vereinbaren die Gesellschafter jedoch eine andere Art der Auseinandersetzung, die eine Abfindung des Ausscheidenden in Höhe des anteiligen Ertragswerts der Sozietät vorsieht, liegt dem typischerweise die Vorstellung zugrunde, dass die Mandanten der Gesellschaft (im Wesentlichen) erhalten bleiben und nicht von dem Ausscheidenden mitgenommen werden sollen. Hiervon ausgehend liegt es fern, dem Ausscheidenden neben den tatsächlich weitergeführten Mandaten auch diejenigen anzurechnen, die er hätte weiterführen können. Eine räumliche Entfernung mehrerer Kanzleistandorte, die eine Übernahme von Steuerberatungsmandaten durch die verbleibenden Sozien beeinträchtigt hätte, steht dem aufgrund personeller und organisatorischer Möglichkeiten nicht entgegen.
Normenkette
BGB § 738 Abs. 1 S. 2; StBerG § 56
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Brandenburg vom 25.11.2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Steuerberater, die Beklagten sind Rechtsanwälte. Die Parteien schlossen sich mit Vertrag vom 3.3.2000 zu einer überörtlichen Sozietät mit Kanzleistandorten in S. und C. zusammen. Der Sozietätsvertrag enthält folgende Regelungen:
§ 18 Dauer des Vertrages, Kündigung ... (7) Ausgeschiedene Vertragspartner haben einen Abfindungsanspruch in Höhe ihres Anteils am tatsächlichen Kanzleiwert zum Zeitpunkt des Ausscheidens. Die Abfindung ist in 5 gleichen Jahresraten zu zahlen, fällig jeweils am 01.01. des auf das Ausscheiden folgenden Kalenderjahres. (8) Der Kanzleiwert bemisst sich nach dem Umsatz des letzten vor der Kündigung endenden Kalenderjahres. ...
Rz. 2
Zum 17.5.2003 schied der Kläger aus der Sozietät aus. Er hat einen Abfindungsanspruch i.H.v. 126.274 EUR errechnet und mit seiner am 3.12.2004 erhobenen Klage zunächst die erste Rate i.H.v. 25.254 EUR geltend gemacht. Im weiteren Verlauf hat der Kläger den Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrages von 1.844,48 EUR einseitig für erledigt erklärt und seinen Zahlungsanspruch hilfsweise auf die weiteren Abfindungsraten gestützt.
Rz. 3
Die Parteien haben über die Berechnung des Abfindungsanspruchs und seine Durchsetzbarkeit gestritten. Hilfsweise haben die Beklagten die Aufrechnung mit mehreren Gegenforderungen erklärt.
Rz. 4
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 23.409,52 EUR nebst Zinsen verurteilt. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision hat im Umfang der Anfechtung Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 6
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 7
Der Kläger habe gegen die Beklagten nach § 18 Abs. 7 und 8 des Sozietätsvertrages einen Abfindungsanspruch jedenfalls in Höhe des geltend gemachten Betrages. Der für die Anspruchsberechnung maßgebende tatsächliche Kanzleiwert richte sich ausschließlich nach dem Umsatz der Sozietät im letzten Kalenderjahr vor der Kündigung. Von dem auf den Kläger entfallenden Anteil seien aufgrund ergänzender Auslegung des Sozietätsvertrages die Nettoumsätze der vom Kläger weitergeführten Steuerberatungsmandate in Abzug zu bringen. Die Aufrechnungserklärungen der Beklagten führten wegen fehlender Gegenseitigkeit nicht zum Erlöschen der Klageforderung; die Gegenforderungen stünden der Sozietät zu, während sich der Abfindungsanspruch des aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Ausgeschiedenen nicht gegen die Gesellschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, sondern gegen die übrigen Gesellschafter richte. Jedenfalls habe der Kläger die Beklagten im Streitfall nicht in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit in Anspruch genommen. Schließlich stehe der Geltendmachung des Abfindungsanspruchs keine Auseinandersetzungsbefangenheit entgegen.
Rz. 8
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand.
Rz. 9
1. Zutreffend und von den Parteien unbeanstandet ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass sich die Parteien zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen hatten, die gemäß dem Gesellschaftsvertrag nach dem Ausscheiden des Klägers unter den Beklagten fortbestand. Im Ergebnis zutreffend ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, Schuldner des Abfindungsanspruchs des Klägers seien (auch) die verbleibenden Gesellschafter.
Rz. 10
a) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass sich die Klage nach dem Klageantrag und der zu seiner Auslegung heran zu ziehenden Klagebegründung gegen die Beklagten als Gesellschafter und nicht gegen die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebene Sozietät richtet. Dieser Würdigung steht, anders als die Revision meint, die in der Klageschrift gewählte Bezeichnung der Beklagten als "Rechtsanwälte Dr. Ü. und M." nicht entgegen.
Rz. 11
b) Schuldnerin eines Abfindungsanspruchs nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB ist allerdings in erster Linie die Gesellschaft (Staudinger/Habermeier, BGB, Neubearbeitung 2003, § 738 Rz. 12; Ulmer in MünchKomm/BGB/Schäfer, 5. Aufl., § 738 Rz. 16; Erman/H.P. Westermann, BGB, 12. Aufl., § 738 Rz. 4; Kilian in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, BGB § 738 Rz. 12; Andreas Bergmann in jurisPK-BGB, 5. Aufl., § 738 Rz. 14). Insoweit gilt bei einer Außengesellschaft bürgerlichen Rechts, die Rechtsfähigkeit besitzt (BGH, Urt. v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341), nichts anderes als bei einer offenen Handelsgesellschaft (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 15.5.1972 - II ZR 144/69, WM 1972, 1399, 1400).
Rz. 12
Der Abfindungsanspruch des Klägers richtet sich aber zugleich gegen die in der Sozietät verbliebenen Beklagten. Denn zu den Verbindlichkeiten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, für die die Gesellschafter analog § 128 HGB einzustehen haben (BGH, Urt. v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 358), zählt auch der Abfindungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters (BGH, Urt. v. 2.7.2001 - II ZR 304/00, BGHZ 148, 201, 206 f.; s.a. Urt. v. 11.10.1971 - II ZR 68/68, WM 1971, 1451, 1452).
Rz. 13
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem Zahlungsanspruch des Klägers könne ohne Befassung mit den gegen ihn gerichteten Gegenansprüchen entsprochen werden, ist jedoch rechtsfehlerhaft.
Rz. 14
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats führt die Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ebenso wie das Ausscheiden eines Gesellschafters grundsätzlich dazu, dass ein Gesellschafter die ihm gegen die Gesellschaft und die Mitgesellschafter zustehenden Ansprüche nicht mehr selbständig im Wege der Leistungsklage durchsetzen kann (Durchsetzungssperre). Diese sind vielmehr als unselbständige Rechnungsposten in die Schlussrechnung aufzunehmen, deren Saldo ergibt, wer von wem noch etwas zu fordern hat (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2005 - II ZR 194/03, ZIP 2005, 1068, 1070; Urt. v. 3.4.2006 - II ZR 40/05, ZIP 2006, 994 Rz. 17; Urt. v. 7.4.2008 - II ZR 181/04, ZIP 2008, 1276 Rz. 30, jeweils m.w.N.). Die Erstellung einer solchen Auseinandersetzungsrechnung, in die auch die Ansprüche der Gesellschaft gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter einzubeziehen sind (vgl. MünchKomm/Ulmer/Schäfer, BGB, 5. Aufl., § 738 Rz. 26; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 131 Rz. 99), hat das Berufungsgericht im Streitfall nicht festgestellt.
Rz. 15
b) Einzelansprüche können allerdings abweichend von dem Grundsatz der Durchsetzungssperre dann gesondert verfolgt werden, wenn sich aus dem Sinn und Zweck der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen ergibt, dass sie im Falle der Auflösung der Gesellschaft oder des Ausscheidens eines Gesellschafters ihre Selbständigkeit behalten sollen (vgl. BGH, Urt. v. 2.10.1997 - II ZR 249/96, ZIP 1997, 2120, 2121). Diese Voraussetzung ist hier aber nicht erfüllt.
Rz. 16
Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, der Geltendmachung des Abfindungsanspruchs des Klägers stehe keine "Auseinandersetzungsbefangenheit" entgegen, zwar damit begründet, der Abfindungsanspruch des Klägers nach § 18 Abs. 7 und 8 des Sozietätsvertrages werde allein durch die Höhe seines Anteils am tatsächlichen Kanzleiwert bestimmt, der sich ausschließlich nach dem letzten Jahresumsatz der Sozietät richte und der Höhe nach feststehe. Daher sei eine Berücksichtigung der beiderseitigen Forderungen aus dem Gesellschaftsverhältnis oder aus Drittverhältnissen im Rahmen einer über die Ermittlung des Wertes des Gesellschaftsanteils hinausgehenden Abschlussrechnung nicht geboten.
Rz. 17
Falls das Berufungsgericht damit gemeint haben sollte, weitere auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhende Ansprüche seien im Rahmen der Auseinandersetzung nicht zu berücksichtigen oder der nach § 18 Abs. 7 und 8 des Sozietätsvertrages zu berechnende Abfindungsanspruch sei unabhängig von einer solchen Auseinandersetzungsrechnung selbständig durchsetzbar, kann dem indes nicht gefolgt werden. Der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters richtet sich grundsätzlich auf das sich aus einer Abfindungsrechnung ergebende Auseinandersetzungsguthaben. Das Auseinandersetzungsguthaben berechnet sich zwar auf der Basis des anteiligen Unternehmenswerts. Es sind aber, sofern vorhanden, auch sonstige, nicht unternehmenswertbezogene gegenseitige Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis als Rechnungsposten einzustellen (vgl. Ulmer in MünchKomm/BGB/Schäfer, 5. Aufl., § 738 Rz. 37 m.w.N.; s.a. BGH, Urt. v. 9.5.1974 - II ZR 84/72, WM 1974, 834, 835; Urt. v. 9.12.1991 - II ZR 87/91, ZIP 1992, 245, 246; Urt. v. 12.7.1999 - II ZR 4/98, ZIP 1999, 1526, 1527; Urt. v. 7.3.2005 - II ZR 194/03, ZIP 2005, 1068, 1070). Treffen die Gesellschafter - wie hier - im Gesellschaftsvertrag bestimmte Regelungen darüber, wie der Wert des Gesellschaftsanteils im Hinblick auf die Berechnung des Abfindungsanspruchs ermittelt werden soll, kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht angenommen werden, damit solle auf die Berücksichtigung sonstiger an sich in eine Abfindungsrechnung einzustellender gegenseitiger Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis verzichtet werden.
Rz. 18
Der vom Berufungsgericht nicht ausdrücklich erwähnte Umstand, dass der Sozietätsvertrag die Fälligkeit der Abfindungsraten zu bestimmten Zeitpunkten vorsieht, führt entgegen der Annahme der Revisionserwiderung gleichfalls nicht zu der Auslegung, der Abfindungsanspruch, der mit dem Ausscheiden des Gesellschafters entsteht (BGH, Urt. v. 8.1.1990 - II ZR 115/89, ZIP 1990, 305, 306; Urt. v. 14.7.1997 - II ZR 122/96, ZIP 1997, 1589, 1590; Urt. v. 19.7.2010 - II ZR 57/09, ZIP 2010, 1637 Rz. 8), sei von der Durchsetzungssperre ausgenommen. Die vertragliche Vereinbarung bestimmter Fälligkeitszeitpunkte hat nach der Rechtsprechung des Senats lediglich zur Folge, dass der ausgeschiedene Gesellschafter, der die Höhe seines Anspruchs schlüssig begründen kann, im Regelfall nach dem Verstreichen der vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkte auf Leistung klagen kann und im Rahmen dieser Zahlungsklage der Streit darüber auszutragen ist, ob und in welcher Höhe bestimmte Aktiv- oder Passivposten bei der Berechnung des Abfindungsguthabens zu berücksichtigen sind (BGH, Urt. v. 13.7.1987 - II ZR 274/86, ZIP 1987, 1314, 1315). Auch danach hätte sich das Berufungsgericht jedoch mit den von den Beklagten vorgetragenen Passivposten sachlich befassen müssen; die vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkte waren verstrichen.
Rz. 19
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), das unter Berücksichtigung der von den Beklagten geltend gemachten Gegenansprüche zu ermitteln hat, ob und ggf. in welcher Höhe dem Kläger ein Abfindungsanspruch zusteht.
Rz. 20
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 21
Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger müsse sich auf seinen Abfindungsanspruch (lediglich) diejenigen Steuerberatungsmandate anrechnen lassen, die er tatsächlich weitergeführt habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 22
Sieht der Gesellschaftsvertrag einer Sozietät von Freiberuflern einen am Praxiswert ausgerichteten Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters vor, ohne eine Regelung über die Mitnahme von Mandaten zu treffen, so führt eine ergänzende Vertragsauslegung in der Regel zu dem Ergebnis, dass sich der Ausscheidende den Wert mitgenommener Mandate mindernd anrechnen lassen muss (vgl. BGH, Urt. v. 6.3.1995 - II ZR 97/94, ZIP 1995, 833, 834). Die Rüge der Revisionserwiderung, für die vom Berufungsgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung sei hier kein Raum, weil die Beklagten mit der Weiterführung der Mandate durch den Kläger nicht einverstanden gewesen seien, greift nicht durch. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatten sich die in der Sozietät verbliebenen Gesellschafter zwar mit der Mitnahme der Mandate durch den Ausscheidenden einverstanden erklärt. Ein solches vorab erteiltes Einverständnis ist aber keine notwendige Voraussetzung für die hier vom Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung der Umstände des Einzelfalls vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung. Die Anrechnung mitgenommener Mandate muss nicht davon abhängen, ob die verbleibenden Gesellschafter ausdrücklich ihr Einverständnis erklären oder lediglich davon absehen, gegen die Mitnahme der Mandate rechtlich vorzugehen. Vielmehr ist allein darauf abzustellen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten.
Rz. 23
Andererseits lässt es keinen Rechtsfehler erkennen, dass das Berufungsgericht die Anrechnung auf die tatsächlich weitergeführten Mandate beschränkt hat und damit nicht der Auffassung der Beklagten gefolgt ist, es seien alle Steuerberatungsmandate anzurechnen, weil nur der Kläger die Chance gehabt habe, diese Mandate weiterzuführen.
Rz. 24
Allerdings liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in einer Teilung der Sachwerte und der rechtlich nicht begrenzten Möglichkeit, um die bisherigen Mandanten zu werben, die sachlich nahe liegende und angemessene Art der Auseinandersetzung einer Sozietät unter Freiberuflern (vgl. nur BGH, Beschl. v. 31.5.2010 - II ZR 29/09, ZIP 2010, 1594 Rz. 2 m.w.N.). Wenn so verfahren wird, kann eine weitergehende Abfindung grundsätzlich nicht beansprucht werden. Im Streitfall haben die Gesellschafter jedoch eine andere Art der Auseinandersetzung vereinbart, die eine Abfindung des Ausscheidenden in Höhe des anteiligen Ertragswerts der Sozietät vorsieht. Einer solchen Regelung liegt typischerweise die Vorstellung zugrunde, dass die Mandanten der Gesellschaft (im Wesentlichen) erhalten bleiben und nicht von dem Ausscheidenden mitgenommen werden sollen. Hiervon ausgehend liegt es fern, dem Ausscheidenden neben den tatsächlich weitergeführten Mandaten auch diejenigen anzurechnen, die er hätte weiterführen können. Der Umstand, dass die Beklagten als Rechtsanwälte und wegen der räumlichen Entfernung der beiden Kanzleistandorte die Steuerberatungsmandate nicht ohne Weiteres übernehmen konnten, steht dem nicht entgegen. Denn es bestand grundsätzlich die Möglichkeit, die Sozietät auf eine Weiterführung der Steuerberatungsmandate personell und organisatorisch einzurichten.
Fundstellen
Haufe-Index 2721930 |
BFH/NV 2011, 1998 |
BB 2011, 1729 |
BB 2011, 1939 |
DB 2011, 1631 |
DB 2011, 8 |
DStR 2011, 1382 |
NJW 2011, 2355 |
NJW 2011, 6 |
NWB 2011, 2528 |
EBE/BGH 2011 |
NZG 2011, 858 |
StuB 2011, 687 |
WM 2011, 1372 |
WuB 2012, 217 |
ZAP 2011, 1189 |
ZIP 2011, 1359 |
DZWir 2011, 421 |
MDR 2011, 927 |
GWR 2011, 357 |
NJW-Spezial 2011, 465 |
NWB direkt 2011, 816 |
StBW 2011, 759 |
ZBB 2011, 293 |
BRAK-Mitt. 2011, 252 |