Entscheidungsstichwort (Thema)
„Buchführungshelfer” als Berufsbezeichnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Aus der gem. § 5 StBerG sich ergebenden, beschränkten geschäftsmäßigen Hilfeleistung von Kaufmannsgehilfen und ihnen gleichgestellten Personen in Buchführungssachen folgt, daß die Bezeichnung „Buchführungshelfer” irreführend im Sinne von § 3 UWG ist, wenn sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen den unzutreffenden Eindruck vermittelt, der Betroffene werde auch die ihm verschlossenen Aufgaben übernehmen können.
2. Eine durch § 3 UWG als irreführend verbotene Berufsbezeichnung wird durch das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht geschützt, da das Verbot unlauteren Wettbewerbs, wie es auch im Verbot irreführender Werbung durch § 3 UWG zum Ausdruck kommt, die freie Berufsausübung in zulässiger Weise beschränkt.
Normenkette
StBerG § 5; UWG § 3; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Braunschweig (Urteil vom 10.06.1988; Aktenzeichen 2 U 330/87) |
LG Braunschweig (Urteil vom 03.11.1987; Aktenzeichen 9 O 27/87) |
Tatbestand
Der Beklagte ist aufgrund seiner Vorbildung befugt, laufende Geschäftsvorfälle zu verbuchen, die zugrundeliegenden Belege mit dem Buchungssatz zu versehen (d.h. zu kontieren) sowie Löhne und Gehälter geschäftsmäßig zu verbuchen. Er übt diese Tätigkeit als Selbständiger aus und wirbt für sich auf seinem Türschild, im amtlichen Fernsprechbuch von Salzgitter und auf seinen Geschäftsbriefbögen mit der Bezeichnung „Buchführungshelfer”. Die klagende Steuerberaterkammer beanstandet dies als irreführende Werbung im Sinne des § 3 UWG.
Die Klägerin behauptet, die Bezeichnung „Buchführungshelfer” erwecke bei dem überwiegenden Teil der angesprochenen Verkehrskreise den unzutreffenden Eindruck, der Beklagte sei über die Verbuchung der laufenden Geschäftsvorfälle hinaus berechtigt, eine Buchführung einzurichten, einen den betrieblichen Belangen entsprechenden Kontenplan zu erstellen sowie die vorbereitenden Abschlußbuchungen vorzunehmen und einen Jahresabschluß aufzustellen. Diese Tätigkeiten seien ihm jedoch nach dem Steuerberatungsgesetz verschlossen. Die Klägerin bezieht sich für die von ihr behauptete Verkehrsauffassung auch auf ein Sachverständigengutachten, das Infratest auf gerichtliche Anordnung in einem anderen Verfahren zu einer vergleichbaren Berufsbezeichnung erstattet habe. Dieses habe ergeben, daß 30 % der angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der Bezeichnung „selbständiger Buchhalter” erwarteten, daß auch die Erstellung von steuerlichen Jahresabschlüssen, wie der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, übernommen werde.
Die Klägerin hat beantragt,
dem Beklagten unter Ordnungsmittelandrohung zu untersagen, auf seinen Geschäftspapieren (Briefbögen) und auf seinem Namensschild am Hauseingang die Bezeichnung „Buchführungshelfer” ohne einen Zusatz zu verwenden, der darauf hinweist, daß er lediglich befugt ist, laufende Geschäftsvorfälle zu verbuchen und die zugrundeliegenden Belege mit dem Buchungssatz zu versehen sowie Löhne und Gehälter geschäftsmäßig zu verbuchen.
Der Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, die angegriffene Berufsbezeichnung „Buchführungshelfer” habe sich im Verkehr durchgesetzt. Tätigkeitsbereiche, die den steuerberatenden Berufen vorbehalten seien, würden ihr nicht mehr zugeordnet. Wie die Angehörigen anderer Berufe hätten auch die Buchführungshelfer aufgrund des Schutzes durch Art. 12 Abs. 1 GG Anspruch auf eine kurze und eindeutige Berufsbezeichnung, die den Berufsinhalt leicht und schnell erkennen lasse. Selbst wenn die Bezeichnung „Buchführungshelfer” für einen Teil der angesprochenen Verkehrskreise irreführend sein sollte, wäre es herabsetzend und unverhältnismäßig, die Berufsangehörigen entsprechend dem Klageantrag zu zwingen, dieser Berufsbezeichnung jeweils eine Erläuterung beizufügen, welche Tätigkeiten zulässigerweise ausgeübt werden dürften.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. 1. Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Klägerin der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht.
a) Buchführungshilfe zu leisten und dafür zu werben, ist dem Beklagten nicht uneingeschränkt gestattet. Nach § 5 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) ist anderen als den in den §§ 3 und 4 dieses Gesetzes genannten Personen die Ausübung der Hilfe in Steuersachen einschließlich der Hilfeleistung bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG) verboten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zwar dieses Verbot unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG, soweit dadurch Personen mit kaufmännischer Gehilfenprüfung das Kontieren von Belegen und die laufende Lohnbuchhaltung untersagt wird (BVerfGE 54, 301 = NJW 1981, 33; BVerfGE 59, 302 = NJW 1982, 1687; zu Personen, die den Kaufmannsgehilfen gleichgestellt sind, vgl. die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 1. Juli 1982, BStBl. 1982 I S. 586, 587). Es dürfen aber darüber hinausgehende Hilfeleistungen bei der Führung von Büchern wie die Einrichtung der Buchführung und die Erstellung des betrieblichen Kontenplans sowie die Aufstellung des Jahresabschlusses einschließlich der vorbereitenden Abschlußbuchungen auch von Kaufmannsgehilfen und den diesen gleichgestellten Personen nicht geschäftsmäßig wahrgenommen werden.
b) Aus dieser Beschränkung der geschäftsmäßigen Hilfeleistung von Kaufmannsgehilfen und ihnen gleichgestellter Personen in Buchführungssachen folgt, daß die Bezeichnung „Buchführungshelfer” irreführend wäre, wenn sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen den unzutreffenden Eindruck vermitteln würde, der Beklagte werde auch die vorstehend aufgeführten, ihm verschlossenen Aufgaben übernehmen können.
2. Diesen rechtlichen Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Es hat auch zutreffend gesehen, daß es die Gefahr der Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise nicht aus eigener Sachkunde verneinen konnte, weil die Richter des Berufungsgerichts nicht selbst den angesprochenen Verkehrskreisen angehören. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wendet sich der Beklagte unter der beanstandeten Berufsbezeichnung an Gewerbetreibende, darunter Mittel-, Klein- und Kleinstbetriebe wie Handwerker, Gastwirte und Inhaber kleinerer Geschäfte. Wie diese Verkehrskreise den Begriff „Buchführungshelfer” verstehen, konnte das Berufungsgericht allein aufgrund seiner allgemeinen Lebenserfahrung nicht beurteilen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 12.2.1987 – I ZR 54/85, GRUR 1987, 444, 446 = WRP 1987, 463, 465 – Laufende Buchführung).
Das Berufungsgericht vertritt jedoch die Ansicht, daß eine Beweisaufnahme über die Irreführungsgefahr nicht erforderlich sei. Dem auf § 3 UWG gestützten Unterlassungsbegehren der Klägerin sei aus Rechtsgründen auch dann nicht stattzugeben, wenn sich aufgrund einer Meinungsumfrage ergeben würde, daß ein relevanter Teil der angesprochenen Verkehrskreise oder – wie die Klägerin behaupte – sogar der überwiegende Teil der angesprochenen Verkehrskreise durch die Bezeichnung „Buchführungshelfer” irregeführt werde.
Vom Schutzbereich der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit werde umfaßt, daß der Berufsausübende entsprechend dem von ihm mangels gesetzlicher Fixierung autonom festgelegten Berufsbild eine Berufsbezeichnung wählen und führen könne, die dieses Berufsbild schlagwortartig in seinem Kern umreiße. Dieses Recht finde nur dort seine Grenze, wo in gesetzlich normierte Berufsbilder und -bezeichnungen eingedrungen werde und/oder wo der Verkehr sonst über Art und Umfang des hinter dieser Bezeichnung stehenden Berufs getäuscht werde. Allerdings könne im Rahmen der dabei erforderlichen Abwägung den Interessen des Rechtsverkehrs an einer Vermeidung von Irreführungsgefahren nicht generell ein Vorrang eingeräumt werden. Vielmehr müsse auch die Wechselwirkung zwischen der freiheitlichen Verbürgung und dem davon berührten Rechtsgut gesehen werden. Bei seiner Interessenabwägung hat das Berufungsgericht den Interessen des Beklagten und seiner Berufskollegen an der Führung der angegriffenen Berufsbezeichnung den Vorrang gegeben. Diese Berufsgruppe würde durch Untersagung der Bezeichnung „Buchführungshelfer” im Kern getroffen. Denn es sei nicht ersichtlich, wie ihr Beruf in anderer Weise sachgerecht bezeichnet werden könnte. Die Bezeichnung „Kontierer” sei wegen ihres fremdsprachlichen Wortstammes für den Verkehr schwer verständlich und auch ungenau, da sie nur eher mechanische Arbeitsgänge im Bereich der laufenden Buchführung beschreibe, die nur einen Teil der Tätigkeit des Beklagten ausmachten. Das Problem könne auch nicht durch Zusätze zu der gewählten Bezeichnung gelöst werden. Gegenüber dem Interesse des Beklagten und seiner Berufsgruppe an der Führung einer einprägsamen Berufsbezeichnung trete das Interesse des Verkehrs am Unterbleiben einer möglichen Irreführung zurück. Nach den gegebenen Verhältnissen sei es nur eine Frage der Zeit, daß sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen klare Vorstellungen über die den „Buchführungshelfern” erlaubten Tätigkeiten durchzusetzen.
3. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß das Grundrecht der Berufsfreiheit auch für solche Tätigkeiten gilt, für die es – wie für die Tätigkeit des Beklagten – kein gesetzlich typisiertes Berufsbild gibt (vgl. BVerfGE 7, 377, 397 = NJW 1958, 1035, 1036).
Eine durch § 3 UWG als irreführend verbotene Berufsbezeichnung wird aber durch das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht geschützt, da das Verbot unlauteren Wettbewerbs, wie es auch im Verbot irreführender Werbung durch § 3 UWG zum Ausdruck kommt, die freie Berufsausübung in zulässiger Weise beschränkt (vgl. dazu BVerfGE 32, 311, 317 = GRUR 1972, 358, 360 – Grabsteine; vgl. auch BGH, Urt. v. 4.7.1985 – I ZR 147/83, GRUR 1985, 1064, 1065 – Heilpraktikerbezeichnung). Mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts ist auch im Revisionsverfahren die Behauptung der Klägerin zu unterstellen, daß die von dem Beklagten gewählte Berufsbezeichnung geeignet ist, bei dem überwiegenden Teil der angesprochenen Verkehrskreise falsche Vorstellungen über die dem Beklagten erlaubten Tätigkeiten hervorzurufen. Sollte aber die Berufsbezeichnung des Beklagten geeignet sein, einen so beachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise irrezuführen, müßte dem Klageantrag stattgegeben werden. Darauf, daß eine etwaige Irreführung durch die Berufsbezeichnung „Buchführungshelfer” noch in dem Gespräch, das zur Erteilung des Kundenauftrags führt, beseitigt werden könne, kann sich der Beklagte – entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung – nicht berufen. Denn ein Verstoß gegen § 3 UWG liegt schon dann vor, wenn die irreführende Angabe geeignet ist, Kunden anzulocken (st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Urt. v. 18. 2. 1982 – I ZR 23/80, GRUR 1982, 563, 564 – Betonklinker; Urt. v. 21.4.1988 – I ZR 82/86, GRUR 1988, 700, 702 = WRP 1989, 13, 15 – Meßpuffer; Urt. v. 8.6.1989 – I ZR 233/87, GRUR 1989, 855 – Teilzahlungskauf II m.w.N.).
II. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
In dem erneuten Berufungsverfahren wird das von beiden Parteien beantragte demoskopische Gutachten einzuholen sein.
Je nach dessen Ergebnis wird das Berufungsgericht gegebenenfalls zu beachten haben, daß nicht allgemein durch eine Zahlenangabe ausgedrückt werden kann, ob derjenige Teil der Verkehrskreise, der durch eine Bezeichnung irregeführt werden kann, im Sinne des § 3 UWG nicht völlig unbeachtlich ist. Es ist vielmehr eine Abwägung vorzunehmen, bei der neben der in Zahlen ausdrückbaren Breite der Irreführungsgefahr auch die Art der hervorgerufenen Fehlvorstellung, insbesondere das Gewicht der auf dem Spiel stehenden Interessen der Allgemeinheit und der Mitbewerber zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.3.1966 – Ib ZR 28/64, GRUR 1966, 445, 449 – Glutamal; BGH, Urt. v. 12.3.1971 – I ZR 115/69, GRUR 1971, 313, 315 – Bocksbeutelflasche; vgl. weiter v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., 36. Kap. Rdn. 46; Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 15. Aufl. § 3 Rdn. 28). Bei der Beurteilung, ob die Verwendung der angegriffenen Berufsbezeichnung zu unterlassen ist, wird auch der Freiheitsgehalt des hier berührten Rechts der freien Berufsausübung zu beachten sein (vgl. BVerfGE 32, 311, 317 = GRUR 1972, 358, 360 – Grabsteine). Dabei wird allerdings auch nicht übersehen werden dürfen, daß der Beklagte und seine Berufskollegen – anders als die Angehörigen der steuerberatenden Berufe – für ihre Inanspruchnahme werben dürfen (BVerfGE 59, 302, 326 ff. = NJW 1982, 1687) und daher in der Lage sind, auch bei Verwendung einer weniger aussagekräftigen oder zu engen Berufsbezeichnung gegenüber möglichen Kunden den zulässigen Umfang ihrer Tätigkeiten klarzustellen.
Fundstellen