Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbeschränkte Haftung des nicht eingetragenen Kommanditisten. Gutglaubensschutz des Handelsregisters. Inanspruchnahme des Kommanditisten trotz Gesellschaftskonkurs. Haftungsbeschränkung bei Erwerb eines Kommanditanteils
Leitsatz (amtlich)
1. Unbeschränkt haftet auch derjenige im Handelsregister nicht eingetragene Kommanditist, der seinen Gesellschaftsanteil durch Abtretung erworben hat.
2. Die uneingeschränkte Haftung des nicht eingetragenen Kommanditisten einer GmbH & Co KG ist möglicherweise für Rechtsgeschäfte zu verneinen, die nach Inkrafttreten des HGB § 19 Abs 5 abgeschlossen worden sind.
Orientierungssatz
1. Nach HGB § 15 Abs 1 wird ein gutgläubiger Dritter gegen die Folgen nicht eingetragener Tatsachen auch dann geschützt, wenn die gebotene Voreintragung unterblieben war (Vergleiche BGH, 1965-06-24, III ZR 219/63, LM Nr 2 zu § 15 HGB; Festhaltung BGH, 1970-12-21, II ZR 258/67, BGHZ 55, 267).
2. Die Befugnis des Gesellschaftsgläubigers, einen Kommanditisten aus der unbeschränkten Haftung des HGB § 176 in Anspruch zu nehmen, wird durch die Konkurseröffnung über das Vermögen der KG nicht berührt.
3. Auch wer einen Kommanditanteil durch einfaches Verfügungsgeschäft von einem früheren Gesellschafter erwirbt, kann die Wirksamkeit seines Beitritts zur Gesellschaft von der aufschiebenden Bedingung abhängig machen, daß seine Eintragung im Handelsregister vollzogen ist.
4. Auch in einer Gesellschaft, die die Firma einer GmbH & Co KG führt, haftete jedenfalls bis zum 1980-12-31 der nicht im Handelsregister eingetragene Kommanditist grundsätzlich unbeschränkt.
Tenor
Auf die Sprungrevision der Klägerin wird das Urteil der Kammer 12 für Handelssachen des Landgerichts Hamburg vom 17. Mai 1982 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Hanseatische Oberlandesgericht zu Hamburg zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Inhaberin von sechs Wechseln, die die SB „m W”, S Groß- und Einzelhandel GmbH, G & Co. KG („Gesellschaft”) zwischen dem 25. Mai und dem 21. Juni 1976 akzeptiert hat. Die Klägerin hat gegen die Gesellschaft am 31. August 1976 ein Versäumnisurteil über die Wechselsummen erwirkt. Über das Vermögen der Gesellschaft ist am 13. September 1976 das Konkursverfahren eröffnet worden. Mit der am 29. Dezember 1981 bei Gericht eingegangenen Klage nimmt die Klägerin die Beklagten als frühere Gesellschafter gemäß § 176 Abs. 2 HGB auf Zahlung in Anspruch. Insoweit liegt dem Rechtsstreit folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beklagten waren ursprünglich über die I-Anstalt V als Treuhänderin an der Gesellschaft beteiligt. Die I-Anstalt war mit einer – voll eingezahlten – Einlage von 1,3 Mio DM als Kommanditistin im Handelsregister eingetragen. Sie trat ihre Beteiligung im September 1972 an die Beklagten als ihre Treugeber ab, blieb jedoch weiterhin im Handelsregister eingetragen. Die Beklagten, die sich nicht eintragen ließen, schlossen am 22./28. August 1975 mit Dr. A B einen Vertrag, durch den dieser die Kommanditanteile mit Wirkung ab 1. September 1975 als (neuer) Treuhänder übernahm. Dr. B wurde am 25. März 1976 als Kommanditist in das Handelsregister eingetragen.
Das Landgericht hat den Antrag der Klägerin die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 837.911,07 DM nebst Zinsen (einschließlich Mehrwertsteuern), Protestkosten und Provision zu verurteilen, abgewiesen. Mit der Sprungrevision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihren Klagantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht (§ 566 a Abs. 5 ZPO).
1. Die Befugnis des Gesellschaftsgläubigers, einen Kommanditisten aus der unbeschränkten Haftung des § 176 HGB in Anspruch zu nehmen, wird durch die Konkurseröffnung über das Vermögen der Kommanditgesellschaft nicht berührt (BGHZ 82, 209, 214).
2. Die Beklagten sind im September 1972, als ihre Treuhänderin die Kommanditanteile auf sie übertrug, im Sinne von § 176 Abs. 2 HGB in die Gesellschaft eingetreten. Sie haften für die danach „begründeten Verbindlichkeiten” der Gesellschaft, weil sie nicht als Kommanditisten eingetragen wurden, „gleich persönlich haftenden Gesellschaftern”, es sei denn, die Klägerin hätte – was sie jedoch in Abrede stellt – ihre nur kommanditistische Beteiligung gekannt.
Im Anschluß an Karsten Schmidt (ZHR Bd. 144 (1980) S. 192, 200 unter V; GmbH-RdSch 1981, 253, 258 unter V 4 a und NJW 1982, 486; ebenso Crezelius, BB 1983, 5, 12 unter IV 4 c) nimmt das Landgericht an, die Haftung aus § 176 Abs. 2 HGB setze den Abschluß eines Vertrages mit allen Gesellschaftern voraus, durch den jemand der Gesellschaft unter Begründung eines neuen Kommanditanteils beitrete. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Zwar war, als das Gesetz erlassen wurde, die Übertragbarkeit eines Gesellschaftsanteils im Wege der Einzelrechtsnachfolge rechtlich noch nicht anerkannt. Es herrschte die Ansicht vor, ein Gesellschafterwechsel könne sich nur durch isolierten Austritt des alten und gleichzeitigen, aber rechtlich nicht damit zusammenhängenden Eintritt des neuen Gesellschafters – beides durch Vertrag mit sämtlichen übrigen Gesellschaftern – vollziehen (vgl. Donner, DNotZ 1943, 288, 289 unter a). Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, § 176 Abs. 2 HGB gelte nur für diesen Fall, nicht dagegen, wenn die Mitgliedschaft in der handelsrechtlichen Personengesellschaft, wie heute allgemein als rechtlich möglich anerkannt ist, durch einfaches Verfügungsgeschäft von einem Gesellschafter auf einen neuen übertragen wird. Sinn und Zweck der Vorschrift trifft beide Fälle und läßt keine Unterscheidung zu. Sie soll die beschränkte Haftung generell von einer entsprechenden Eintragung im Handelsregister abhängig machen, damit den Rechtsverkehr vor nicht öffentlich bekannt gemachten Haftungsbeschränkungen schützen und Klarheit über die Höhe der einzelnen Beteiligungen und des gesamten Kommanditkapitals einer Gesellschaft herbeiführen (BGH Urt. v. 18.6.1979 – II ZR 194/77 = LM HGB § 176 Nr. 7; BGHZ 82, 209, 213). Dieser Gesetzeszweck wird nur erreicht, wenn die unbeschränkte Haftung zu Lasten nicht eingetragener Gesellschafter an die bloße Tatsache ihrer Zugehörigkeit zu der Handelsgesellschaft anknüpft, ohne zu unterscheiden, auf welche Weise diese Mitgliedschaft – durch Mitgründung der Gesellschaft, späteren gesellschaftsvertraglichen Beitritt, Verfügungsgeschäft oder Erbfolge – zustandegekommen ist (BGHZ 66, 98, 101). Für eine gegenteilige Ansicht läßt sich nicht anführen, daß dann der Kommanditist, der seinen Gesellschaftsanteil durch Verfügungsgeschäft erwerbe, der Haftung des § 176 Abs. 2 HGB niemals entgehen könne. Das ist zwar bei dem Erben eines Gesellschafters so, der seine Eintragung unmöglich sofort im Zeitpunkt des Erbfalles herbeiführen kann und für den deshalb eine „Schonfrist” unentbehrlich erscheint, bevor bei ihm die fehlende Eintragung zur unbeschränkten Haftung führt (BGHZ 66, 98, 100; vgl. auch BGHZ 55, 267, 273). In allen anderen Fällen – auch bei der rechtsgeschäftlichen Verfügung über den Anteil – haben es aber die Kommanditisten in der Hand, diese Haftung auszuschließen; denn sie können die Wirksamkeit ihres Beitritts zur Gesellschaft von der aufschiebenden Bedingung abhängig machen, daß ihre Eintragung im Handelsregister vollzogen ist (BGHZ 82, 209, 212). Mit Rücksicht darauf spielt es hier keine Rolle, daß, wie der Senat in BGHZ 78, 114, 117 erwogen hat, die Regelung des § 176 HGB „vielfach als überzogen streng” empfunden wird.
3. Legt man den Gesellschaftsvertrag dahin aus, daß die Beklagten ihre Kommanditanteile ohne Zustimmung der Mitgesellschafter auch wieder auf einen neuen Treuhänder übertragen konnten – dafür spricht nach § 3 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages viel –, dann sind sie allerdings zum 1. September 1975 aus der Gesellschaft ausgeschieden, während diese die Wechsel erst im Mai/Juni 1976 akzeptiert hat. Die Beklagten können sich auf ihr Ausscheiden gegenüber der Klägerin jedoch nicht berufen; denn zu deren Gunsten greift § 15 Abs. 1 HGB ein. Danach kann eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache – hier das Ausscheiden der Beklagten aus der Gesellschaft –, solange sie nicht eingetragen und bekannt gemacht ist, von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, sie wäre ihm – was die Beklagten von der Klägerin jedoch nicht behaupten – bekannt gewesen.
Insoweit spielt es keine Rolle, daß schon der Beitritt der Beklagten nicht eingetragen worden war; denn nach § 15 Abs. 1 HGB wird ein gutgläubiger Dritter gegen die Folgen nicht eingetragener Tatsachen auch dann geschützt, wenn die gebotene Voreintragung unterblieben war (stdg. Rechtspr., BGH Urt. v. 24.6.1965 – III ZR 219/63 = LM HGB § 15 Nr. 2; BGHZ 55, 267, 272).
4. Der Anspruch gegen die Beklagten könnte jedoch, wie sie geltend machen, verjährt sein.
a) Sie können sich allerdings nicht darauf berufen, daß die Wechselansprüche der Klägerin gegen die Kommanditgesellschaft gemäß Art. 70 WG verjährt wären (§ 129 Abs. 1 HGB). Die zugunsten der Gesellschaft laufende dreijährige Verjährung hat die Klägerin durch Erhebung der Klage, die zum Erlaß des Versäumnisurteils gegen die Gesellschaft am 31. August 1976 geführt hat, unterbrochen (§ 209 Abs. 1 BGB). Diese Unterbrechung dauert bis zur Erledigung des Prozesses fort. Dieser aber ist bereits am 13. September 1976 gemäß § 240 ZPO durch die Eröffnung des Gesellschaftskonkurses unterbrochen worden.
b) Gemäß § 159 Abs. 1 HGB verjähren zwar Ansprüche gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter spätestens in fünf Jahren. Diese Frist beginnt aber nach § 159 Abs. 2 HGB erst zu laufen, wenn das Ausscheiden des Gesellschafters im Handelsregister eingetragen worden ist. Das war hier nicht der Fall.
Auf die fünfjährige Verjährung des § 159 HGB kann sich ein Gesellschafter jedoch auch berufen, wenn fünf Jahre seit der Eintragung der Auflösung der Gesellschaft oder, was dem gleichsteht, der Eintragung des Konkursvermerks im Handelsregister verstrichen sind, ohne daß er selbst in Anspruch genommen worden ist (vgl. das Senatsurt. v. 8.2.1982 – II ZR 235/81 = WM 1982, 509 unter 2). Diese Frist könnte hier – wenngleich bisher nicht feststeht, wann der Konkursvermerk eingetragen worden ist – ungenutzt verstrichen sein; denn der Konkurs ist bereits am 13. September 1976 eröffnet, die Zahlungsklage gegen die Beklagten aber erst am 29. Dezember 1981 eingereicht worden.
In diesem Falle würde es sich allerdings weiter fragen, wann die Klägerin ihre Forderung im Konkursverfahren der Gesellschaft angemeldet hat. Die Sonderverjährung des § 159 HGB gegenüber den der Gesellschaft noch angehörenden Gesellschaftern wird nach § 160 HGB auch schon dann unterbrochen, wenn der Gläubiger die Verjährung gegenüber der bereits aufgelösten Gesellschaft unterbricht. Das könnte hier gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB durch die Anmeldung des Anspruchs zur Konkurstabelle geschehen sein (vgl. auch dazu das Senatsurt. WM 1982, 509, dort unter 3). Die Beklagten gehören zwar der Gesellschaft nicht mehr an. Da ihr Ausscheiden aber nicht im Handelsregister eingetragen worden ist, können sie das der Klägerin gemäß § 15 Abs. 1 HGB auch im Zusammenhang mit der Verjährungsunterbrechung nach § 160 HGB nicht entgegenhalten.
5. Bislang ist nicht vorgetragen worden, ob und wann der Konkursvermerk ins Handelsregister eingetragen worden ist und die Klägerin ihre Wechselforderungen im Gesellschaftskonkurs angemeldet hat. Vom Standpunkt des Landgerichts war das nicht zu prüfen. Damit die Parteien diesen Vortrag nachholen und die entsprechenden Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache zurückzuverweisen.
In der erneuten mündlichen Verhandlung kann es, wenn die Verjährung nicht durchgreifen sollte, noch auf die unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten ankommen, die Klägerin habe die Kommanditisteneigenschaft der Beklagten gekannt. Könnten die Beklagten das beweisen, würden sie nach § 171 Abs. 1 HGB nur bis zur Höhe ihrer Einlagen von insgesamt 1,3 Mio DM haften. Der von der Klägerin geforderte Betrag hält sich zwar in diesem Rahmen. Die von ihrer früheren Treuhänderin, der I-Anstalt, geleisteten Zahlungen führen auch, nachdem die Beklagten diese Anteile zurückerworben und an Dr. B weiterübertragen haben, nicht zu ihrer, sondern zu dessen Haftungsbefreiung (BGHZ 81, 82, 84 f). Das den Gesellschaftsgläubigern nach § 171 Abs. 1 HGB zustehende Recht, Kommanditisten aus der beschränkten Haftung in Anspruch zu nehmen, wird aber während der Dauer des Gesellschaftskonkurses nur von dem Konkursverwalter ausgeübt (§ 171 Abs. 2 HGB). Hafteten die Beklagten nur beschränkt bis zur Höhe ihrer Einlage, wäre daher hier die Klage abzuweisen.
Entgegen ihrer Ansicht können die Beklagten allerdings die Kenntnis der Klägerin von ihrer Kommanditistenstellung nicht allein daraus herleiten, daß die Gesellschaft die Firma einer GmbH & Co.KG geführt hat; denn auch in einer solchen Gesellschaft haftet der nicht im Handelsregister eingetragene Kommanditist grundsätzlich unbeschränkt (BGH Urt. v. 18.6.1979 – II ZR 194/77 = LM HGB § 176 Nr. 7 unter 3, von dem der Senat entgegen der Ansicht der Beklagten in den Beschlüssen vom 24.3.1980 – II ZB 8/79 = WM 1980, 623 und vom 13.10.1980 – II ZB 4/80 = WM 1980, 1382 nicht abgerückt ist). Diese Frage wäre möglicherweise anders zu entscheiden, wenn es sich um einen Vorgang aus der Zeit nach dem 1. Januar 1981 handelte, dem Tage, an dem § 19 Abs. 5 HGB in Kraft getreten ist. Denn mit der gesetzlichen Neuregelung des Firmenrechts der Handelsgesellschaften ohne persönlich haftende natürliche Person wird von da ab im Rechtsverkehr niemand mehr damit rechnen können, ein nicht eingetragener Gesellschafter einer solchermaßen firmierenden Gesellschaft sei kein Kommanditist. Im vorliegenden Falle kann das aber noch nicht gelten, weil die Verbindlichkeit, für die die Klägerin die Beklagten in Anspruch nimmt, aus dem Jahre 1976 stammt. Es kommt daher nur auf die Behauptung der Beklagten an, die Klägerin habe auf Grund bestimmter Umstände gewußt, daß alle Gesellschafter bis auf die Komplementär-GmbH nur Kommanditisten sein konnten.
Fundstellen
Haufe-Index 647901 |
NJW 1983, 2258 |
ZIP 1983, 822 |