Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwärtsversicherung und Unterschlagung eines sicherungsübereigneten Pkw`s als Berufspflichtverletzungen eines Steuerberaters

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gegen die sich aus der Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren müssen Steuerberater angemessen versichert sein. Eine Rückwärtsversicherung durch Zahlung einer sog Einmal-Prämie mindert zwar den Schuldumfang, beseitigt aber nicht einen Verstoß gegen § 67 StBerG. Durch Nachversicherung liegt eine angemessene Versicherung schon deshalb nicht vor, weil dadurch nur ein Teil der möglichen Haftpflichtfälle erfaßt wird.

2. Ein Steuerberater der einen sicherungsübereigneten Pkw unterschlägt und dessen Diebstahl vortäuscht, verletzt Berufspflichten, denn es ist ein innerberufliches Fehlverhalten anzunehmen, wenn die Kredite deren Sicherung die Verwertung des Pkw's diente, zum Betrieb der Steuerberater-Praxis aufgenommen worden waren und der Wagen auch beruflich genutzt wurde.

 

Normenkette

StBerG §§ 67, 89 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 14.01.1988; Aktenzeichen StO 4/87)

LG Hannover (Entscheidung vom 31.08.1987; Aktenzeichen 44 StL 38/86)

 

Tenor

Die Revision des Steuerberaters gegen das Urteil des Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 14. Januar 1988 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Steuerberater ist vom Landgericht wegen Berufspflichtverletzungen aus dem Beruf ausgeschlossen worden. Seine Berufung hat das Oberlandesgericht verworfen. Es hat unter anderem festgestellt:

I. Der jetzt 40 Jahre alte Beschwerdeführer ist am 30. März 1981 zum Steuerberater bestellt worden. Am 1. Juni 1982 beendete er die Sozietät mit dem Steuerberater K. Aus dieser Verbindung schuldet K. ihm noch etwa 240.000 DM, die zur Zeit nicht einzutreiben sind. Seit der Auflösung der Sozietät betreibt der Steuerberater eine Einzelpraxis in von seiner Ehefrau gemieteten Räumen. Am 15. Oktober 1982 erteilte ihm der Präsident des Landgerichts Lüneburg die Zulassung als Rechtsbeistand für Wirtschaftsrecht. 1985 verschlechterte sich der Gesundheitszustand seiner Ehefrau, die schon einmal in den 70er Jahren psychisch erkrankt war. Sie wurde in der ersten Jahreshälfte 1986 drei Monate lang stationär behandelt. Auch in die anschließende ambulante Behandlung war der Steuerberater mit einbezogen.

II. Am 30. November 1983 erteilte ihm der Vorstand der Steuerberaterkammer eine Rüge, weil er Schreiben vom 29. September und 20. Oktober 1983 nicht beantwortet hatte; diese bezogen sich darauf, daß er trotz rechtskräftiger Verurteilung Mandantenunterlagen nicht herausgegeben hatte. Am 13. Mai 1985 verhängte die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Hannover gegen ihn einen Verweis und eine Geldbuße von 2.000 DM; er hatte vom 18. Oktober 1983 bis zum 1. März 1984 seine Berufshaftpflichtversicherung erlöschen lassen und Schreiben der Berufskammer, die seine Berufshaftpflicht und die Nichtherausgabe von Mandantenunterlagen betrafen, nicht oder wahrheitswidrig beantwortet. Am 17. März 1986 verurteilte ihn das Landgericht Hannover erneut wegen Berufspflichtverletzungen durch Nichtbeantwortung von Schreiben der Berufskammer und Nichtherausgabe von Mandantenunterlagen, und zwar zu einem Verweis und einer Geldbuße von 6.000 DM.

III. Das vom Beschwerdeführer mit der Revision angefochtene Urteil des Oberlandesgerichts sieht Berufspflichtverletzungen in folgendem Verhalten:.

Vom 15. März 1986 bis 15. September 1986 und vom 3. März 1987 bis 31. Dezember 1987 hatte er lediglich rückwärtigen Versicherungsschutz, der nur solche Haftpflichtfälle erfaßt, die dem Steuerberater bis zum Abschluß der Rückwärtsversicherung nicht bekannt geworden sind. Die Schreiben der Berufskammer vom 15. Mai 1986 und 3. Juli 1986, mit denen um Auskunft über seine Haftpflichtversicherung gebeten wurde, beantwortete er nicht.

Im September 1985 versteckte er seinen der Bank für Gemeinwirtschaft sicherungsübereigneten BMW-Pkw in Hamburg und meldete ihn bei der Polizei als gestohlen, um die Vollstreckung eines von der Sicherungseigentümerin erwirkten Herausgabetitels zu verhindern. Deswegen verurteilte ihn das Schöffengericht Lüneburg wegen Unterschlagung und Vortäuschung einer Straftat am 19. Dezember 1985 zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen.

 

Entscheidungsgründe

IV. Der Steuerberater greift das Urteil des Oberlandesgerichts insgesamt mit der Sachrüge an. Seine Revision ist unbegründet.

1. Rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht eine Berufspflichtverletzung darin gesehen, daß der Steuerberater im Jahre 1986 sechs Monate und im Jahre 1987 fast zehn Monate ohne ausreichende Haftpflichtversicherung war und in diesem Zusammenhang an ihn gerichtete Schreiben der Berufskammer nicht beantwortet hat {§§ 67, 80 StBerG).

Die Nachversicherung durch Zahlung einer sogenannten Einmal-Prämie mindert zwar den Schuldumfang, beseitigt aber nicht den Verstoß gegen § 67 StBerG. Danach muß der Steuerberater gegen die sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren angemessen versichert sein. Diese Verpflichtung beruht darauf, daß die Berufsgruppe der Steuerberater besonderen Haftungsgefahren ausgesetzt ist und die Erfüllung eventueller Schadensersatzforderungen der Mandanten gewährleistet sein muß, weil sonst deren Vertrauen – wie auch das der Öffentlichkeit – auf die Zuverlässigkeit dieser Berufsangehörigen beeinträchtigt würde. Eine angemessene Versicherung im Sinne des § 67 StBerG liegt daher bei den – vom Steuerberater unter dem Druck standesrechtlicher Sanktionen – zweimal abgeschlossenen rückwärtigen Versicherungen schon deshalb nicht vor, weil diese nur einen Teil der möglichen Haftpflichtfälle erfassen. Von der Versicherung ausgeschlossen blieben die zu den Zeitpunkten der Nachversicherung dem Versicherungsnehmer bekannten Verstöße. Ob solche im Einzelfall vorlagen, ist unerheblich. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Steuerberater nur eine geringe Praxis hatte (Urteil des Senats vom 15. Oktober 1984 – StbStR 2/84; vgl. auch Urteil vom 25. April 1988 – StbStR 2/87). Mit der Behauptung, der Steuerberater habe während des Tatzeitraums überhaupt keine Mandanten betreut, entfernt sich die Revision von den den Senat bindenden Feststellungen des Tatrichters.

Das Oberlandesgericht war als Berufungsgericht nicht gehindert, auch den erst nach Erlaß des landgerichtlichen Urteils vom 31. August 1987 begangenen Verstoß in seine Bewertung einzubeziehen. Das Unterlassen der vorgeschriebenen Absicherung gegen Haftpflichtgefahren ist eine Dauerberufspflichtverletzung, für die die gleichen Grundsätze wie für eine Dauerstraftat gelten (Urteil des Senats vom 27. April 1981 – StbStR 4/80). Daher umfaßte die in der Anschuldigungsschrift und dem Eröffnungsbeschluß beschriebene Tat auch die Fortsetzung des Unterlassens nach dem erstinstanzlichen Urteil bis zur tatrichterlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht.

2. Die Unterschlagung des Pkws zum Nachteil der Sicherungseigentümerin und die Vortäuschung von dessen Diebstahl gegenüber der Polizei sind auch ohne Berücksichtigung der hinzukommenden erschwerenden Umstände (Verwendung der Berufsbezeichnung bei der versuchten Täuschung des Gerichtsvollziehers pp.) Berufspflichtverletzungen. ob die Ansicht des Oberlandesgerichts zutrifft, daß insoweit ein außerberufliches, nach § 89 Abs. 2 StBerG zu bewertendes Verhalten anzunehmen ist (UA S. 16 unten), kann dahinstehen. Waren die Kredite, deren Sicherung die Verwertung des Pkws diente, zum Betrieb der Steuerberater-Praxis aufgenommen worden (Geschäftsschulden) und wurde der Pkw auch beruflich genutzt, so kommt eine dem innerberuflichen Bereich zuzuordnende und nach § 89 Abs. 1 StBerG zu beurteilende Verfehlung in Betracht (vgl. BGHSt 29, 97, 98; 28, 150). In diesem Fall läge die vom Oberlandesgericht bejahte Notwendigkeit einer berufsgerichtlichen Ahndung erst recht vor (vgl. auch BGHSt 27, 305, 306).

3. Der Maßnahmenausspruch hält der rechtlichen Überprüfung stand.

Die angeordnete Ausschließung aus dem Beruf darf als schärfste, in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifende berufsgerichtliche Maßnahme nur verhängt werden, wenn sie zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit einer den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden unabhängigen und eigenverantwortlichen Hilfeleistung in Steuersachen, insbesondere zum Schutze der Mandanten und der übrigen Beteiligten, erforderlich ist (vgl. BVerfGE 66, 337, 360; BGHSt 32, 305, 306 ff.). Ob dies der Fall ist, muß unter Würdigung aller die Tat und die Persönlichkeit des Betroffenen kennzeichnenden Umstände entschieden werden, wobei dem Schuldgehalt der Tat nicht die gleiche überragende Bedeutung wie im allgemeinen Strafrecht zukommt (st. Rspr., zuletzt Urteil vom 25. April 1988 – StbStR 2/88) und die strafgerichtliche Verurteilung einer Ausschließung nicht entgegensteht (§ 92 Satz 2 StBerG). Diese Grundsätze hat das Oberlandesgericht beachtet.

Entgegen der Ansicht der Revision hat es hierbei der Krankheit der Ehefrau des Steuerberaters ausreichend Rechnung getragen. Die Betreuung der Ehefrau hinderte den Steuerberater nicht, auf die mehrfachen Mahnungen hin die Beiträge zur Haftpflichtversicherung zu zahlen. Daß sein Einkommen dazu ausreichte, hat das Oberlandesgericht festgestellt. Auch die Nichtbeantwortung von Anfragen der Steuerberaterkammer beruht nicht auf der durch die Versorgung der Ehefrau eingetretenen Belastung, sondern darauf, daß er über seine Versicherungsverhältnisse keine Auskunft geben wollte. Diese Feststellung des Oberlandesgerichts (UA S. 16) liegt angesichts vorangegangener Ahndung gleichartiger Verstöße nahe und ist daher vom Revisionsgericht hinzunehmen. „Das hartnäckige und raffinierte Vorgehen des Steuerberaters” (UA S. 18) bei der Unterschlagung des Pkws hatte seine bestimmende Ursache ebenfalls nicht in der Erkrankung der Ehefrau. Eine solche Annahme liegt auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens fern, so daß der Berufungsrichter darauf nicht näher einzugehen brauchte.

Die Überzeugung des Oberlandesgerichts, der innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums mehrfach erfolglos berufsrechtlich zur Rechenschaft gezogene Beschwerdeführer sei auch künftig für den Beruf als Steuerberater nicht tragbar, ist somit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1974808

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