Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährungsbeginn der Steuerberaterhaftung bei Nichteinlegung bzw. mangelhafter Begründung eines Rechtsbehelfs. Pflicht zur Prüfung der eigenen Tätigkeit bei Mandatsbeendigung. Hinweispflicht auf Sekundärhaftung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Steuerberater pflichtwidrig gegen einen Steuerbescheid keinen Rechtsbehelf eingelegt, so beginnt die Verjährung des Ersatzanspruchs mit Eintritt der Bestandskraft des Bescheids.

Hat der Steuerberater einen Einspruch nicht ordnungsgemäß begründet, so beginnt die Verjährung mit Bekanntgabe des Einspruchsbescheids.

2. Nach Beendigung des Mandats trifft den Steuerberater, sofern er nicht von seinem Mandanten – vor Eintritt der Primärverjährung – ein neues Mandat über denselben Gegenstand erhält, keine Pflicht, seine frühere Tätigkeit auf etwaige Fehler zu überprüfen und den Mandanten auf einen sich daraus etwa ergebenden Regreßanspruch und die dafür geltende Verjährungsfrist hinzuweisen.

3. Hat ein Steuerberater vor Vertragsende einen entsprechenden Anlaß, so muß er grundsätzlich im Rahmen der Abwicklung des Mandats die Art der Erledigung seines Auftrags auf ihre Ordnungsmäßigkeit überprüfen und den Mandanten auf einen etwaigen Regreßanspruch und dessen Verjährung hinweisen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die durch die Sekundärhaftung des Steuerberaters im Ergebnis um weitere drei Jahre verlängerte Verjährungsfrist beginnt nicht im Zeitpunkt der Beendigung des Mandats, sondern erst mit Ablauf der Primärverjährung; denn § 68 StBerG läßt anders als § 51 b BRAO die Verjährung nicht spätestens drei Jahre nach Beendigung des Auftrags enden.

 

Normenkette

StBerG § 68

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 22.02.1995; Aktenzeichen 3 U 287/93)

LG Hannover (Urteil vom 04.11.1993; Aktenzeichen 19 O 9/92)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 22. Februar 1995, dessen Versäumnisurteil vom 23. November 1994 und das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 4. November 1993 aufgehoben.

Die Klage wird hinsichtlich des Hauptantrags dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Zur Entscheidung über die Anspruchshöhe wird die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses hat auch über die Kosten der Rechtsmittelzüge zu entscheiden.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger wurden als zusammenveranlagte Eheleute seit 1985 vom Beklagten in ihren steuerlichen Angelegenheiten betreut. Der Kläger zu 1) (im folgenden: Kläger) war als Gesellschafter an der W. Z. OHG und der K. & Z. GmbH & Co. KG beteiligt. Mit dieser Gesellschaft hatte er schon vor Beginn des Vertragsverhältnisses mit dem Beklagten aus steuerlichen Gründen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, auf die er seinen OHG-Anteil im Innenverhältnis in Form einer Unterbeteiligung übertrug. Innerhalb der BGB-Gesellschaft „W. Z. und K. & Z. GmbH & Co. KG GbR”) wurde der auf den Kläger entfallende Gewinn aus der OHG zunächst zu 50 % und später zu 60 % der KG zugewiesen. Nachdem das Finanzamt H.-L. diese rechtliche Gestaltung für die Jahre 1981 bis 1983 vorläufig anerkannt hatte, erließ es nach einer Außenprüfung am 16. November 1987 einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte des Klägers aus der OHG, in dem diesem der jeweils auf ihn entfallende Gewinnanteil ohne Abzug von Sonderbetriebsausgaben im Hinblick auf die Unterbeteiligung der KG zugerechnet wurde. Am selben Tage erließ das Finanzamt einen weiteren Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der zwischen dem Kläger und der KG bestehenden BGB-Gesellschaft; darin wurde der jeweilige Gewinn des Klägers aus der OHG diesem zu 100 % und der KG zu 0 % zugewiesen. In den auf dieser Grundlage vom Finanzamt H.-N. für die Jahre 1981 bis 1983 erlassenen Einkommensteuerbescheiden vom 26. Januar 1988 wurde bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb dessen OHG-Gewinnanteil aus beiden Feststellungsbescheiden übernommen und damit doppelt angesetzt. Die hiergegen eingelegten Einsprüche, die der Beklagte nicht begründete, wies das Finanzamt am 16. Juni 1988 zurück. Die Klage, die ein anderer, nunmehr von den Klägern beauftragter Steuerberater beim Niedersächsischen Finanzgericht erhob, nahmen die Kläger aufgrund des Ergebnisses der dort am 6. Juni 1991 durchgeführten mündlichen Verhandlung zurück.

Die Kläger nehmen den Beklagten mit einem Haupt- und drei Hilfsanträgen auf Schadensersatz wegen der zu hoch festgesetzten Steuern in Anspruch. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger den Klageanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision ist die Klage hinsichtlich des auf Zahlung an die Kläger gerichteten Hauptantrags dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären und die Sache zur Entscheidung über die Anspruchshöhe an das Landgericht zurückzuverweisen.

I.

Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß der Beklagte seine Pflichten aus dem Steuerberatervertrag mit den Klägern verletzt hat.

Nach den Behauptungen der Kläger hat das Betriebsfinanzamt beide Gewinnfeststellungsbescheide – für die OHG und für die BGB-Gesellschaft – dem Beklagten durch Aufgabe zur Post zugestellt, und dieser hat danach gegen keinen der Bescheide für die Kläger Einspruch eingelegt. Der Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, ihm sei nur der die OHG betreffende Bescheid zugegangen und gegen diesen habe er auch rechtzeitig Einspruch eingelegt; für die BGB-Gesellschaft habe er dagegen gar kein Mandat gehabt. Das Berufungsgericht hat hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen.

1. Für die Revisionsinstanz ist zunächst von der Darstellung der Kläger auszugehen. Das Berufungsgericht hat für den Fall, daß diese zutrifft, gemeint, der Beklagte hätte, um der Gefahr der doppelten Zurechnung des Gewinnanteils vorzubeugen, beide Feststellungsbescheide angreifen müssen. Das trifft für den die OHG betreffenden Bescheid nicht zu. Dieser Bescheid war, da die Verlagerung eines Teils des Gewinns des Klägers auf die KG steuerlich unwirksam war – davon gehen die Parteien übereinstimmend als der Rechtslage entsprechend aus –, rechtlich nicht zu beanstanden. Wenn der Gewinnanteil in steuerlicher Hinsicht nicht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern in vollem Umfang dem Kläger zuzurechnen war, dann kam ein Abzug von Sonderbetriebsausgaben nicht in Betracht. Auf dieser Grundlage hätte vielmehr eine gesonderte Gewinnfeststellung für die BGB-Gesellschaft unterbleiben müssen. Stand dieser steuerlich kein Anteil am Gewinn des Klägers zu, dann gab es insoweit nichts einheitlich festzustellen und zu verteilen. Der Beklagte hätte deshalb – darin hat das Berufungsgericht jedenfalls recht – den für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts erlassenen Feststellungsbescheid durch Rechtsmitteleinlegung angreifen müssen. Das war wegen der grundsätzlichen Bindungswirkung des Grundlagenbescheids für das Veranlagungsverfahren (§ 182 Abs. 1 AO) erforderlich. Möglicherweise bestand zwar eine solche Bindungswirkung hier in Wirklichkeit nicht, weil bei vernünftiger Auslegung der beiden Feststellungsbescheide vielleicht auch das Wohnsitzfinanzamt hätte erkennen können, daß es sich um jeweils denselben Gewinnanteil des Klägers handelte. Darauf kommt es indessen nicht an. Schon das Vorhandensein zweier grundsätzlich mit Bindungswirkung versehener Grundlagenbescheide barg eine so große Gefahr doppelter Zurechnung der darin festgestellten Einkünfte, daß der Beklagte gegen den unzutreffenden Bescheid hinsichtlich der Einkünfte der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hätte vorgehen müssen.

2. Der Beklagte hat, wie das Berufungsgericht im Ergebnis richtig gesehen hat, auch unabhängig davon, ob ihm der die BGB-Gesellschaft betreffende Feststellungsbescheid zugegangen ist, seine Pflichten als Steuerberater den Klägern gegenüber verletzt. Als ihm die Einkommensteuerbescheide vom 26. Januar 1986 zugingen, mußte er diese auf ihre Richtigkeit überprüfen. Tatsächlich hat er sich mit ihnen befaßt, denn er hat gegen die Bescheide für die Kläger Einspruch eingelegt, ohne diesen indessen zu begründen. Der Beklagte hat dazu vorgetragen, mit dem Einspruch habe die Anerkennung des Verlustes aus dem inzwischen eingetretenen Konkurs über das Vermögen der KG erreicht werden sollen; den doppelten Ansatz des Gewinnanteils des Klägers aus der OHG habe er nicht bemerkt, weil er den Feststellungsbescheid für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht gekannt habe. Auch wenn man von letzterem ausgeht – die Kläger haben sich den Vortrag des Beklagten in diesem Punkt hilfsweise zu eigen gemacht –, hat sich der Beklagte damit pflichtwidrig verhalten. Er war seit 1985 allgemein mit der Bearbeitung der Einkommensteuererklärungen der Kläger beauftragt. Dazu gehörte es, bei Erlaß eines Einkommensteuerbescheids das darin enthaltene Ergebnis mit der betreffenden Einkommensteuererklärung zu vergleichen. Es ist zwar nicht vorgetragen, ob der Beklagte bereits die Steuererklärungen für die Jahre 1981 bis 1983, um die es hier ging, selbst erarbeitet hatte. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, so hätte er sich doch die Durchschriften der Erklärungen von den Klägern geben lassen müssen, damit er den erwähnten Vergleich vornehmen konnte. Hätte er dies getan, dann hätte ihm ohne weiteres auffallen müssen, daß die veranlagten Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit den in den Erklärungen enthaltenen Zahlen nicht übereinstimmten. Diesen Differenzen hätte er nachgehen müssen; notfalls hätte er das Finanzamt um Erläuterung bitten können. Dabei wäre er auf den ihm angeblich nicht zugegangenen Feststellungsbescheid betreffend die BGB-Gesellschaft und die doppelte Anrechnung des OHG-Gewinnanteils gestoßen. Auf sie hätte er zur Begründung des Einspruchs hinweisen müssen. Außerdem hätte er auch, wenn er, wie er weiter behauptet hat, für die BGB-Gesellschaft kein Mandat gehabt haben sollte, im Rahmen seines Auftrags für das Einkommensteuerverfahren und der insoweit eingelegten Rechtsmittel die Kläger darauf aufmerksam machen müssen, daß es zumindest ratsam sei, gegen jenen Feststellungsbescheid vorzugehen. Dieser war, wie sich den das Feststellungsverfahren für die BGB-Gesellschaft betreffenden Akten entnehmen läßt, am 19. November 1987 an den Beklagten als Empfangsbevollmächtigten der Kläger abgeschickt worden. Ein durch Aufgabe zur Post abgesandter Bescheid gilt zwar nach § 122 Abs. 2 AO mit Ablauf von drei Tagen als zugegangen. Diese gesetzliche Vermutung ist jedoch widerlegbar, wobei letztlich verbleibende Zweifel zu Lasten des Finanzamts gehen (vgl. Klein/Orlopp, AO 5. Aufl. § 122 Anm. 4 c).

II.

Die aus den Pflichtverletzungen des Beklagten sich ergebenden Ansprüche der Kläger sind entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht verjährt.

1. Allerdings sind die Ansprüche nach § 68 StBerG verjährt, wenn man zunächst die Pflicht des Beklagten außer Betracht läßt, seine Mandanten auf die von ihm begangenen Fehler, etwaige darauf beruhende Schadensersatzansprüche und die dafür laufende Verjährungsfrist hinzuweisen.

a) Hat der Beklagte, wie auf der Grundlage des tatrichterlich nicht geprüften Hauptvorbringens der Kläger anzunehmen ist, seine Pflichten bereits dadurch verletzt, daß er gegen den die Gesellschaft bürgerlichen Rechts betreffenden Feststellungsbescheid keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, so trat, wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend angenommen hat, der Schaden, der den Anspruch der Kläger im Sinne des § 68 StBerG entstehen ließ, mit der Bestandskraft jenes Bescheides ein, falls dieser gemäß § 182 Abs. 1 AO für das Verfahren zur Einkommensteuerveranlagung bindend war. Zwar beginnt die Verjährung für einen Anspruch gegen einen Steuerberater, der steuerliche Nachteile seines Mandanten verschuldet hat, regelmäßig nicht erst mit der Bestandskraft, sondern bereits mit Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheids (BGHZ 129, 386, 389 f; vgl. auch BGHZ 119, 69, 72 f). Das kann aber nicht gelten, wenn das pflichtwidrige Verhalten des Steuerberaters erst nach Erlaß des Steuerbescheids einsetzt. Besteht, wie im vorliegenden Fall, die Pflichtwidrigkeit darin, daß der gebotene Rechtsbehelf gegen den Bescheid nicht eingelegt wird, so entsteht der Schaden in dem Augenblick, in dem der Steuerpflichtige von sich aus nicht mehr durch einen Rechtsbehelf die Abänderung des Steuerbescheids erwirken kann; die eng begrenzten Abänderungsmöglichkeiten nach § 173 AO reichen nicht aus, den Eintritt des Schadens erst für den Zeitpunkt anzunehmen, von dem an auch sie nicht mehr bestehen (BGHZ 114, 150, 153 ff). Die Verjährung begann danach spätestens Ende Dezember 1987 zu laufen.

Sollte, was hier nicht zu entscheiden ist, im vorliegenden Fall wegen der Doppelzuweisung derselben Einkünfte in zwei Grundlagenbescheiden derjenige für die BGB-Gesellschaft ausnahmsweise nicht bindend gewesen sein, dann wäre der Schaden erst entstanden, als sich das festgestellte Ergebnis in einem im Einkommensteuerveranlagungsverfahren ergangenen ungünstigen Bescheid niederschlug. Denn dann wandelte sich das bloße Risiko der Entstehung eines Schadens nicht schon mit Eintritt der Bestandskraft des Feststellungsbescheids, sondern erst mit Erlaß des die Einkommensteuer festsetzenden Bescheids in eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage um. Die geänderten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1981 bis 1983 vom 26. Januar 1988 sind dem Beklagten offenbar am 27. Januar 1988 zugegangen; denn er hat dagegen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits an diesem Tag Einspruch eingelegt. Auf die Bestandskraft dieser Bescheide kommt es für den Verjährungsbeginn nicht an (vgl. BGHZ 129, 386, 389 f).

Ein durch die Unterlassung der Rechtsmitteleinlegung ausgelöster Schadensersatzanspruch war danach unbeschadet einer Sekundärhaftung des Beklagten (vgl. dazu unten 2) spätestens Ende Januar 1991 verjährt. Die Klage ist erst am 9. Januar 1992 eingereicht worden.

b) Ist, wie die Kläger hilfsweise unter Übernahme des diesbezüglichen Vorbringens des Beklagten vorgetragen haben, der Feststellungsbescheid für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts weder dem Beklagten noch den Klägern selbst wirksam zugestellt worden, dann lag, wie oben (I 2) ausgeführt worden ist, die Pflichtverletzung des Beklagten – erst – darin, daß er die Einkommensteuerbescheide vom 26. Januar 1988 nicht mit der gehörigen Sorgfalt auf ihre Richtigkeit überprüft, die doppelte Zurechnung der Einkünfte nicht gerügt und die Kläger nicht veranlaßt hat, gegen den – bei dieser Fallgestaltung bis zum Erlaß des Einspruchsbescheids vom 16. Juni 1988 nicht bestandskräftig gewordenen – Feststellungsbescheid Einspruch einzulegen. Begeht der Steuerberater im Einspruchsverfahren einen Fehler, dann kann es für den Schadenseintritt und damit den Verjährungsbeginn wiederum nicht auf den Zeitpunkt des früheren Erlasses des Einkommensteuerbescheids oder sogar, wie das Berufungsgericht gemeint hat, des diesem zugrunde liegenden Grundlagenbescheids ankommen; denn ein Schadensersatzanspruch kann nicht entstehen, bevor die den Schaden auslösende Vertragsverletzung begangen worden ist. Maßgeblich ist vielmehr auch in einem solchen Fall die Bekanntgabe des Bescheids der Finanzbehörde, in dem sich der vom Steuerberater begangene Fehler niederschlägt; das ist der das Rechtsbehelfsverfahren abschließende Einspruchsbescheid. Er gibt dem Mandanten – wie schon der vorangegangene Steuerbescheid – Anlaß zur Prüfung, ob der Steuernachteil auf einem Beratungsfehler seines Steuerberaters beruht. Mit ihm ist eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten; ob der Schaden bestehen bleibt, ist für den Verjährungsbeginn ohne Bedeutung (BGHZ 119, 69, 70 f). Den Verjährungsbeginn bis zum Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheids und ggf. bis zur Beendigung eines sich an das Steuerfestsetzungsverfahren anschließenden Finanzgerichtsrechtsstreits hinauszuschieben wäre mit Sinn und Zweck des § 68 StBerG nicht zu vereinbaren (BGHZ 129, 386, 390). Inwieweit an der Ansicht festzuhalten ist, ein durch ein fehlerhaftes Prozeßverhalten eines Rechtsanwalts verursachter Schaden sei nicht entstanden, solange nicht auszuschließen sei, daß eine dem Mandanten nachteilige gerichtliche Entscheidung in einem weiteren Rechtszug geändert werde (Senatsurt. v. 9. Juli 1992 – IX ZR 50/91, WM 1992, 2023, 2025), ist hier nicht zu entscheiden.

Ein auf die im Einspruchsverfahren begangenen Fehler des Beklagten gestützter Schadensersatzanspruch verjährte danach drei Jahre nach Bekanntgabe des Einspruchsbescheids vom 16. Juni 1988, also spätestens Ende Juni 1991.

2. Indessen kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf die Verjährung des (Primär-) Anspruchs berufen, weil er, wozu er verpflichtet gewesen wäre, die Kläger nicht auf die Möglichkeit einer eigenen Regreßhaftung und die dafür geltende kurze Verjährungsfrist hingewiesen und deshalb die Kläger so zu stellen hat, als wäre die Verjährung des Regreßanspruchs nicht eingetreten (BGHZ 94, 380, 385; 129, 386, 391).

a) Hat der Beklagte, wie auf der Grundlage des Hauptvorbringens der Kläger anzunehmen ist, seine Pflicht verletzt, gegen den Feststellungsbescheid für die BGB-Gesellschaft Einspruch einzulegen, so hätte ihm dies bei der gebotenen Prüfung nach Bekanntgabe der Einkommensteuerbescheide Ende Januar 1988 auffallen müssen. Über einen aus seinem Unterlassen sich etwa ergebenden Schadensersatzanspruch gegen sich selbst einschließlich der dafür geltenden Verjährungsfrist mußte er die Kläger aufklären.

b) Sollte der Beklagte entsprechend dem Hilfsvortrag der Kläger jenen Feststellungsbescheid nicht erhalten haben, dann lag der Fehler erst in seinem Verhalten im Einspruchsverfahren. Dieses Verhalten zu überprüfen bestand Anlaß, als ihm der Einspruchsbescheid vom 16. Juni 1988 zuging. Die Verpflichtung zu einer solchen Überprüfung entfiel nicht deswegen, weil bereits mit Schreiben vom 23. Juni 1988 der Kläger dem Beklagten das Mandat kündigte. Die Kündigung ist zwar „mit sofortiger Wirkung” – über den Zugang des Schreibens ist nichts festgestellt – erklärt worden. Die Parteien haben aber übereinstimmend vorgetragen, daß nur für die ab 1. Juli 1988 neu anfallenden laufenden Tätigkeiten das Mandat auf den neuen Steuerberater habe übergehen sollen; das sei auch der Grund dafür gewesen, daß der Beklagte noch im Januar 1989 die Bilanz auf den 30. Juni 1988 aufgestellt habe. Der Beklagte hat dies schon in einem auf die Kündigung hin an den Kläger gerichteten Schreiben vom 28. Juni 1988 so gesehen. Dort heißt es u.a.:

„Ich bitte Sie, daran zu denken, daß gegen den Einspruchbescheid vom 16.06.1988 ggf. Klage einzulegen ist. Der Bescheid wurde am 20.06.1988 zugestellt.

Es wäre vielleicht sinnvoll, wenn mich Herr J. in der Angelegenheit anruft, damit ich ihn über den derzeitigen Stand im Rahmen Ihrer Einkommensteuer unterrichten kann.”

Wenn der Beklagte auch nicht mit der Klageerhebung beim Finanzgericht beauftragt wurde, so blieb er doch zunächst für die Überprüfung des Einspruchsbescheids zuständig. Freilich hätte er sich der Erfüllung dieser Aufgabe bei Fortführung des Mandats nicht bereits in den ersten Tagen nach Zugang des Bescheids zu unterziehen brauchen; er hätte dies vielmehr mit der innerhalb der Klagefrist erforderlichen Beurteilung der Erfolgsaussichten einer solchen Klage verbinden können. Auch genügt es zur Erfüllung des Sekundäranspruchs, daß der Mandant auf diesen rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung des Primäranspruchs hingewiesen wird (Senatsurt. v. 14. November 1991 – IX ZR 31/91, WM 1992, 579, 581); diese hatte hier gerade erst ein paar Tage vorher zu laufen begonnen. Es muß aber berücksichtigt werden, daß infolge der Kündigung das Mandat des Beklagten – ungeachtet der bestehenbleibenden Pflicht zum Abschluß der die Vergangenheit betreffenden Vorgänge – auslief. Der Berater ist zwar nicht verpflichtet, anläßlich der Beendigung des Vertrages seine gesamte Tätigkeit auf etwaige Fehler zu untersuchen (Senatsurt. v. 1. Februar 1990 – IX ZR 82/89, WM 1990, 815, 817). Es besteht auch, sofern nicht der Steuerberater vom selben Mandanten – vor Eintritt der Primärverjährung – später ein neues Mandat über denselben Gegenstand erhält, keine nachvertragliche Prüfungs- und Hinweispflicht (vgl. für den Rechtsanwalt BGH, Urt. v. 10. Oktober 1978 – VI ZR 115/77, NJW 1979, 264 und v. 29. November 1983 – VI ZR 3/82, MDR 1984, 477; Zugehör NJW Beilage zu Heft 21/1995 S. 17). Tritt aber noch vor Vertragsende ein akuter Anlaß ein, die Art der Erledigung des Auftrags in einem bestimmten Punkt auf ihre Ordnungsmäßigkeit zu überprüfen, so hat der Berater dies im Rahmen der Abwicklung des Mandats zu tun und den Mandanten bei dieser Gelegenheit auf Fehler, die ihm dabei auffallen müssen, hinzuweisen. Diese aufgrund des Auftragsverhältnisses entstandene Pflicht wird durch den späteren Wegfall des Mandats nicht berührt. Im Streitfall war nur der Beklagte in der Lage, die Zusammenhänge zwischen den Einkommensteuer- und den diesen zugrunde gelegten Feststellungsbescheiden ohne große zusätzliche Mühe aufzuklären. Wie die spätere Entwicklung gezeigt hat, sind den Klägern selbst wie auch dem neuen Steuerberater die Zusammenhänge erst im Jahre 1991 aufgrund von Ermittlungen und Hinweisen des Finanzgerichts klar geworden.

Für die ab 1. Juli 1988 anfallende laufende steuerliche Betreuung hatten die Kläger einen anderen Steuerberater beauftragt. Dies allein macht indessen die Berufung des Beklagten auf den Eintritt der (Primär-) Verjährung nicht zulässig. Denn es ist nicht festgestellt oder auch nur vorgetragen, daß der neue Steuerberater die Kläger über die Möglichkeit eines Ersatzanspruchs gegen den Beklagten und die Verjährung eines solchen Anspruchs belehrt hat. Der Beklagte durfte auch nicht davon ausgehen, daß der neue Steuerberater die Bearbeitung der steuerlichen Angelegenheiten der Kläger durch den Beklagten auf etwaige von diesem begangene Fehler überprüfen werde (vgl. BGH 129, 386, 393 f).

c) Die durch die Sekundärhaftung des Beklagten im Ergebnis um weitere drei Jahre verlängerte Verjährungsfrist begann nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, im Zeitpunkt der Beendigung des Mandats, sondern erst mit Ablauf der Primärverjährung; denn § 68 StBerG läßt anders als § 51 b BRAO die Verjährung nicht spätestens drei Jahre nach Beendigung des Auftrags enden (BGHZ 129, 386, 395). Da die Primärverjährung frühestens Ende Januar 1991 eintrat (siehe oben II 1 a, b), war der Sekundäranspruch bei Klageeinreichung am 9. Januar 1992 noch nicht verjährt.

III.

Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist insoweit entscheidungsreif, als die Klage entsprechend dem Hauptantrag dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Die Kläger haben zwar nach ihrem Vorbringen die Steuern, deren Erstattung sie vom Beklagten verlangen, bisher nicht gezahlt. Sie hatten deshalb zunächst nur einen Freistellungsanspruch (BGHZ 57, 78, 81). Da jedoch der Beklagte die Schadensersatzleistung endgültig verweigert hat, können die Kläger entsprechend § 250 Satz 2 BGB die Zahlung der Geldsumme an sich selbst beanspruchen (vgl. BGH, Urt. v. 29. April 1992 – VIII ZR 77/91, NJW 1992, 2221, 2222).

Hinsichtlich der Höhe des Klageanspruchs bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen; der Beklagte hat die Richtigkeit der Schadensberechnung der Kläger bestritten. Die Sache ist daher insoweit gemäß §§ 565 Abs. 3, 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Urt. v. 12. Januar 1994 – XII ZR 167/92, NJW-RR 1994, 379, 381 m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2016036

BB 1996, 1859

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