Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktiengesellschaft. Insolvenz. Bewusst unzutreffende Ad-hoc-Mitteilungen über einzelne Geschäftsabschlüsse. Schadensersatzansprüche aus irregeführten Anlageentscheidungen §§ 826, 249 BGB
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der persönlichen Haftung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2, § 826; AktG § 400 Abs. 1 Nr. 1; WpHG § 15 a.F.; BörsG § 88 Abs. 1 Nr. 1 a.F.; StGB §§ 263, 264a
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 20.12.2002; Aktenzeichen 30 U 103/02) |
LG Augsburg |
Tenor
Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des 30. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des OLG München, Zivilsenate in Augsburg, v. 20.12.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 19. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger machen gegen die Beklagten Schadensersatz mit der Begründung geltend, sie seien durch unzutreffende Angaben in Ad-hoc-Mitteilungen der I. AG (im Folgenden: I. AG) dazu veranlasst worden, - mittlerweile wertlos gewordene - Aktien dieser Gesellschaft zu erwerben. Der Beklagte zu 1) war Vorstandsvorsitzender, der Beklagte zu 2) stellvertretender Vorstandsvorsitzender der I. AG, über deren Vermögen am 1.7.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Die Aktien der I. AG wurden im Juli 1998 zum geregelten Markt mit Handel im Neuen Markt bei einem Emissionskurs von 27,10 EUR zugelassen und erreichten nach starkem Kursanstieg bereits im Februar 1999 ihren Höchststand von 318 EUR. Nach zwischenzeitlicher Halbierung dieses Wertes und schwankendem Kurs erfolgte im August 1999 ein Aktiensplit im Verhältnis 1:5. Nach weiterhin uneinheitlichem Verlauf stieg der Kurs im Zusammenhang mit der Cebit im Februar 2000 nochmals kurzfristig bis auf 51 EUR an, um dann nach und nach wieder abzufallen; derzeit bewegt er sich bei wenigen Cent pro Aktie.
Die I. AG veröffentlichte eine Vielzahl von Ad-hoc-Mitteilungen, u.a. am 20.5.1999, 13.9.1999 und 16.11.1999. Am 20.5.1999 gab sie bekannt, der Mobilfunkanbieter M. habe bei ihr "per Rahmenabkommen Surfstations und die zugehörigen JNT-Lizenzen geordert"; das Auftragsvolumen betrage mindestens ca. 55 Mio. DM, wobei die Abwicklung in mehreren Chargen erfolge. Diese Ad-hoc-Mitteilung, die vom Beklagten zu 2) veranlasst und vom Beklagten zu 1) gebilligt worden war, gab den mit der M. abgeschlossenen Vertrag nicht richtig wieder: Tatsächlich enthielt er nur eine verbindliche Bestellung über 14.000 Surfstationen mit einem Gesamtvolumen von ca. 9,8 Mio. DM; ergänzend war von M. lediglich für den Fall einer erfolgreichen Testphase die Erhöhung des Auftrags von 14.000 auf 100.000 Stationen in Aussicht gestellt worden. Erst mit einer solchen Folgebestellung - die allerdings nicht erfolgte - wäre das in der Ad-hoc-Meldung v. 20.5.1999 mitgeteilte Auftragsvolumen von 55 Mio. DM erreicht worden. Auf der Hauptversammlung der I. AG v. 24.6.1999 wurde der Inhalt der Meldung - freilich ohne Kenntnis der Kläger - auf entsprechende Nachfrage einer Aktionärin von den Beklagten zwar richtig gestellt, jedoch wurde die falsche Mitteilung v. 22.5.1999 später in der Ad-hoc-Mitteilung v. 30.8.1999 wieder bestätigt. Erst durch Ad-hoc-Mitteilung v. 22.8.2000 wurde die ursprüngliche Meldung - zum Teil - widerrufen.
In einer weiteren Ad-hoc-Mitteilung v. 13.9.1999 gab die I. AG bekannt, dass die G. bei ihr per Rahmenabkommen JNT-Lizenzen und Surfstationen im Wert von rund 55 Mio. DM geordert habe. Auch diese Mitteilung war unzutreffend, da es sich insoweit nicht um einen neuen Auftrag, sondern lediglich um eine gemeinsame Vertriebsvereinbarung handelte. Dies wurde von der I. AG erst mit Ad-hoc-Mitteilung v. 29.8.2000 berichtigt. Die weitere Ad-hoc-Mitteilung v. 16.11.1999, in der über eine Bestellung von Lizenzen durch eine Firma W. D. Ltd. berichtet wurde, war - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - nicht unzutreffend.
Die Kläger erwarben in der Zeit zwischen 8.2.2000 und 17.5.2000 Aktien der I. AG, die sie - mit Ausnahme des Klägers zu 4) - später wieder verkauften.
Die Kläger haben vorgetragen, sie hätten die Aktien im Vertrauen auf die Richtigkeit der ursprünglichen Ad-hoc-Meldungen erworben. Als Schaden machen die Kläger zu 1) bis 3) den jeweils verbliebenen Verlust aus dem An- und Verkauf der Aktien geltend, während der Kläger zu 4) Erstattung seines Bruttoaufwandes für den Erwerb der Aktien Zug-um-Zug gegen deren Übertragung verlangt. Das LG hat die Klagen abgewiesen. Die Berufungen der Kläger sind erfolglos geblieben. Mit ihren - vom OLG zugelassenen - Revisionen verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Kläger sind begründet und führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§§ 562, 563 Abs. 1 ZPO n.F.).
Das Berufungsgericht hat zwar zu Recht Schadensersatzansprüche der Kläger sowohl aus (allgemeiner) Prospekthaftung (dazu unter I.) als auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der Verletzung eines Schutzgesetzes (dazu unter II.) verneint. Gleichwohl hat das angefochtene Urteil keinen Bestand, weil das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB mit rechtsfehlerhafter Begründung verneint hat (dazu unter III.).
I. Schadensersatz aus Prospekthaftung
Das Berufungsgericht hat Prospekthaftungsansprüche mit der Begründung verneint, die Ad-hoc-Mitteilungen v. 20.5.1999 und v. 13.9.1999 seien nicht als "Prospekte" im Sinne der allgemeinen Prospekthaftung anzusehen, weil sie keine vollständige Unternehmensdarstellung - wie ein Emissions- oder sonstiger (Wertpapier-)Verkaufsprospekt - enthielten. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1. Allerdings ist schon im Ansatz zweifelhaft, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätze, die an ein typisiertes Vertrauen des Anlegers auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von den Prospektverantwortlichen gemachten Angaben anknüpfen (vgl. BGH v. 24.4.1978 - II ZR 172/76, BGHZ 71, 284 u. st.Rspr.), hier überhaupt auf die Haftung der Beklagten für die von ihnen veranlassten fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen (§ 15 WpHG a.F.) der I. AG - eines Unternehmens des Neuen Marktes, der ein Segment des geregelten Marktes ist (vgl. dazu Potthoff/Stuhlfauth, WM 1997, Sonderbeilage Nr. 3, S. 6 ff.) - Anwendung finden könnten. Der Senat hat bislang - anders als die Revision meint - lediglich entschieden (BGH v. 5.7.1993 - II ZR 194/92, BGHZ 123, 106 = AG 1994, 32 = MDR 1993, 1068), dass die Prospekthaftungsgrundsätze auch für Prospekte gelten, mit denen für den Erwerb von Aktien außerhalb der geregelten Aktienmärkte geworben wird (vgl. aber für den Bereich der nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassenen Wertpapiererstemissionen nunmehr die spezialgesetzliche Haftungsregelung nach § 13 VerkaufsprospektG (v. 13.12.1990, BGBl. I, 2749) i.V.m. §§ 45 bis 48 BörsG).
2. Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil die Ad-hoc-Mitteilungen der I. AG v. 20.5.1999 und v. 13.9.1999 jedenfalls nicht die an einen "Prospekt" i.S.d. Prospekthaftungsgrundsätze zu stellenden Anforderungen erfüllen.
a) Ein Prospekt stellt i.d.R. die für den Anlageinteressenten wichtigste und häufigste Informationsquelle dar und bildet im Allgemeinen die Grundlage seiner Anlageentscheidung. Nach der Rechtsprechung des BGH darf ein Anleger erwarten, dass er ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt erhält, d.h. dass der Prospekt ihn über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichtet (vgl. BGH v. 5.7.1993 - II ZR 194/92, BGHZ 123, 106 [109 f.] = AG 1994, 32 = MDR 1993, 1068; Urt. v. 29.5.2000 - II ZR 280/98, NJW 2000, 3346 - jeweils m.w.N.).
Diese Anforderungen kann eine Ad-hoc-Mitteilung i.S.d. § 15 Abs. 1 WpHG a.F. i.d.R. nicht erfüllen. Sie ist anlassbezogen auf neue, bislang nicht veröffentlichte gewichtige Einzeltatsachen, die lediglich die bereits bekannten Informationen für den Sekundärmarkt ergänzen. Dabei erhebt die Bekanntgabe einer solchen kapitalmarktbezogenen Einzelinformation - anders als die den Primärmarkt betreffende Publizität eines (Emissions-)Prospekts - erkennbar nicht den Anspruch, eine das Publikum des Sekundärmarktes umfassend informierende Beschreibung zu sein.
b) So lag es jedenfalls hier bezüglich der beiden Ad-hoc-Mitteilungen der I. AG v. 20.5.1999 und 13.9.1999. Sie betrafen jeweils einzelne Geschäftsabschlüsse, die ein vollständiges Bild über sämtliche für den Aktienkauf wesentlichen Umstände der Gesellschaft und die etwa damit verbundenen Risiken ersichtlich nicht vermittelten; ebenso wenig ließen die vermittelten Einzeltatsachen verlässliche Rückschlüsse über die Entwicklung der Aktie zu.
II. Schadensersatz aus Verletzung von Schutzgesetzen
Zu Recht hat das Berufungsgericht Ansprüche der Kläger aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der Verletzung etwaiger Schutzgesetze verneint.
1. Ein Anspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 WpHG a.F. besteht nicht.
§ 15 WpHG a.F. ist kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Normzweck des § 15 WpHG a.F. ist nach den Gesetzesmaterialien nicht der Schutz der Individualinteressen der Anleger, sondern ausschließlich die im öffentlichen Interesse liegende Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes (vgl. insb.: BT-Drucks. 12/7918, 96, 102). Dementsprechend stellt § 15 Abs. 6 S. 1 WpHG a.F. ausdrücklich klar, dass Verstöße gegen § 15 Abs. 1 bis 3 WpHG a.F. keine Schadensersatzpflicht des Emittenten auslösen. Das schließt eine Schutzgesetzeigenschaft des § 15 WpHG a.F. aus (h.M., vgl. BVerfG, Urt. v. 24.9.2002 - 2 BvR 742/02, ZIP 2002, 1986 [1988]; Kümpel in Assmann/Schneider, WpHG, 2. Aufl., § 15 Rz. 188; Rützel, AG 2003, 69 [72]; Thümmel, BB 2001, 2331 [2332]; Groß, WM 2002, 477 [482]; Horn, FS Ulmer 2003, S. 817, 819; zur Gegenansicht: Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, 2003, § 16 Rz. 55).
2. Auch § 88 BörsG a.F. ist - entgegen der Ansicht der Revision - kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.
Der Senat hat bislang die Frage, ob § 88 Abs. 1 Nr. 1 BörsG a.F. Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ist, offen gelassen (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.1985 - II ZR 109/84, AG 1986, 76 = MDR 1986, 292 = NJW 1986, 837 [840]). Er verneint sie nunmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG und der h.M. (vgl. BVerfG ZIP 2002, 1986, 1988 mit umfangreichen Nachw. z. Meinungsstand). Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 10/318, 44) ist über § 88 BörsG a.F. ein Schutz des einzelnen Anlegers nicht gewollt.
Schutzgesetz ist eine Rechtsnorm nur dann, wenn sie - sei es auch neben dem Schutz der Allgemeinheit - gerade dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines Rechtsguts zu schützen. Dabei kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder zumindest mitgewollt hat (BGH, Urt. v. 21.10.1991 - II ZR 204/90, MDR 1992, 350 = NJW 1992, 241 [242] m.w.N.). Der Tatbestand des § 88 BörsG a.F. erfordert ein Handeln in der Absicht, auf den Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren einzuwirken. Wie bereits in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt (BT-Drucks. 10/318, 45), steht bei § 88 BörsG a.F. allgemein die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und Märkten mit ihrer für das gesamte Wirtschaftsleben weitreichenden Bedeutung im Vordergrund. § 88 BörsG a.F. bezweckt deshalb nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie den Schutz der Allgemeinheit. Zwar wirkt sich der Schutz der Allgemeinheit mittelbar auch zu Gunsten des einzelnen Kapitalanlegers aus (vgl. BT-Drucks. 10/318, 46). Damit erstrebt das Gesetz aber noch nicht einen besonderen Schadensersatzanspruch zum Schutze (auch) der Individualinteressen des Einzelnen (vgl. dazu: BGH v. 29.6.1982 - VI ZR 33/81, BGHZ 84, 312 [314] = GmbHR 1982, 272 = MDR 1982, 920; v. 13.4.1994 - II ZR 16/93, BGHZ 125, 366 [374] = GmbHR 1994, 390 = MDR 1994, 997). Der dem Einzelnen zustatten kommende mittelbare Schutz ist vielmehr nur eine Reflexwirkung des Gesetzes, die die zivilrechtliche Haftung nicht begründen kann (vgl. BGH v. 24.1.1984 - VI ZR 37/82, BGHZ 89, 383 [401] = MDR 1984, 567). Die Funktion, den Anleger vor Täuschungen und Vermögensverlusten zu schützen, wurde von § 264a StGB übernommen; diese Norm ist auf Grund ihres drittschützenden Charakters Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB (BGH, Urt. v. 21.10.1991 - II ZR 204/90, MDR 1992, 350 = NJW 1992, 241 [242], unter 5.).
3. Entgegen der Ansicht der Revision müssen weder § 15 WpHG a.F. noch § 88 BörsG a.F. auf Grund europarechtlicher Vorgaben in berichtigender Auslegung als Schutzgesetze ausgelegt werden. Der EG-Insider-Richtlinie 89/592/EWG v. 13.11.1989 (ABl Nr. L 334/30, Einleitung und Art. 13; sowie die in Art. 7 in Bezug genommene RL 79/279/EWG) oder der EG-Transparenz-Richtlinie 88/627/EWG v. 12.12.1988 (ABl Nr. L 348/62) lässt sich kein Gebot entnehmen, § 15 WpHG a.F. oder § 88 Abs. 1 Nr. 1 BörsG a.F. als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB auszugestalten (BVerfG v. 24.9.2002 - 2 BvR 742/02, ZIP 2002, 1986 [1989]).
4. Einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG hat das Berufungsgericht zutreffend verneint, weil die unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen v. 20.5.1999 und 13.9.1999 nicht den Tatbestand des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG erfüllen.
a) Zwar ist die Strafvorschrift des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB (einhellige Meinung: vgl. z.B. BGH v. 17.9.2001 - II ZR 178/99, BGHZ 149, 10 [20] = MDR 2001, 1423 = GmbHR 2001, 1036 = BGHReport 2001, 917; Otto in Großkomm./AktG, 4. Aufl. 1997, § 400 Rz. 2 m.w.N.). § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG soll das Vertrauen potenzieller Anleger und gegenwärtiger Aktionäre der Gesellschaft in die Richtigkeit und Vollständigkeit bestimmter Angaben über die Geschäftsverhältnisse schützen.
b) Die Beklagten haben jedoch durch die beiden Ad-hoc-Mitteilungen nicht die Verhältnisse der Gesellschaft "in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand" (§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG) unrichtig wiedergegeben.
Unter "Übersichten über den Vermögensstand" sind alle Zusammenstellungen von Zahlenmaterialien, insb. alle Arten von Bilanzen zu verstehen, die einen Gesamtüberblick über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ermöglichen (vgl. Otto in Großkomm./AktG, 4. Aufl. 1997, § 400 Rz. 33). Darunter fallen ersichtlich nicht Ad-hoc-Mitteilungen, die - wie im vorliegenden Fall - nur jeweils einen einzelnen Geschäftsabschluss bekannt geben.
Als "Darstellungen über den Vermögensstand" gelten nur solche Berichte, die den Vermögensstand des Unternehmens so umfassend wiedergeben, dass sie ein Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage der Aktiengesellschaft ermöglichen und den Eindruck der Vollständigkeit erwecken. Auch das ist bei den Ad-hoc-Mitteilungen v. 20.5.1999 und 13.9.1999 offensichtlich nicht der Fall.
Soweit in der Literatur vereinzelt die Ansicht vertreten wird, dass sich die "Darstellungen" i.S.v. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG nicht auf den Vermögensstand beziehen müssten (Baums, Bericht der Regierungskommission "Corporate Governance" v. 10.7.2001, BT-Drucks. 14/7515 Rz. 184; Möllers, Ad-hoc-Publizität, 2003, § 12 Rz. 85 ff.), kann dem nicht gefolgt werden. Bereits aus dem eindeutigen, einer (derartigen) Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut der Vorschrift (vgl. Art. 103 Abs. 2 GG; dazu: BVerfGE 47, 109 [120 f.,124]; BVerfG v. 5.7.1983 - 2 BvR 200/81, BVerfGE 64, 389 [393 f.]) ergibt sich, dass Darstellungen - genau wie in § 264a StGB - auch den Vermögensstand betreffen müssen und nicht isoliert betrachtet werden können.
5. Auch eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB hat das Berufungsgericht zu Recht verneint.
Zwar hat die Strafnorm drittschützenden Charakter (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.1991 - II ZR 204/90, MDR 1992, 350 = NJW 1992, 241 f.) und ist damit Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Um den Tatbestand des § 264a StGB zu erfüllen, muss u.a. die fehlerhafte Information "in Prospekten" oder "in Darstellungen oder Übersichten" über den Vermögensstand erfolgen. Die Ad-hoc-Mitteilungen der I. AG v. 20.5.1999 bzw. 13.9.1999 sind jedoch - wie bereits an anderer Stelle ausgeführt - weder "Prospekte" (s. oben I. 2.) noch "Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand" (s. oben II. 4.). Unabhängig davon fehlte es hier an dem außerdem in § 264a Abs. 1 StGB vorausgesetzten Zusammenhang der Tathandlung mit dem "Vertrieb von Anteilen" (Nr. 1) oder mit einem Erhöhungsangebot (Nr. 2) (vgl. dazu: Lackner, StGB, 24. Aufl., § 264a Rz. 6).
6. Ein Anspruch der Kläger gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB scheidet nach den zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichts bereits deshalb aus, weil hier eine Absicht der Beklagten, sich oder einem Dritten "stoffgleich" zu Lasten des Vermögens der Kläger einen Vermögensvorteil zu verschaffen, nicht feststellbar ist. Gemäß § 263 StGB muss der Täter einen Vermögensvorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten in der Weise anstreben, dass dieser Vorteil "die Kehrseite des Schadens" ist (BGHSt 6, 115 [116]; Tiedemann in Leipziger Komm./StGB, 11. Aufl. 2000, § 263 Rz. 256). Eine - lediglich mittelbare - Begünstigung der I. AG oder der Beklagten selbst durch einen infolge der falschen Ad-hoc-Mitteilung steigenden Aktienkurs reicht nicht aus (Möllers, Ad-hoc-Publizität, § 12 Rz. 104; Rützel, AG 2003, 69 [73]; Rodewald/Siems, BB 2001, 2437 [2440]). Hinsichtlich der an den Aktienkäufen der Kläger beteiligten unbekannten Verkäufer liegt eine Bereicherungsabsicht der Beklagten fern.
III. Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB
Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht allerdings einen Schadensersatzanspruch der Kläger aus § 826 BGB verneint.
1. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Zwar seien die Ad-hoc-Mitteilungen v. 20.5.1999 und 13.9.1999 - anders als diejenige v. 16.11.1999 - objektiv falsch gewesen, was die Beklagten auch gewusst hätten. Es sei jedoch schon zweifelhaft, ob der auf die Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der Kläger gestützte Schaden ersatzfähig sei, weil diese in ein hochspekulatives Marktsegment investiert hätten. Jedenfalls fehle es insoweit an einem vorsätzlichen Handeln der Beklagten; denn es sei nicht erwiesen, dass diese es vorausgesehen hätten, dass Anleger in I. Aktien wegen des Vertrauens in die Richtigkeit der Darstellung der Ad-hoc-Mitteilungen einen Schaden, insb. in Form der Beeinträchtigung ihres wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts, erleiden könnten, und dass die Beklagten einen solchen Schaden billigend in Kauf genommen hätten. Angesichts der damals euphorischen Stimmung der Beklagten hinsichtlich der weiteren Unternehmensentwicklung könne auch nicht angenommen werden, sie hätten vorsätzlich sittenwidrig gehandelt. Diese Bewertung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
2. Die Beweiswürdigung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gem. § 559 ZPO n.F. gebunden ist. Revisionsrechtlich ist seine Würdigung jedoch darauf zu überprüfen, ob er sich mit dem Prozess-Stoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinander gesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt (st.Rspr., vgl. z.B. BGH, Urt. v. 11.2.1987 - IVb ZR 23/86, BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Revisionsrüge 1).
Danach liegt schon den - teilweise im Widerspruch zu den Feststellungen bzw. Wahrunterstellungen stehenden - Ausführungen des Berufungsgerichts zum Schaden offenbar ein unzutreffendes Verständnis des Schadensbegriffs i.S.d. §§ 826, 249 ff. BGB zu Grunde; darüber hinaus beruht die Verneinung der subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB auf einer zum Teil widersprüchlichen und unvollständigen Bewertung der objektiven Tatumstände sowie auf einer Überspannung der Anforderungen an den Vorsatz (§ 286 ZPO).
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts waren die Ad-hoc-Mitteilungen v. 20.5.und v. 13.9.1999 - was die Beklagten wussten - objektiv unrichtig. Zu dem von den Klägern behaupteten Kausalzusammenhang zwischen den falschen Ad-hoc-Mitteilungen und ihren Anlageentscheidungen sowie zu ihrer Behauptung, sie hätten bei Kenntnis des wahren Sachverhalts die Aktien der I. AG nicht gekauft, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, sondern dies offensichtlich als wahr unterstellt.
Auf der Grundlage dieser - auch für die Revisionsinstanz maßgeblichen - Wahrunterstellung können die Kläger im Rahmen des § 826 BGB von den Beklagten nicht etwa nur - wie das Berufungsgericht offenbar meint - den Differenzschaden in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem tatsächlichen Transaktionspreis und dem Preis, der sich bei pflichtgemäßem Publizitätsverhalten der Beklagten gebildet hätte, sondern Naturalrestitution (§ 249 BGB) in Form der Erstattung des gezahlten Kaufpreises gegen Übertragung der erworbenen Aktien bzw. gegen Anrechnung des an deren Stelle getretenen Erlöses aus der Veräußerung dieser Aktien verlangen.
§ 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens begrifflich nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter ab: Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (vgl. Wagner in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 826 Rz. 6 m.w.N.). Der Inhalt der Pflicht zum Ersatz eines solchen Schadens bestimmt sich nach den §§ 249 ff. BGB. Da im vorliegenden Fall die Ursächlichkeit der von den Beklagten namens der I. AG veranlassten fehlerhaften beiden Ad-hoc-Mitteilungen für den Entschluss der Anleger zum Aktienerwerb als feststehend zu unterstellen ist, sind die in ihrem Vertrauen enttäuschten Anleger grundsätzlich so zu stellen, wie sie stehen würden, wenn die für die Veröffentlichung Verantwortlichen ihrer Pflicht zur wahrheitsgemäßen Mitteilung nachgekommen wären. Da sie dann - wovon ebenfalls auszugehen ist - die Aktien nicht erworben hätten, besteht die nach § 249 Abs. 1 BGB zu leistende Naturalrestitution im Geldersatz in Höhe des für den Aktienerwerb aufgewendeten Kaufpreises gegen Übertragung der erworbenen Rechtspositionen auf die Schädiger; soweit die Aktien wegen zwischenzeitlicher Veräußerung nicht mehr vorhanden sind, ist der an ihre Stelle getretene Veräußerungspreis anzurechnen.
Eine Einschränkung der Schadensersatzpflicht, wie sie das OLG wegen der Investition der Kläger in ein Papier des "hochspekulativen" Neuen Marktes annimmt, ist nicht berechtigt; sie steht im Widerspruch zu der als wahr zu unterstellenden Tatsache, dass die Kläger ohne die fehlerhaften Mitteilungen die Aktien der I. AG nicht erworben hätten.
Selbst unter dem Blickwinkel des Rechtswidrigkeitszusammenhangs/Schutzzwecks der Haftungsnorm ist für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, die auch die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung i.S.d. § 826 BGB erfüllen, eine derartige Beschränkung der Rechtsfolgen zu Gunsten des Schädigers nicht veranlasst. Zwar hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 6 S. 1 WpHG a.F. - wie bereits ausgeführt - eine besondere Schadensersatzhaftung für die Verletzung der Ad-hoc-Publizität i.S.v. § 15 Abs. 1 bis 3 WpHG a.F. ausdrücklich ausgeschlossen und damit zugleich klargestellt, dass jene Norm kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB sein soll. Gemäß § 15 Abs. 6 S. 2 WpHG a.F. bleiben jedoch ausdrücklich - schon bezogen auf den Emittenten - Schadensersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, unberührt. Unter derartige allgemeine zivilrechtliche Haftungstatbestände fällt insb. die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nach § 826 BGB. Ein Haftungsausschluss in Fällen betrügerischer oder sittenwidriger Schädigung Dritter wäre - wie im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich klargestellt wurde (vgl. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 12/7918, 102) - mit den Grundsätzen der Rechtsordnung nicht vereinbar. Für die - ohnehin nicht ausgeschlossene - Haftung der die falschen Ad-hoc-Mitteilungen veranlassenden Vorstände als gesetzliche Vertreter des Emittenten gelten daher im Bereich des § 826 BGB ebenfalls keine generellen Beschränkungen hinsichtlich Art und Umfang des Schadensersatzes.
b) Ausgehend hiervon und von der Kenntnis der Beklagten der von ihnen veranlassten unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen v. 20.5.und v. 13.9.1999 ist die Verneinung der (weiteren) subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB durch das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerhaft.
Die Veröffentlichung der beiden angeblichen Geschäftsabschlüsse als Ad-hoc-Mitteilungen setzte bereits nach dem Gesetz (§ 15 Abs. 1 WpHG a.F.) voraus, dass die mitgeteilten neuen Tatsachen "geeignet sind, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen". Da dies ohne Kauf- und Verkaufsentscheidungen von individuellen Marktteilnehmern als zu erwartender Reaktion auf die Mitteilungen der meldepflichtigen Tatsachen nicht möglich ist, wissen die verantwortlichen Vorstände, dass es infolge der fehlerhaften Ad-hoc-Information zu entsprechenden Anlageentscheidungen kommen wird (so zutreffend Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063 [1067]). Kennen sie die Unrichtigkeit der Ad-hoc-Mitteilung, so wissen sie auch, dass deshalb Wertpapierkäufe auf fehlerhafter Tatsachengrundlage getätigt werden. Da beide Beklagten die Bedeutung der konkreten Ad-hoc-Mitteilungen und deren Unrichtigkeit kannten, ist - wie die Revision zutreffend geltend macht - schon nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die unrichtigen Meldungen keinen anderen Zweck hatten, als dem Börsenpublikum einen gestiegenen Unternehmenswert vorzuspiegeln und den Börsenpreis positiv zu beeinflussen. Von einer bloßen Leichtfertigkeit - wie das OLG meint - kann ersichtlich keine Rede sein. Dagegen sprechen weitere erhebliche Umstände, die das Berufungsgericht übersehen hat. Unstreitig musste der Beklagte zu 1) in Anwesenheit des Beklagten zu 2 in der Hauptversammlung der I. AG v. 24.6.1999 auf entsprechende Frage einer Aktionärin klarstellen, dass die M. am 19.5.1999 lediglich 14.000 JNT-Surfstationen bestellt hatte; gleichwohl bestätigten die Beklagten - an Stelle einer gebotenen sofortigen Richtigstellung durch Ad-hoc-Meldung - bereits in der Ad-hoc-Mitteilung v. 30.8.1999 wieder die falsche Ursprungsmeldung v. 20.5.1999. Schließlich hat das Berufungsgericht auch die besonders bedeutsame Tatsache außer Betracht gelassen, dass die Beklagten in der Ad-hoc-Mitteilung v. 13.9.1999 sogar einen in vollem Umfang frei erfundenen "erneuten Mega-Deal" in Gestalt der angeblichen Order eines P.er Unternehmens über 55 Mio. DM veröffentlichten. Auch diese erneute Falschmeldung diente ersichtlich keinem anderen Zweck als der positiven Beeinflussung des Börsenkurses und der Irreführung des Börsenpublikums über den wirklichen Wert des Unternehmens. Soweit das Berufungsgericht den Beklagten zugute hält, die "Vertriebsvereinbarung" mit der Firma G. i.Gr. sei nicht erfunden gewesen, steht das ersichtlich im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen: die Ad-hoc-Mitteilung v. 13.9.1999 referierte eben nicht eine bloße Vertriebsvereinbarung, sondern einen festen Großauftrag. Wenn das Berufungsgericht außerdem die Beklagten dadurch entlastet sieht, dass jedenfalls die Lieferung von Geräten mit der betreffenden Software auch für andere Kunden geplant gewesen sei, ist das in Bezug auf die hier bedeutsamen beiden vorsätzlichen Falschmeldungen ersichtlich irrelevant.
Zudem hat das Berufungsgericht die Anforderungen an den Vorsatz überspannt.
Für den Vorsatz im Rahmen des § 826 BGB genügt ein "Eventualdolus". Dabei braucht der Täter nicht im Einzelnen zu wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (st.Rspr., so schon RGZ 55, 60; BGH, Urt. v. 20.11.1990 - VI ZR 6/90, MDR 1991, 1044 = BGHR BGB § 826 - Schädigungsvorsatz 2). Nach den Gesamtumständen besteht hier an einer vorsätzlichen Handlungsweise der Beklagten in Bezug auf beide Mitteilungen kein Zweifel. Schon angesichts der bewusst falschen Meldung zweier Großaufträge innerhalb kurzer Zeit war den Beklagten bei einer Parallelwertung in der (juristischen) Laiensphäre positiv bewusst, dass dadurch u.a. die Erwerber von I.-Aktien ihre Kaufentscheidungen auf fehlerhafter Tatsachengrundlage trafen, die sie bei der gebotenen richtigen Information entweder überhaupt nicht oder aber nur zu anderen Konditionen getroffen hätten. Derartige Schäden als Folgen ihrer - direkt vorsätzlichen - Handlungsweise nahmen sie zumindest billigend in Kauf. Ein solcher Eventualvorsatz der Beklagten hinsichtlich der als Folge ihres Tuns erwarteten, mindestens aber für möglich gehaltenen Schäden bei den Investoren lässt sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht auf Grund einer lediglich euphorischen Stimmung der Beklagten in bloße Fahrlässigkeit "umqualifizieren". Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass den Beklagten als u.a. für die zentrale Aufgabe der Publizität verantwortlichen Organen des Unternehmens, die über die Auswirkungen ihrer unrichtigen Ad-hoc-Information auf den Aktienmarkt Bescheid wussten, nicht durch eine (momentane) Euphorie über vermeintliche Chancen und Zukunftsperspektiven der I. AG der Verstand "vernebelt" wurde. Für die Meldung des "Phantomauftrags" v. 13.9.1999 gab es - was das OLG völlig übersieht - keine nachvollziehbare "Entschuldigung"; ob an Stelle dieses "Fantasievertrages" mit künftigen, noch zu werbenden Kunden vergleichbare sichere Verträge - wie sie nur vorgespiegelt worden waren - zu Stande gebracht werden könnten, war bloße "Zukunftsmusik". Abgesehen davon beträfe die etwaige Hoffnung oder Erwartung der Beklagten, den falsch gemeldeten Mega-Deal zu einem späteren Zeitpunkt noch zu Stande bringen zu können, nur die Möglichkeit einer künftigen Minderung oder wirtschaftlichen Beseitigung eines beim Anleger mit dem Aktienkauf bereits eingetretenen Vermögensschadens; das gilt insb. für den - wie hier - bereits dadurch entstandenen Schaden, dass der Anleger infolge der Irreführung Aktien erworben hat, die er ohne die Falschmeldung nicht erworben hätte. Eine etwaige spätere Schadenskompensation ließe aber die schon eingetretene Vollendung der vorsätzlichen Schädigung unberührt.
c) Die vorsätzliche Veröffentlichung der bewusst unwahren Ad-hoc-Mitteilungen ist schließlich auch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts als sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB, d.h. als "gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" verstoßend (st.Rspr. seit RGZ 48, 114 [124]), anzusehen.
Freilich genügt dafür im Allgemeinen die bloße Tatsache, dass der Täter gegen eine gesetzliche Vorschrift verstoßen hat, ebenso wenig wie der Umstand, dass sein Handeln bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss sich die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben. Hier wird die Verwerflichkeit allerdings bereits durch das Verhalten der Beklagten indiziert: die direkt vorsätzliche unlautere Beeinflussung des Sekundärmarktpublikums durch wiederholte grob unrichtige Ad-hoc-Mitteilungen. Ein solches Handeln verstößt derart gegen die Mindestanforderungen im Rechtsverkehr auf dem Kapitalmarkt, dass ein Ausgleich der durch sie bei den einzelnen Marktteilnehmern verursachten Vermögensschäden geboten erscheint. Eine derartige Verhaltensweise ist nicht etwa deshalb in einem milderen Licht zu sehen, weil Ad-hoc-Mitteilungen wie die vorliegende gerade in der fraglichen "euphorischen Phase" des Neuen Marktes vielfach zu Werbezwecken veröffentlicht worden sind; denn darin lag - auch im vorliegenden Fall - selbst ein Missbrauch des Rechtsinstituts der Ad-hoc-Publizität. Mit der Veröffentlichung der beiden Mitteilungen über nicht existierende Großaufträge haben die Beklagten gezeigt, dass ihnen offensichtlich jedes Mittel recht war, um in den potenziellen Anlegern des Marktes positive Vorstellungen über den Wert des Unternehmens hervorzurufen und über die einsetzende Nachfrage den Kurs der I.-Aktie "zu pushen".
Mit der Veröffentlichung der falschen Ad-hoc-Mitteilungen verfolgten die Beklagten auch in jedenfalls objektiv unlauterer Weise "eigene Zwecke". Sie waren nämlich - was das OLG übersehen hat - nicht etwa unbeteiligte "Nur-Vorstände", sondern besaßen als Gründungsgesellschafter Aktien der I. AG im Millionenumfang, so dass sie von dem mit der unrichtigen Mitteilung bezweckten "Pushen" der Kurse zumindest mittelbar selbst profitierten. In diesem Zusammenhang weist die Revision zutreffend darauf hin, dass die Beklagten aus - wenn auch nicht mit den hier inkriminierten Meldungen unmittelbar zusammenhängenden - unstreitigen Verkäufen eigener Aktienpakete Anfang des Jahres 1999 jeweils knapp 29 Mio. DM und im Juli 2000 jeweils ca. 500.000 DM erlösten. Bereits daraus lässt sich entnehmen, dass ihnen bewusst war, dass eine durch die unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen bewirkte Kurssteigerung zu einer Wertsteigerung der eigenen Beteiligung an der I. AG führen würde. Vorrangiges Ziel oder gar Endziel ihrer ungesetzlichen Handlungsweise mussten solche "eigenen Zwecke" im Rahmen des § 826 BGB nicht sein.
III. Auf Grund der aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung. Mangels Endentscheidungsreife ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird in der neuen mündlichen Verhandlung die bislang fehlenden Feststellungen zur Kausalität der fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen für die jeweiligen Kaufentscheidungen der Kläger und den daraus resultierenden Schaden nachzuholen haben.
Insoweit weist der Senat auf Folgendes hin:
Da es sich jeweils um individuelle Willensentscheidungen der einzelnen Anleger handelt, wird das Berufungsgericht sich mit den hierzu vorgetragenen Einzelumständen auseinander zu setzen und ggf. zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung gem. § 448 ZPO jeweils erfüllt sind (vgl. dazu BGH v. 9.3.1990 - V ZR 244/88, BGHZ 110, 363 [366] = MDR 1990, 705).
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass den Klägern hinsichtlich der behaupteten Kausalität der falschen Ad-hoc-Mitteilungen für ihren individuellen Willensentschluss zum Erwerb von I.-Aktien kein Beweis des ersten Anscheins für das Bestehen einer sog. Anlagestimmung zugute kommt. Auch die von der Rechtsprechung zur Prospekthaftung nach dem Börsengesetz a.F. entwickelten Grundsätze über den Anscheinsbeweis bei Vorliegen einer Anlagestimmung (vgl. dazu BGH v. 14.7.1998 - XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 [233] = MDR 1998, 1234 = AG 1998, 520 m.w.N.) lassen sich nicht ohne weiteres auf die Deliktshaftung nach § 826 BGB im Hinblick auf fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen i.S.d. § 15 Abs. 1 bis 3 WpHG a.F. übertragen. Zwar ist denkbar, dass sich im Einzelfall - je nach Tragweite der Information - aus positiven Signalen einer Ad-hoc-Mitteilung auch eine (regelrechte) Anlagestimmung für den Erwerb von Aktien entwickeln kann. Zur genauen Dauer einer solchen denkbaren Anlagestimmung lassen sich aber ebenso wenig - wenn nicht sogar weniger - verlässliche, verallgemeinerungsfähige Erfahrungssätze aufstellen wie für den Bereich der Emissionsprospekte. Als gesichert kann allenfalls gelten, dass eine derartige Anlagestimmung nicht unbegrenzt ist und dass die Wirkung von positiven Informationen mit zeitlichem Abstand zur Veröffentlichung abnimmt. Auch die durch eine positive Ad-hoc-Meldung verursachte Anlagestimmung endet jedenfalls dann, wenn im Laufe der Zeit andere Faktoren für die Einschätzung des Wertpapiers bestimmend werden, etwa eine wesentliche Änderung des Börsenindex, der Konjunktureinschätzung oder aber neue Unternehmensdaten, wie z.B. ein neuer Jahresabschluss, ein Halbjahres- oder Quartalsbericht oder aber eine neue Ad-hoc-Mitteilung (vgl. schon BGH v. 14.7.1998 - XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225 [234] = MDR 1998, 1234 = AG 1998, 520 für den Bereich der Börsenprospekte). Das reicht aber angesichts der vielfältigen kursbeeinflussenden Faktoren des Kapitalmarkts einerseits und der Uneinheitlichkeit der individuellen Willensentscheidungen der einzelnen Marktteilnehmer andererseits nicht aus, um für die Dauer solcher Anlagestimmungen als Folge von Ad-hoc-Mitteilungen eine "an der Typik auszurichtende, durch wissenschaftliches Experiment oder vielfache Beobachtung und ständige Erfahrung des täglichen Lebens bestätigte und darum besonders überzeugungskräftige Wahrscheinlichkeit" (vgl. Steffen in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 823 Rz. 512) - wie für einen Anscheinsbeweis erforderlich - anzunehmen. Bei der Beurteilung, wie lange eine Anlagestimmung etwa von einer Ad-hoc-Mitteilung ausgehen kann, verbietet sich danach jede schematische, an einen bestimmten, festen Zeitraum angelehnte Betrachtungsweise. Vielmehr obliegt dem Tatrichter die Feststellung der Kausalität im Einzelfall anhand der grundsätzlich vom Kläger vorzutragenden konkreten Umstände (vgl. im Übrigen BGH, Urt. v. 19.7.2004 - II ZR 218/03 der Parallelsache).
Fundstellen
NJW 2004, 2668 |
NZG 2004, 811 |
WM 2004, 1726 |
ZIP 2004, 1604 |
BKR 2004, 403 |
ZBB 2004, 415 |
BBV 2004, 39 |
JWO-VerbrR 2004, 241 |