Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Ausschließung aus dem Beruf des Steuerberaters
Leitsatz (redaktionell)
Es muß unter Würdigung aller den Einzelfall und die Persönlichkeit des Betroffenen kennzeichnenden Umstände entschieden werden, ob die Ausschließung aus dem Beruf des Steuerberaters als schärfste, in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifende berufsgerichtliche Maßnahme in Betracht kommt, weil sie zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit einer den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden unabhängigen und eigenverantwortlichen Hilfeleistung in Steuersachen, insbesondere zum Schutz der Mandanten und der übrigen Beteiligten erforderlich ist.
Normenkette
StBerG § 90; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 04.11.1991; Aktenzeichen StO 3/91) |
Tatbestand
I.
1. Der jetzt 63-jährige Beschwerdeführer wurde 1984 als Steuerberater zugelassen, nachdem er vorher als Steuerbevollmächtigter tätig war.
Das Amtsgericht Trier verurteilte ihn durch Strafbefehl vom 6. Januar 1983 wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen, weil er Einkommens- und Umsatzsteuern in Höhe von 20.000 DM bis 30.000 DM hinterzogen hatte. Am 20. August 1985 verhängte das Schöffengericht Trier gegen ihn wegen Untreue eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen, weil er einen Verrechnungsscheck seines Mandanten in Höhe von 7.339,84 DM nicht auftragsgemäß an das Finanzamt weitergeleitet, sondern seinem eigenen Konto hatte gutschreiben lassen, um einen finanziellen Engpaß zu überbrücken. Wegen dieser Straftat und einer weiteren Berufspflichtverletzung verurteilte ihn die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Landgericht Koblenz am 18. Dezember 1986 zu den Maßnahmen des Verweises und einer Geldbuße von 2.000 DM. Am 14. Januar 1991 verurteilte ihn das Schöffengericht Trier wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Das Schöffengericht hat unter anderem festgestellt, daß der Steuerberater in den Jahren 1982 bis 1986 Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 44.249 DM und Einkommensteuer in Höhe von 113.763 DM sowie in den Jahren 1987 bis 1989 Umsatzsteuer in Höhe von 35.209,95 DM hinterzogen hat.
2. Im vorliegenden Verfahren hat ihn die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Landgericht Koblenz durch Urteil vom 10. September 1991 wegen Berufspflichtverletzung aus dem Beruf ausgeschlossen. Dem Schuldspruch liegen der im Strafurteil vom 14. Januar 1991 festgestellte Sachverhalt sowie weitere Berufsverfehlungen zugrunde, die darin bestanden, daß er die Verlegung seiner beruflichen Niederlassung der Steuerberaterkammer nicht angezeigt, ihr 1989 und 1990 keine Beiträge gezahlt hatte sowie im Vollstreckungsverfahren des Finanzamts wegen rückständiger Steuerschulden in Höhe von 235.885,87 DM gegen sich Haftbefehl zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung hatte ergehen lassen. Seine Berufung, die er wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
II.
Die gegen das Berufungsurteil gerichtete und mit der Sachrüge gerechtfertigte Revision des Steuerberaters ist unbegründet. Die Wertung des Oberlandesgerichts, daß Art und Schwere der festgestellten Berufspflichtverletzungen die Ausschließung aus dem Beruf des Steuerberaters erfordern, um das Vertrauen der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit dieses Berufsstandes zu erhalten und künftige Mandanten vor Schaden zu bewahren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Ausschließung aus dem Beruf kommt als schärfste, in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifende berufsgerichtliche Maßnahme nur in Betracht, wenn sie zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit einer den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden unabhängigen und eigenverantwortlichen Hilfeleistung in Steuersachen, insbesondere zum Schutz der Mandanten und der übrigen Beteiligten erforderlich ist (BGHSt 32, 305, 306; Senatsurteile vom 16. Dezember 1991 – StbSt (R) 2/91 –, zum Abdruck in BGHSt vorgesehen, und vom 3. Juli 1989 – StbSt (R) 1/89; vgl. auch BVerfGE 66, 337, 360). Ob das der Fall ist, muß unter Würdigung aller den Einzelfall und die Persönlichkeit des Betroffenen kennzeichnenden Umstände entschieden werden.
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil, wie sich aus dessen ausführlicher und auf alle Einwände des Steuerberaters eingehender Begründung des Rechtsfolgenausspruchs ergibt. Der Steuerberater hat sich weder die beiden strafgerichtlichen Verurteilungen vom 6. Januar 1983 und 20. August 1985, die berufsbezogene Verfehlungen betrafen, noch die berufsgerichtliche Verurteilung vom 18. Dezember 1986 als Warnung dienen lassen und erneut gerade auf dem ihm anvertrauten Gebiet der Steuerrechtspflege durch Straftaten erheblichen Schaden verursacht. Die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe hätte bei einem Beamten kraft Gesetzes den Verlust der Beamtenrechte zur Folge (§ 24 Abs. 1 BRRG, § 48 BBG). Die Unbelehrbarkeit des Beschwerdeführers wird, wie das Oberlandesgericht zutreffend hervorhebt, dadurch bestätigt, daß er die Steuerstraftaten unbeeindruckt durch die berufsgerichtliche Verurteilung vom 18. Dezember 1986 fortgesetzt hat. Daraus konnte das Oberlandesgericht den Schluß ziehen, daß sich der Steuerberater trotz seiner – inzwischen überwundenen – persönlichen und familiären Schwierigkeiten schuldhaft als ungeeignet erwiesen hat, die Aufgaben eines dem Gesetz verpflichteten unabhängigen Organs der Steuerrechtspflege weiterhin wahrzunehmen. Das Vorbringen der Revision vermag demgegenüber keinen Rechtsfehler bei der tatrichterlichen Würdigung aufzuzeigen. Sie ersetzt diese lediglich durch ihre eigene. Das ist im Revisionsverfahren unzulässig.
Fundstellen