Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Sozietät eines Steuerbevollmächtigten mit einem Rechtsbeistand oder Prozeßagenten
Leitsatz (amtlich)
Der Steuerbevollmächtigte darf nicht eine Sozietät mit einem Rechtsbeistand oder Prozeßagenten eingehen.
Normenkette
StBerG § 5
Tatbestand
I. Der Beschwerdeführer, ein Steuerbevollmächtigter, ging zum 1. März 1975 eine Sozietät mit dem Prozeßagenten und Rechtsbeistand Sch. ein, die sich nur auf die geschäftliche Hilfeleistung und Beratung in Steuersachen bezieht. Sch. ist nach § 11 StBerG idF vom 4. November 1975 (BGBl I 2735) zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. Der Beschwerdeführer setzte die Sozietät fort, nachdem die Steuerberaterkammer H. unter Berufung auf Nr. 25 der damaligen Standesrichtlinien für die Steuerbevollmächtigten ihn aufgefordert hatte, die Sozietät aufzulösen. Die Kammer für Steuerberatersachen und Steuerbevollmächtigtensachen beim Landgericht in Hamburg hat darin eine Berufspflichtverletzung gesehen und ihm durch Urteil vom 19. November 1976 eine Warnung ausgesprochen. Seine dagegen eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht durch Urteil vom 25. Oktober 1977 verworfen. Es hat die Revision zugelassen. Mit der Revision macht der Beschwerdeführer Verletzung sachlichen Rechts geltend.
Entscheidungsgründe
II. Das Rechtsmittel ist nach § 129 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 130 StBerG nF zulässig. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der erkennende Senat an die Zulassung der Revision durch das Oberlandesgericht gebunden ist (vgl für die entsprechende Bestimmung des § 145 BRAO BGH, Urt. vom 25. September 1961 – AnwSt (R) 2/61 = EGE VI 139, 140). Denn die hier zu entscheidende Frage ist von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 129 Abs. 2 StBerG. Im Unterschied zu dem Fall R. (StbStB 1/78) handelt es sich hier um die Zulässigkeit einer Sozietät von Angehörigen rechtsberatender Berufe im weiteren Sinne. Dem Rechtsmittel bleibt jedoch der Erfolg versagt.
III. Der Beschwerdeführer hat dadurch, daß er trotz der Aufforderung der Berufskammer die Sozietät fortsetzte, schuldhaft gegen seine Berufspflichten verstoßen. Ein Steuerbevollmächtigter hat seinen Beruf unabhängig, eigenverantwortlich und gewissenhaft auszuüben und sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit seinem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist (§ 57 Abs. 1, 2 StBerG). Dieser Verpflichtung hat der Beschwerdeführer zuwidergehandelt. Ob ein Steuerbevollmächtigter sich mit einem Rechtsbeistand und Prozeßagenten zu gemeinsamer Ausübung der Hilfeleistung und Beratung in Steuersachen verbinden darf, hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden. Nach Ansicht des Senats ist diese Verbindung nicht zulässig. Dafür, was unter die Generalklausel des § 57 StBerG fällt, bilden die am 24./25. Januar 1977 von der Bundeskammerversammlung der Bundessteuerberaterkammer gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 StBerG festgestellten Richtlinien für die Berufsausübung der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten eine wichtige Erkenntnisquelle (vgl. BGHSt 18, 77/78; 27, 390 m. w. Nachw.; BGHZ 49, 244, 249; BVerfGE 21, 212, 217; 36, 212, 217f). Nr. 30 Abs. 1 dieser Richtlinien besagt, daß Steuerbevollmächtigte sich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in Sozietäten oder in Bürogemeinschaften nur mit Angehörigen der steuerberatenden, wirtschaftsprüfenden oder rechtsberatenden Berufe zusammenschließen können, die einer Berufskammer angehören. Da Rechtsbeistände und Prozeßagenten, die Angehörige desselben Berufs sind (BVerfGE 10, 185 = NJW 1960, 139; Schorn, Das Rechtsberatungsgesetz, 2. Aufl. S 176; Altenhoff/Busch/Kampmann, Rechtsberatungsgesetz, 4. Aufl. Rdn. 74), nicht in einer Berufskammer zusammengeschlossen sind, wird in den Richtlinien damit die Zulässigkeit einer Sozietät zwischen diesen und einem Steuerbevollmächtigten verneint. Dieses nach Meinung angesehener und erfahrener Standesgenossen bestehende Sozietätsverbot widerspricht nicht dem Grundgesetz und dient dem Sinn und Zweck der standesrechtlichen Regelung des Steuerberatungsgesetzes. Gegen ein Sozietätsverbot als Bestandteil der Berufsausübungsregelung bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Bedenken, wenn es aus vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls dem Gesetzgeber zweckmäßig erscheint und in Ausmaß und Auswirkung zumutbar ist (BVerfGE 21, 227, 232 = NJW 1967, 1315 und ständige Rechtsprechung des BGH, zuletzt BGHSt 27, 390). Die Voraussetzungen für ein Sozietätsverbot zwischen Steuerbevollmächtigten und Rechtsbeistand liegen vor. Beide Berufe dienen zwar der Rechtsberatung auf bestimmten Teilgebieten. Sie unterscheiden sich jedoch erheblich voneinander. Deshalb hat der Gesetzgeber sie und ihre Ausübung sehr verschieden geregelt. Schon in der Ausübung ihrer Tätigkeit weichen sie in der Regel voneinander ab. Während die Steuerbevollmächtigten grundsätzlich Hilfe in den in § 1 StBerG genannten Steuersachen leisten können und diese Tätigkeit den wesentlichen Teil ihrer Aufgaben ausmacht, sind die Rechtsbeistände der Prozeßagenten nicht dazu befugt (§ 4 StBerG, § 4 RBerG). Nur diejenigen Prozeßagenten, denen schon vor dem Inkrafttreten des neuen Steuerberatungsgesetzes das mündliche Verhandeln vor Gericht auf Grund des § 157 Abs. 3 ZPO gestattet worden war (§ 107a Abs. 2 Nr. 2 AO a.F.), dürfen weiterhin geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten (§ 11 StBerG nF). Diese vorübergehende Regelung macht die betreffenden Prozeßagenten aber nicht zu Steuerbevollmächtigten, die unbeschränkt Hilfe in Steuersachen leisten dürfen (§ 3 StBerG nF), sondern berechtigt sie nur zur beschränkten Hilfeleistung im Sinne des § 4 StBerG (vgl. Mittelsteiner/Gehre, Handbuch der Steuerberatung Anm. zu § 11). Auch der Zugang zu den Berufen und ihre Organisation sind verschieden geregelt. Für die Zulassung als Prozeßagent oder Rechtsbeistand ist keine bestimmte Ausbildung vorgeschrieben. Der Landgerichtspräsident oder Amtsgerichtspräsident (vgl § 11 VO zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes vom 13. Dezember 1935 – RGBl I 1481 –; Nr 5 der Hamburger AO über die Zulässigkeit von Prozeßagenten vom 12. September 1963 – Amtl Anzeiger S. 1011) darf als Prozeßagent eine Person zulassen, die Zuverlässigkeit, persönliche Eignung und genügende Sachkunde besitzt (§§ 6 – 8 der VO vom 13. Dezember 1935). Rechtsbeistände und Prozeßagenten unterliegen der Aufsicht des Amtsgerichtspräsidenten oder Landgerichtspräsidenten (§ 3 der Zweiten AVO zum RBerG vom 3. April 1936 – RGBl I 359), der auch die Erlaubnis widerrufen kann (§ 14 der AVO vom 13. Dezember 1935). Rechtsbeistand und Prozeßagent üben ein Gewerbe aus und der Prozeßagent muß die gewerberechtliche Befugnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten besitzen (BVerfGE 10, 185 = NJW 1960, 139). Die Zulassung als Rechtsbeistand, deren Zurücknahme oder Widerruf können durch die Verwaltungsgerichte überprüft werden (BVerwGE 7, 349 = NJW 1959, 547; BVerwG NJW 1955, 1532; Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz § 1 Rdn. 5.6; Altenhoff/Busch/Kampmann, a.a.O. Rdn. 233). Für die Zulassung als Prozeßagent nach § 157 Abs. 3 ZPO ist der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten nach § 23 EGGVG gegeben (BGHZ 46, 357 = NJW 1967, 927; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 36. Auflage § 23 EGGVG Anm. 1 B; Gummer in Zöller, ZPO, 11. Auflage § 23 EGGVG Anm. 1b) bb)). Eine Standesorganisation der Angehörigen dieses Berufs ist nicht vorgeschrieben oder vorgesehen. Deshalb fehlt es auch an einer Aufsicht durch eine Berufskammer. Demgegenüber ist für die Bestellung des Steuerbevollmächtigten die Oberfinanzdirektion zuständig (§ 156 Abs. 4 i.V.m. § 40 StBerG nF). Für alle die Zulassung, ihre Rücknahme und den Widerruf betreffenden Entscheidungen ist der Rechtsweg vor den Finanzgerichten gegeben (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 Finanzgerichtsordnung idF des Gesetzes vom 24. Juni 1975 – BGBl I 1509; für die frühere Regelung vgl BGHSt 19, 334, 335). Jeder Steuerbevollmächtigte gehört einer Berufskammer an (§ 73 StBerG nF), welche die Erfüllung der beruflichen Pflichten zu überwachen hat (§ 76 StBerG nF). Gerade diese berufsständische Organisation der Steuerbevollmächtigten zeigt einen wesentlichen Unterschied zu den Rechtsbeiständen. Daß eine Aufsicht, die mit der Befugnis verbunden ist, Verfehlungen zu ahnden, ausschlaggebende Bedeutung für eine gerichtliche oder sonstige berufliche Tätigkeit vor Gericht haben kann, hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung BGHSt 26, 319 hervorgehoben. Danach kann ein Assessor, der nicht amtlich bestellter Vertreter eines Rechtsanwalts ist, nicht nach § 139 StPO als Verteidiger tätig sein, weil er keiner Dienststrafgewalt oder ehrengerichtlichen Kontrolle untersteht. Der Rechtsbeistand ist auch nach dem Gesetz auf sich allein gestellt und angewiesen. Der Steuerbevollmächtigte dagegen kann sich von der Berufskammer in Zweifelsfällen beraten lassen und sonst ihre Hilfe erbitten. Andererseits hat diese einzuschreiten, wenn der Steuerbevollmächtigte seine Pflichten verletzt. Der Steuerbevollmächtigte übt einen freien Beruf aus und seine Tätigkeit ist nicht, wie die Tätigkeit des Rechtsbeistandes, ein Gewerbe (§ 32 Abs. 2 StBerG nF). Unterscheidet sich nach alledem der Beruf des Steuerbevollmächtigten erheblich von dem des Rechtsbeistandes oder Prozeßagenten, so stehen verfassungsrechtliche Bedenken dem Verbot einer Sozietät zwischen Steuerbevollmächtigten und Rechtsbeistand nicht entgegen. Ein Steuerbevollmächtigter darf mithin nicht eine Sozietät mit einem Rechtsbeistand eingehen (im Ergebnis ebenso Bühring StBerG 1961 § 1 Anm. 7; Klöcker/Mittelsteiner/Gehre StBerG § 32 Anm. 6). Das gilt auch dann, wenn der Rechtsbeistand gemäß § 11 StBerG noch weiterhin zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist und er nur insoweit eine Sozietät mit dem Steuerbevollmächtigten eingehen will. Da der Rechtsbeistand bei seiner Tätigkeit in Steuersachen nicht Steuerbevollmächtigter ist, also auch nicht einer Berufskammer angehört und nicht deren Aufsicht unterliegt, würden in einer Sozietät mehrere Personen in Ausübung verschiedener Berufe mit nicht übereinstimmenden Befugnissen und voneinander abweichender Verantwortlichkeit gegenüber anderen Organen tätig sein. Das könnte zu mannigfaltigen Schwierigkeiten führen. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, ist das Rechtsverhältnis einer Sozietät von mehreren Rechtsanwälten jedenfalls nach außen entsprechend den Vorschriften über die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft (§ 705ff BGB) zu bestimmen (BGHZ 56, 355 m. w. Nachw. = NJW 1971, 1801). Was dort für die Sozietät von Rechtsanwälten gesagt ist, gilt grundsätzlich auch für die Sozietät von Steuerbevollmächtigten (ebenso Klöcker/Mittelsteiner/Gehre § 32 Anm. 4). Nimmt bei einer Sozietät einer der Sozien ein ihm angetragenes Mandat an, so handelt er dabei regelmäßig im Namen der Sozietät, dh er verpflichtet nicht nur sich, sondern nach § 714 BGB auch seine Sozien. Alle Mitglieder der Sozietät schulden dann dem Mandanten die Erfüllung der übernommenen Pflichten, unabhängig davon, wer das Mandat angenommen hat und wer die Sache bearbeitet. Der Hilfesuchende erstrebt dies oft gerade, weil das für ihn Vorteile bringt (vgl BGHZ 56, 360). Da aber Steuerbevollmächtigter und Rechtsbeistand, wie bereits dargelegt ist, nicht dieselben Befugnisse und Verantwortung haben, müßte eine Sozietät zwischen ihnen zwangsläufig Schwierigkeiten ergeben. Es könnte sein, daß der Rechtsbeistand das dem Steuerbevollmächtigten übertragene Mandat nicht oder nur zum Teil ausführen dürfte, obwohl der Mandant damit rechnet, daß im Falle der Verhinderung des Steuerbevollmächtigten der Rechtsbeistand ihm die erbetene Hilfe in Steuersachen leistet. Für den Fall, daß ein Sozius das Mandat fehlerhaft bearbeitet hat, müßte jeder Sozius für den Schaden haften (BGH aaO), obwohl die Berufsverhältnisse sonst sehr verschieden geregelt sind. Auch aus diesem Grunde bestehen große Bedenken gegen eine derartige Sozietät. Zu Recht hat das Oberlandesgericht bereits darauf hingewiesen, daß ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter, der durch die Eingehung einer Sozietät mit einem Prozeßagenten und Rechtsbeistand in der vorstehend beschriebenen Weise die Aufsicht seiner Berufskammer zumindest teilweise vereitelt, seinen Beruf nicht gewissenhaft ausübt, weil er die gesetzlich geregelte berufsständische Aufsicht unmöglich macht. Er gibt zu erkennen, daß er sich jedenfalls teilweise der nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz zulässigen Regelung der Berufsausübung nicht unterwerfen will. Er gefährdet damit die Interessen seiner Mandanten, die ihre Angelegenheiten einem in jeder Beziehung der berufsständischen Aufsicht unterliegenden Steuerbevollmächtigten anvertraut zu haben glauben, in Wirklichkeit aber den geringeren Schutz einer standesrechtlich nicht orientierten Aufsicht genießen. Gemäß § 57 StBerG ist nach alledem eine Sozietät zwischen Steuerbevollmächtigten und Rechtsbeistand nicht zulässig. Das Ergebnis wird nicht durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts NJW 1968, 906 (mit ablehnender Anmerkung von Kampmann) in Frage gestellt. Der dortige Fall betrifft eine andere Rechtsfrage. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hat der Beschwerdeführer schuldhaft gegen dieses Verbot verstoßen und demnach seine Standespflichten im Sinne des § 57 StBerG verletzt. Gegen ihn ist die geringstmögliche berufsgerichtliche Maßnahme, eine Warnung, ausgesprochen worden. Deshalb ist die Revision zu verwerfen.
Fundstellen