Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungerechtfertigte Bereicherung einer Prostituierten bei mißbräuchlicher Anweisung ihres Lohnes aus der Bundeskasse
Leitsatz (redaktionell)
Veranlasst ein Regierungsobersekretär mißbräuchlich Zahlungen der Bundeskasse an eine Prostituierte für an ihn geleistete sexuelle Dienste, liegt eine ungerechtfertigte Bereicherung der Prostituierten vor.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Karlsruhe v. 17.12.2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der frühere Regierungsobersekretär K. war im Berufsförderungsdienst des Kreiswehrersatzamtes K. tätig. Aufgabe dieses Dienstes ist es, den aus der Bundeswehr ausscheidenden Zeitsoldaten nach Maßgabe der §§ 3 ff. des Soldatenversorgungsgesetzes die Eingliederung in einen zivilen Beruf zu erleichtern. Das geschieht u.a. durch die finanzielle Förderung von Fortbildungsmaßnahmen. K. hatte als sog. Kostenfestsetzer die von den Soldaten und den Bildungsträgern eingereichten Rechnungen auf rechnerische Richtigkeit zu prüfen und entsprechende Auszahlungsanordnungen an die Bundeswehrkasse, später an die Bundeskasse (im Folgenden einheitlich: Bundeskasse) vorzubereiten. Diese Stellung nutzte K., um - ohne rechtliche Grundlage - Überweisungen der Bundeskasse i.H.v. insgesamt etwa 2,35 Mio. DM an Verwandte und Bekannte zu bewirken. Auf diese Weise erhielt auch die Beklagte in der Zeit von August 2001 bis Januar 2002 insgesamt 8.191,96 EUR aus der Bundeskasse; sie hatte K. sexuelle Dienste geleistet.
Die klagende Bundesrepublik Deutschland fordert von der Beklagten die empfangenen 8.191,96 EUR nebst Zinsen unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB) zurück. Sie hat behauptet, die Beklagte habe gewusst, dass K. die Zahlungen der Bundeskasse in unrechtmäßiger Weise veranlasst habe. Die Beklagte hat das bestritten und geltend gemacht, K. habe regelmäßig ihre Dienstleistungen in Anspruch genommen. Auf Grund seiner Angaben habe sie angenommen, bei den von der Bundeskasse überwiesenen Beträgen handele es sich um Teile von K. Gehalt; K. habe ihr die Überweisungen als Bezahlung für die gewährten sexuellen Handlungen angekündigt.
LG und Berufungsgericht haben der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Klage könne sich auf § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB stützen; die Überweisungen der Bundeskasse seien eine rechtsgrundlose Leistung der Klägerin an die Beklagte gewesen. Die Überweisungen seien nicht im Rahmen einer - vorrangigen - Leistungsbeziehung zwischen der Beklagten und K. erfolgt.
Es sei zwar nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, dass sich der Zahlungsvorgang aus Sicht der Beklagten als Anweisungssituation, nämlich als Zahlung des Prostituiertenlohns im Wege der Anweisung von K. an die Bundeskasse, dargestellt habe. Die Beklagte habe offenbar gedacht, K. habe jeweils eine gerade Summe seines Gehalts sich und den ungeraden Restbetrag ihr zur Zahlung angewiesen oder anweisen lassen. Allein eine solche Vorstellung des Zuwendungsempfängers entscheide jedoch unter keinen Umständen über die Person des Leistenden und die Lage der Leistungsbeziehungen. Dementsprechend werde der gute Glaube der Beklagten, sie habe die Zahlungen kraft Anweisung von K. an die Bundeskasse erhalten, bereicherungsrechtlich nicht geschützt. Es hätten anweisungslose Zahlungsvorgänge der Bundeskasse vorgelegen, die sich fremder Zahlungsanweisung nicht unterwerfe. Der sog. Empfängerhorizont könne die fehlende Anweisung nicht ersetzen.
Die Überweisungen der Bundeskasse seien selbst dann als rechtsgrundlose Leistungen der Klägerin an die Beklagte zu qualifizieren, wenn es sich um eine sog. irrtümliche Eigenleistung handele. Das auf dem Empfängerhorizont beruhende bereicherungsrechtliche Zuordnungskonzept sei auch insoweit zu verabschieden. Es komme nicht auf das Sonderwissen der Beklagten an, dass K. ihr die Zahlungen avisiert und als eigene Leistungen hingestellt habe. Die Klägerin könne sich vielmehr auf den Verwendungszweck berufen, der auf den Überweisungsträgern vermerkt gewesen sei ("Geb" oder "Gebuehr"), und geltend machen, sie habe zur Erfüllung von - vermeintlichen - Versorgungsansprüchen der Beklagten gezahlt.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
Die Klägerin kann aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB) von der Beklagten Rückzahlung von 8.191,96 EUR nebst Zinsen verlangen.
1. Die Beklagte hat durch die Überweisungen der Bundeskasse auf Kosten der Klägerin Gutschriften i.H.v. insgesamt 8.191,96 EUR auf ihrem - zunächst auf den Namen ihres Bekannten O. -R., später ihres Bekannten H. lautenden - Konto erlangt. Diesem Vermögensvorteil der Beklagten stand ein entsprechender Vermögensnachteil der Klägerin gegenüber. Für die Vermögensverschiebung gab es im Verhältnis zwischen den Parteien auch keinen rechtlichen Grund; die Beklagte hatte keinen Anspruch auf Leistungen des Berufsförderungsdienstes der Bundeswehr.
2. Der Beklagten steht nicht deshalb ein rechtlicher Grund für den Empfang der 8.191,96 EUR zur Seite, weil sie die entsprechenden Gutschriften durch eine Leistung von K. erhalten und sie hierauf wegen der mit ihm getroffenen Prostitutionsvereinbarung - jedenfalls seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten v. 20.12.2001 (BGBl. I, 3983) am 1.1.2002 - einen Anspruch gehabt hätte.
Allerdings kann der Empfänger einer Leistung mit einer Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) allenfalls von seinem Vertragspartner belangt werden, und zwar nur dann, wenn nach den zwischen diesen beiden bestehenden Beziehungen die Leistung grundlos ist. Ein Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) kann nur dann entstehen, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Empfänger überhaupt nicht, also von niemandem geleistet worden ist (Grundsatz des Vorrangs der Leistungskondiktion, BGHZ 40, 272 [278]; BGHZ 56, 228 [240]; BGHZ 69, 186 [189]; BGH, Urt. v. 4.2.1999 - III ZR 56/98, MDR 1999, 689 = NJW 1999, 1393 [1394]).
a) Unter Leistung i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen. Dabei kommt es in erster Linie auf die der Zuwendung gegebene Zweckbestimmung, also zunächst darauf an, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Stimmen die Vorstellungen der Beteiligten nicht überein, ist nach gefestigter Rechtsprechung des BGH, von der abzugehen kein Anlass besteht, eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers geboten (BGH v. 2.11.1988 - IVb ZR 102/87, BGHZ 105, 365 [369] = MDR 1989, 239; v. 10.3.1993 - XII ZR 253/91, BGHZ 122, 46 [50 f.] = MDR 1993, 624; Urt. v. 4.2.1999 - III ZR 56/98, MDR 1999, 689 = NJW 1999, 1393 [1394]). Es kommt darauf an, wie eine vernünftige Person in der Lage des Empfängers die Zuwendung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste und durfte.
b) Das Berufungsgericht hat diesen rechtlichen Ansatz nicht hinreichend beachtet. Es ist ferner - wie die Klägerin in der Revisionsverhandlung zu Recht gerügt hat - auf Grund einer fehlerhaften Beweiswürdigung zu der Feststellung gelangt, die Beklagte habe von ihrem Verständnishorizont aus annehmen dürfen, K. habe ihr gegenüber eine Leistung kraft Anweisung der Bundeskasse bewirkt. Sie habe sich offenbar vorgestellt, K. habe jeweils eine gerade Summe seines Gehaltes sich und den ungeraden Restbetrag ihr zur Zahlung angewiesen oder anweisen lassen.
Die angebliche Vorstellung der Beklagten, K. habe ihr Teile seines Gehaltes angewiesen oder anweisen lassen, entbehrte jeder vernünftigen Grundlage. Ein Beamter kann sich - was allgemein bekannt ist - nicht sein Gehalt selbst auszahlen oder seine Dienststelle entsprechend "anweisen".
Die Beklagte hat, wie die Revisionserwiderung mit Recht rügt, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch keine plausible Erklärung dafür geliefert, dass ihr ungerade Beträge überwiesen wurden. Der Prostitutionslohn, der nach der Behauptung der Beklagten durch die von K. veranlassten Überweisungen ausgeglichen werden sollte, betrug, wie die Beklagte in ihrer Anhörung vor dem LG erklärt hat, 1.600 DM für eine ganze Nacht, 200 DM oder 300 DM für eine Stunde. Die überwiesenen ungeraden Beträge können bestimmten Prostitutionsleistungen demnach nicht zugeordnet werden.
Mit der Revisionserwiderung ist weiter zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den auf dem Überweisungsbeleg von der Bundeskasse angegebenen Zahlungsgrund "Gebuehr" nicht berücksichtigt hat. Die Überweisung betraf erkennbar keine Gehaltszahlung an K., erst recht nicht den von der Beklagten verdienten Prostitutionslohn.
c) Die Feststellungen des Berufungsgerichts können mithin keinen Bestand haben. Auf der Grundlage der Feststellungen des LG ist vielmehr davon auszugehen, dass hier aus objektivierter Empfängersicht nur eine - rechtsgrundlose - Leistung der Bundeskasse an die Beklagte in Betracht kam. Zu dieser abschließenden Würdigung ist der Senat befugt, weil weitere Sachaufklärung nicht zu erwarten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1257439 |
NJW 2005, 60 |
BGHR 2005, 180 |
JuS 2005, 179 |
RÜ 2005, 25 |
JT 2005, 98 |
LMK 2004, 217 |