Entscheidungsstichwort (Thema)
Einziehung von GmbH-Anteilen. Nichtigkeit formal einwandfreier Gesellschafterbeschlüsse
Leitsatz (amtlich)
1. Eine in der Satzung zugelassene Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses mit der Folge, daß der Geschäftsanteil des Kündigenden eingezogen oder von einem Mitgesellschafter übernommen werden kann, bewirkt nur dann das Ruhen des Stimmrechts bis zum Ausscheiden des Gesellschafters, wenn die Satzung dies vorsieht. Jedoch mißbraucht der kündigende Gesellschafter sein Stimmrecht, wenn er in dieser Zeit ohne triftigen Grund einer von den anderen Gesellschaftern vorgeschlagenen Maßnahme widerspricht, die seine Vermögensinteressen weder unmittelbar noch mittelbar beeinträchtigen kann.
2. Wird in der Gesellschafterversammlung ein Antrag abgelehnt, weil ein Mitgesellschafter rechtsmißbräuchlich dagegen stimmt, so kann die gegen den ablehnenden Beschluß erhobene Anfechtungsklage mit der Klage auf Feststellung verbunden werden, der Antrag sei angenommen worden, sofern der widersprechende Gesellschafter als Nebenintervenient am Verfahren beteiligt ist.
Orientierungssatz
1. Zu Leitsatz 1: Festhaltung BGH, 1968-10-28, II ZR 181/66, LM Nr 3 zu § 16 GmbHG; Festhaltung BGH, 1982-05-10, II ZR 89/81, BGHZ 84, 47.
2. Die in der Gesellschafterversammlung einwandfrei zustandegekommene Ablehnung eines Beschlußantrages mit Mehrheit oder infolge Stimmengleichheit ist ein Beschluß, der aus sachlichen Gründen nichtig oder anfechtbar sein kann.
Normenkette
GmbHG §§ 46, 21, 24, 31
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. Februar 1983 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Anträge der Klägerin,
- die Ablehnung ihres Antrags zu Punkt 3 der Tagesordnung der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 11. November 1981 (Gewinnausschüttung) für nichtig zu erklären,
- die Annahme dieses Antrags festzustellen, abgewiesen worden sind.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Dem Berufungsgericht bleibt die Entscheidung auch über die Kosten der Revisionsinstanz vorbehalten.
Tatbestand
Die Klägerin und die Streithelferin der Beklagten sind die Witwen und Rechtsnachfolger der Kaufleute R. und B., der Gründer der verklagten GmbH, an der sie je zur Hälfte beteiligt sind. Nach dem Gesellschaftsvertrag (Art. VIII) kann jeder Gesellschafter vom dritten Geschäftsjahr an den Gesellschaftsvertrag mit 6-Monatsfrist zum Ende des Geschäftsjahres mit der Folge kündigen, daß die Beklagte seinen Geschäftsanteil einziehen oder der andere Gesellschafter ihn übernehmen kann. Als Entschädigung steht dem kündigenden Gesellschafter der Bilanzwert des Geschäftsanteils „zum Tage des Ausscheidens” zu, wobei die Gesellschaftsgrundstücke zu ihrem durch Schätzer zu ermittelnden Wert zu übernehmen sind.
Mit Anwaltsschreiben vom 20. September 1972 kündigte die Streithelferin das Gesellschaftsverhältnis mit Wirkung zum 31. März 1973. Der Rechtsvorgänger der Klägerin erklärte, den Geschäftsanteil der Streithelferin übernehmen zu wollen. Das Ergebnis des Verfahrens zur Schätzung der Grundstücke, das daraufhin eingeleitet wurde, erkannte er jedoch nicht an. Anschließende Verhandlungen über die Bewertung und Übernahme des Geschäftsanteils der Streithelferin haben bis heute zu keiner Einigung geführt. Über eine von der Klägerin gegen die Streithelferin erhobene Klage auf Abtretung des Geschäftsanteils ist bisher nicht entschieden worden; in jenem Verfahren bestreitet die Streithelferin die Wirksamkeit ihrer Kündigung.
In einer Gesellschafterversammlung vom 11. November 1981 beantragte die Klägerin zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, die in den Vorjahren angesammelten Gewinne der Beklagten je zur Hälfte an sich auszuschütten und zu bestimmten Bedingungen auf ein Sperrkonto einzuzahlen, sowie ihren Sohn zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten zu bestellen. Die Streithelferin stimmte gegen diese Anträge. Diese Stimmabgabe hält die Klägerin mit Rücksicht auf die vorausgegangene Kündigung der Streithelferin für unwirksam. Sie hat beantragt,
- festzustellen, daß die Ablehnung ihrer Anträge nichtig sei, hilfsweise, die Ablehnung für nichtig zu erklären,
- festzustellen, daß wirksame Beschlüsse mit dem Inhalt ihrer Anträge gefaßt worden seien.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision kann nur teilweise Erfolg haben.
1. Das Berufungsgericht unterstellt, daß die Streithelferin der Beklagten durch das Anwaltsschreiben vom 20. September 1972 den Gesellschaftsvertrag wirksam nach dessen Art. VIII gekündigt hat, meint aber, daß sie hierdurch nicht gehindert gewesen sei, das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 11. November 1981 auszuüben. Dem ist zuzustimmen.
a) Die Parteien sind darüber einig, daß die Streithelferin bis heute Inhaberin ihres Geschäftsanteils und damit Gesellschafterin der Beklagten geblieben ist. Das entspricht auch der Rechtslage. Die Satzung der Beklagten enthält keine Regelung, wonach ein kündigender Gesellschafter bereits mit seiner Kündigung, mit dem Kündigungsstichtag nach Art. VIII Abs. 1 Satz 3 oder mit der Erklärung des anderen Gesellschafters, den Anteil übernehmen zu wollen, von selbst aus der Gesellschaft ausscheidet. Auch ist darin kein Gesellschafterbeschluß vorgesehen, der den sofortigen Übergang des Geschäftsanteils auf einen anderen unmittelbar zur Folge hätte (vgl. Urt. d. Sen. v. 20.6.1983 – II ZR 237/82, WM 1983, 956). Vielmehr eröffnet sie wahlweise die Möglichkeit, den Geschäftsanteil des kündigenden Gesellschafters einzuziehen oder durch den anderen Gesellschafter übernehmen zu lassen (Art. VIII Abs. 3). Hier hat sich der Rechtsvorgänger der Klägerin für die zweite Möglichkeit entschieden. Da dieser Entschluß aber noch nicht durch Abtretung des Geschäftsanteils gemäß § 15 GmbH durchgeführt worden ist, hat sich an der mit dem Anteil verbundenen Mitgliedschaft der Streithelferin bislang nichts geändert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß der ausscheidende Gesellschafter nach Art. VIII Abs. 4 Satz 1 der Satzung den Bilanzwert seines Geschäftsanteils zum Tage des Ausscheidens erhalten soll. Mit dem Wort „Ausscheiden” kann hier nicht der Verlust des Geschäftsanteils, sondern nur der Stichtag für die vermögensrechtliche Abwicklung gemeint sein, da sonst für das in Art VIII Abs. 5 vorgeschriebene Schätzungsverfahren eine zuverlässige zeitliche Grundlage fehlen würde.
b) Als Gesellschafterin ist die Streithelferin nach wie vor Trägerin der damit verknüpften Rechte und Pflichten, soweit sich nicht aus Gesetz oder Satzung etwas anderes ergibt. Eine solche Znderung könnte hier infolge der Kündigung hinsichtlich des Anspruchs auf den laufenden Reingewinn (§ 29 GmbHG) insofern eingetreten sein, als die Abfindungsregelung des Art. VIII Abs. 4 der Satzung eine Berücksichtigung nach dem Stichtag anfallender Gewinne ausschließt. Dagegen vermag auch die Revision keine Satzungsbestimmung aufzuzeigen, aus der sich ein Wegfall oder eine Beschränkung des Stimmrechts für die Zeit zwischen Kündigung und Ausscheiden durch Einziehung oder Abtretung des Geschäftsanteils herleiten ließe.
Für einen solchen Eingriff in das Stimmrecht bietet auch das Gesetz keine Grundlage. Nach § 47 Abs. 2 GmbHG ist ein Gesellschafter je nach der Höhe seiner Beteiligung stimmberechtigt, soweit die Satzung, wie hier, nichts Abweichendes bestimmt. Das gilt auch für einen Gesellschafter, der seinen Willen, die Gesellschaft zu verlassen, durch eine Kündigung erklärt hat, diesen Willen aber noch nicht durch eine Abtretung seines Geschäftsanteils verwirklichen konnte. Solange er der Gesellschaft gegenüber als Gesellschafter ausgewiesen bleibt, ist sie berechtigt und verpflichtet, ihn dieser Rechtsstellung gemäß zu behandeln (Urt. d. Sen. v. 21.10.1968 – II ZR 181/66, LM GmbHG § 16 Nr. 3). Dem entspricht es, daß der Gesellschafter bis zu dem nach § 16 GmbHG maßgebenden Zeitpunkt grundsätzlich alle an die Mitgliedschaft geknüpften Rechte und Pflichten behält, einschließlich solcher, die erst nach der Kündigung entstanden und fällig geworden sind (vgl. BGHZ 84, 47).
c) Für den Fall, daß der Gesellschafter einer sogenannten Nebenleistungs-GmbH sich von seinen Nebenleistungspflichten durch Kündigung des Kartellverhältnisses gelöst hatte, hat das Reichsgericht allerdings entschieden, die Kündigung habe das Ruhen der Mitgliedschaftsrechte und -pflichten bis zur Einziehung des Geschäftsanteils zur Folge (RGZ 114, 212, 218 und 125, 114, 118). Dies begründete es damit, daß die Erfüllung der Kartellverpflichtungen die Grundlage für den Zusammenschluß der Kartellmitglieder in der GmbH bilde und es ein Widersinn wäre, der Gesellschaft zuzumuten, daß ein Gesellschafter, der sich von diesen Verpflichtungen losgesagt habe, ein ihr gehöriges Patent noch weiterbenutzen dürfe. Wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, läßt sich diese Entscheidung nicht auf den vorliegenden Fall übertragen, in dem es weder um eine Nebenleistungsgesellschaft noch um das Erlöschen daraus entspringender Pflichten geht. Sie ist auf die Lösung einer mit diesem Fall unvergleichbaren, vom Reichsgericht sonst als unerträglich betrachteten Situation zugeschnitten und auch insoweit nicht ohne Kritik geblieben (vgl. Scholz/Winter, GmbHG, 6. Aufl., § 15 Anm. 91).
d) Der Senat hat die Frage eines Ruhens der Mitgliedschaftsrechte für den vorliegenden Tatbestand einer im Gesellschaftsvertrag zugelassenen Kündigung noch nicht entschieden. Er hat aber bei der Ausschließung eines GmbH-Gesellschafters durch Gerichtsurteil ein Stimmrecht des auszuschließenden Gesellschafters nur für solche Maßnahmen verneint, die der Durchführung des Ausschlusses dienen (BGHZ 9, 157, 175 f). Für den Fall, daß ein Gesellschafter aufgrund der Satzung durch Gesellschafterbeschluß ausgeschlossen wird, hat der Senat angenommen, daß der Betroffene mit dem rechtmäßigen Ausschließungsbeschluß seine Gesellschafterrechte verliere (BGHZ 32, 17, 23). Eine Kündigungserklärung oder die grundsätzliche Bereitschaft eines Mitgesellschafters, den Geschäftsanteil des Kündigenden zu übernehmen, lassen sich aber mit einer wirksamen Ausschließung insofern nicht vergleichen, als noch nicht sicher feststeht, ob und wann der Gesellschafter tatsächlich ausscheiden wird; wie gerade der vorliegende Fall zeigt, kann dies unter Umständen lange Zeit in der Schwebe bleiben, wenn die Übernahmebedingungen zwischen den Beteiligten umstritten sind. Zudem ist für die Gesellschaft der vorläufige Fortbestand der Mitgliedschaftsrechte im Falle einer Kündigung im allgemeinen erträglicher als bei einem Gesellschafter, der aus wichtigem Grund ausgeschlossen werden muß. Schließlich hat der Senat den Erben eines verstorbenen Gesellschafters, die nach der Satzung zur Abtretung der Geschäftsanteile an eine von der Gesellschaft zu benennende Person verpflichtet waren, das Recht zugebilligt, sogar bei der Auswahl des Anteilserwerbers mitzustimmen (Urt. v. 21.1.1974 – II ZR 65/72, LM GmbHG § 47 Nr. 21).
e) Im Schrifttum wird das Ruhen der Mitgliedschaftsrechte vor allem für den Fall vertreten, daß ein Gesellschafter aus wichtigem Grund den Austritt aus der Gesellschaft erklärt hat. Dies wird damit begründet, ein Gesellschafter, der durch seine Austrittserklärung zu erkennen gegeben habe, mit dem künftigen Schicksal der Gesellschaft nichts mehr zu tun haben zu wollen, habe auch kein schutzwertes Interesse daran, noch an Gesellschafterbeschlüssen teilzunehmen (so Esch, GmbH-Rdsch. 1981, 25, 27 f; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., Anh. § 34 Rdn. 51, 52; vgl. aber auch § 60 Rdn. 71; aM Scholz/Winter aaO). Demgegenüber haben die Vorinstanzen zutreffend dargelegt, daß ein Gesellschafter nach Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses durchaus noch daran interessiert sein kann, in der Gesellschafterversammlung das Stimmrecht auszuüben. Zwar wird er in aller Regel keinen Wert mehr darauf legen, sich in der Gesellschaft unternehmerisch zu betätigen. Er bleibt aber durch seinen Geschäftsanteil vermögensrechtlich mit ihr verbunden und deshalb auch an Entscheidungen, die sich auf ihre wirtschaftliche Entwicklung auswirken können, mindestens so lange interessiert, bis er die ihm zustehende Abfindung erhalten hat.
Das ist namentlich dann der Fall, wenn die Gesellschaft von der Möglichkeit, den Geschäftsanteil des kündigenden Gesellschafters einzuziehen, Gebrauch machen will. Hier können sich Beschlüsse der Gesellschafterversammlung auf die Vermögenslage oder Ertragskraft der Gesellschaft so nachteilig auswirken, daß der gegen die Gesellschaft gerichtete Entschädigungsanspruch des Gesellschafters ernstlich gefährdet wird.
Eine solche Gefährdung kann aber mittelbar auch dann eintreten, wenn der Geschäftsanteil, wie hier, durch einen Mitgesellschafter übernommen werden soll. Ist dieser zur Zahlung des Entgelts nicht ohne weiteres in der Lage, so kann der ausscheidende Gesellschafter in die Lage kommen, im Wege der Pfändung auf den Geschäftsanteil des Übernehmers zugreifen zu müssen. Dessen Verwertung hängt aber von der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft und damit unter Umständen auch von den Entscheidungen der Gesellschafterversammlung ab. Ebenso verhält es sich mit etwaigen Darlehensansprüchen oder sonstigen Forderungen, die dem ausscheidenden Gesellschafter gegen die Gesellschaft selbst zustehen. Es kann aber auch so kommen, daß sich der Gesellschafter bei der Verwirklichung seines Kündigungsrechts Verzögerungsversuchen der anderen Gesellschafter oder anderen Schwierigkeiten ausgesetzt sieht und darum schließlich genötigt und berechtigt ist, die Auflösung der Gesellschaft zu betreiben (vgl. BGHZ 32, 17, 23). Für seinen dann gegebenen Anspruch auf Befriedigung aus dem Liquidationserlös ist wiederum die Vermögenslage der Gesellschaft von entscheidender Bedeutung, die nicht zuletzt auch durch Gesellschafterbeschlüsse beeinflußt wird.
Es kommt hinzu, daß eine Kündigung den Gesellschafter noch nicht von seiner durch zwingende Gesetzesvorschriften begründeten Verantwortung für die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals entbindet. So haftet er bis zu seinem Ausscheiden für Einzahlungen auf seine Stammeinlage, auch soweit sie erst nach der Kündigung gemäß § 46 Nr. 2 GmbHG fällig geworden sind. Ebenso muß er anteilig für einen Fehlbetrag aufkommen, der sich ergibt, wenn ein anderer Gesellschafter wegen verzögerter Einzahlung der Stammeinlage mit seinem Geschäftsanteil ausgeschlossen worden ist und die Einlage weder von dem Zahlungspflichtigen eingezogen noch durch Verkauf des Anteils gedeckt werden kann (§§ 21, 24 GmbHG). Verstoßen Maßnahmen der Gesellschafter, wie zum Beispiel eine durch den Vermögensstand der Gesellschaft nicht gerechtfertigte Gewinnausschüttung, gegen § 30 GmbHG, so haftet er unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 GmbHG auf Erstattung des zu Unrecht ausgezahlten Betrages. Nimmt der Ausgeschiedene auf solche Weise noch an den Pflichten und der Haftung eines Gesellschafters teil, so kann es ihm auf der anderen Seite nicht verwehrt sein, auch seine Mitgliedschaftsrechte bis zum Ausscheiden weiter auszuüben, besonders wenn es sich um Entscheidungen handelt, die sich unmittelbar oder mittelbar auf seine Haftung auswirken können.
f) Die Revision räumt ein, daß ein Gesellschafter nicht schon mit der Kündigung sämtliche Verwaltungsrechte einbüßen könne. Sie meint aber, diese Rechte änderten sich mit der Begründung eines Abfindungsanspruchs, der an die Stelle der vermögensmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft trete. Sie beschränkten sich nunmehr auf solche Befugnisse, die der ausscheidende Gesellschafter benötige, damit sein Abfindungsguthaben richtig ermittelt werde, wie die Rechte auf Benennung eines Schätzers, auf Bucheinsicht und auf Mitwirkung an der Feststellung einer Bilanz zum Abfindungsstichtag. Dagegen dürfe er nicht mehr über Maßnahmen mitabstimmen, die auf die Verwaltung der Gesellschaft über den Tag seines Ausscheidens hinaus zugeschnitten seien.
Dem kann nicht gefolgt werden. Hinge das Stimmrecht eines Gesellschafters, der seine Beteiligung aufgekündigt hat, im Einzelfall davon ab, ob und inwieweit sein Abfindungsinteresse durch eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung berührt ist, so wäre damit eine Quelle von Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten geschaffen, die Abstimmungsergebnisse mit einer unerträglichen Unsicherheit belasten und Zweifel an der Wirksamkeit von Beschlüssen, insbesondere solcher mit Außenwirkung (wie z.B. der Bestellung eines Geschäftsführers), begründen würden, die sich oft erst nach langwierigen Auseinandersetzungen lösen ließen.
Dem Anliegen der Revision ist aber auf andere Weise Rechnung zu tragen. Denn es ist nicht zu verkennen, daß sich mit der Kündigung eines Gesellschafters sein berechtigtes Interesse an einer Mitsprache in Angelegenheiten der Gesellschaft in der Tat erheblich vermindert und auf Entscheidungen begrenzt ist, die für ihn noch irgendwie von wirtschaftlicher Bedeutung sein können. Dies verpflichtet den Gesellschafter in besonderem Maße zur Zurückhaltung und verbietet es ihm mit Rücksicht auf seine bis zum Ausscheiden fortbestehende gesellschaftliche Treuepflicht, ohne triftigen Grund gegen eine von den anderen Gesellschaftern vorgeschlagene und sachlich vertretbare Maßnahme zu stimmen, die seine Vermögensinteressen weder unmittelbar noch mittelbar in irgendeiner Weise beeinträchtigen kann.
g) Damit erledigt sich insoweit auch der Hinweis der Revision auf den Vortrag der Klägerin, ihr persönliches Grundvermögen reiche aus, die der Streithelferin geschuldete Abfindung zu leisten. Ob ein Gesellschafter nach Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses noch ein Stimmrecht hat, läßt sich nur generell beantworten und kann sich nicht jeweils danach richten, inwieweit der Abfindungsanspruch des Gesellschafters im Einzelfall gefährdet erscheint. Zudem lassen sich die Aussichten für eine volle Befriedigung des Abfindungsanspruchs besonders schwer im voraus überblicken, wenn, wie im vorliegenden Fall, Streit über die Höhe der Abfindung besteht und die Verhandlungen über das Ausscheiden des Gesellschafters sich infolgedessen über lange Zeit hinziehen. Die Behauptung der Klägerin, der Abfindungsanspruch sei wirtschaftlich gesichert, kann aber, wie noch auszuführen sein wird, für die Frage Bedeutung erlangen, ob die Streithelferin das Stimmrecht im Einklang mit ihrer gesellschaftlichen Treuepflicht wahrgenommen hat.
h) Die Revision meint schließlich, eine Parallele zu der Rechtsprechung ziehen zu können, wonach der Käufer von Wohnungseigentum, zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist und auf den Nutzungen und Lasten bereits übergegangen sind, in Versammlungen der Wohnungseigentümer ein das Stimmrecht des Verkäufers verdrängendes eigenes Stimmrecht habe. Eine solche Parallele verbietet sich jedoch mit Rücksicht auf die völlig verschiedene Rechts- und Interessenlage bei Kündigung des Gesellschaftsvertrages.
2. Die Streithelferin war hiernach in der Gesellschafterversammlung vom 11. November 1981 stimmberechtigt. Eine Nichtigkeit der mit der Klage angegriffenen Beschlüsse wegen Mitwirkung eines nicht Stimmberechtigten (vgl. BGHZ 76, 154) scheidet daher aus, so daß die Vorinstanzen den Hauptantrag der Klägerin auf Feststellung der Nichtigkeit jener Beschlüsse mit Recht abgewiesen haben. Dabei geht der Senat mit der im Schrifttum überwiegend vertretenen Ansicht davon aus, daß auch die formal einwandfrei zustandegekommene Ablehnung eines Beschlußantrags mit Mehrheit oder infolge Stimmengleichheit ein Beschluß ist, der aus sachlichen Gründen nichtig oder anfechtbar sein kann; nur so ist für den antragstellenden Gesellschafter ein in allen Fällen ausreichender Rechtsschutz gewährleistet (Schilling/Zutt in Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., Anh. § 47 Rdn. 8; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 6. Aufl., § 45 Anm. 35 m.w.N.; offengelassen im Urt. d. Sen. v. 15.5.1972 – II ZR 70/70, LM GmbHG § 29 Nr. 2 III 1 b).
Es fragt sich aber, ob die Beschlüsse auf die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage für nichtig zu erklären sind, weil die Streithelferin ihr Stimmrecht treuwidrig und mißbräuchlich ausgeübt hat. Dies verneint das Berufungsgericht. Hierfür bietet der bislang feststehende Sachverhalt nur zum Teil eine ausreichende Grundlage.
a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Streithelferin habe sich der Bestellung des Sohnes der Klägerin zum Geschäftsführer widersetzen dürfen. Zwar mögen gegen die hierfür gegebene Begründung, die Klägerin habe zuvor die Abberufung eines Notgeschäftsführers betrieben, der mit dem damaligen Anwalt der Streithelferin wirtschaftlich zusammengearbeitet habe, Bedenken bestehen. Im Ergebnis ist die Entscheidung in diesem Punkt aber richtig. Solange die Streithelferin noch die Rechtsstellung einer Gesellschafterin hatte, war sie nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, darauf zu achten, daß nur solche Personen zu Geschäftsführern bestellt wurden, zu denen sie das Vertrauen hatte, daß sie ihre Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt ausschließlich im Interesse der Gesellschaft wahrnehmen würden. Wenn sie meinte, dem Sohn der Klägerin, mit der sie stark verfeindet ist, die hierfür notwendige Objektivität nicht zutrauen zu können, so war dies eine Entscheidung, mit der sie von ihrem Ermessen bei der Stimmabgabe im zulässigen Rahmen Gebrauch gemacht hat. Der Bestellungsantrag der Klägerin ist daher aufgrund der Gegenstimme der Streithelferin wirksam abgelehnt worden und auch die Anfechtungsklage insoweit unbegründet.
b) Anders verhält es sich mit der Ablehnung des von der Klägerin beantragten Gewinnausschüttungsbeschlusses. Das Berufungsgericht hält auch diese Entscheidung für wirksam. Es begründet dies damit, die mit ihr erreichte Ansammlung liquider Mittel ermögliche eine zügige Abfindung der Streithelferin nach gerichtlicher Feststellung der Höhe; auch werde auf diese Weise ein Druck auf die Klägerin ausgeübt, zur Höhe der Abfindung eine realistischere Sicht als bisher einzunehmen, nachdem sie und ihr Rechtsvorgänger deren Zahlung fast zehn Jahre lang verschleppt hätten. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht.
Eine Notwendigkeit, Liquidität bei der Beklagten anzusammeln, bestünde nur dann, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der zur Abfindung verpflichteten Klägerin mindestens zweifelhaft wäre; das hat die Klägerin bestritten. Auch darf die Verweigerung einer Gewinnausschüttung nicht als Druckmittel mißbraucht werden, den anderen Gesellschafter zum Nachgeben in einem Streit über die Höhe der Abfindung zu veranlassen. Sie ist vielmehr nur aus sachlichen Gründen zulässig. Ob solche Gründe bestehen, hat das Berufungsgericht bislang nicht festgestellt. Es läßt sich daher nicht ausschließen, daß die Streithelferin ihre Zustimmung zur Gewinnausschüttung mißbräuchlich versagt hat. Das könnte die Anfechtbarkeit des ablehnenden Beschlusses begründen. Es bedarf daher zu diesem Tagesordnungspunkt noch weiterer tatrichterlicher Feststellungen.
3. Hätte die Klägerin den die Gewinnausschüttung ablehnenden Beschluß mit Recht angefochten, so könnte insoweit auch ihr weiterer Antrag, das wirksame Zustandekommen des von ihr beantragten Beschlusses festzustellen, Erfolg haben. Voraussetzung hierfür wäre die Zulässigkeit eines mit der Anfechtungsklage verbundenen positiven Feststellungsantrags. Diese ist bei dem vorliegenden Sachverhalt gegeben.
Wie der Senat bereits entschieden hat, kann ein Gesellschafter auf Feststellung klagen, daß die Gesellschafterversammlung einen von ihm gestellten Antrag angenommen habe, wenn der Antrag am Widerspruch nicht stimmberechtigter Personen nur scheinbar gescheitert ist und der Versammlungsleiter wegen der Zweifelhaftigkeit der Rechtslage von der Verkündung eines bestimmten Beschlußergebnisses abgesehen hat (BGHZ 76, 154). Ferner hat er in einer Aktiengesellschaft die Verbindung einer Anfechtungs- mit einer positiven Feststellungsklage für zulässig erachtet, wenn in der Hauptversammlung der Vorsitzende zu Unrecht verkündet hat, ein Antrag sei wegen Fehlens der notwendigen Stimmenmehrheit abgelehnt (BGHZ 76, 191, 197 ff). Von den dort behandelten Fällen unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt dadurch, daß die Anträge der Klägerin wegen der formal einwandfreien Gegenstimme der stimmberechtigten Streithelferin abgelehnt wurden, diese Gegenstimme aber, wie zu unterstellen ist, zum Tagesordnungspunkt 3 mißbräuchlich abgegeben und deshalb der ablehnende Beschluß mit Erfolg angefochten worden ist. Auch für einen solchen Fall halten Zöllner (Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, § 31 IV 2 c S. 367 f, § 34 III, S. 405 ff unter Annahme der Nichtigkeit treuwidrig abgegebener Gegenstimmen und dementsprechend falscher Ergebnisfeststellung durch den Abstimmungsleiter) und Schilling/Zutt (aaO Anh. § 47 Rdn. 89, 152) die Koppelung der Anfechtungsklage mit einer Klage auf Feststellung des „richtigen” Beschlußergebnisses für grundsätzlich zulässig. Dagegen hat Karsten Schmidt (aaO § 47 Anm. 29) Bedenken, allein durch eine Anfechtungs- und Feststellungsklage gegen die Gesellschaft, also ohne Prozeß gegen den widerstrebenden Gesellschafter, dessen positive Stimmpflicht klären und verwirklichen zu lassen. Er sieht deshalb die angemessene Lösung darin, ähnlich wie bei einer Ausschließungsklage in einer Personengesellschaft (vgl. BGHZ 68, 81) die Klage auf Feststellung des positiven Beschlußergebnisses mit einer gegen den Gesellschafter gerichteten Klage auf positive Stimmabgabe zu verbinden. Von einer solchen Leistungsklage könne nur ganz ausnahmsweise in zweifelsfreien Fällen abgesehen und dann über die Zustimmungspflicht im Prozeß gegen die Gesellschaft als Vorfrage entschieden werden.
In der Tat erscheint es schon unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs bedenklich, in einem Anfechtungs- und Feststellungsprozeß gegen die Gesellschaft nicht nur die ablehnende Stimme eines Gesellschafters für wirkungslos zu erklären, sondern darüber hinaus auch ein gegenteiliges Beschlußergebnis festzustellen, ohne daß diesem Gesellschafter Gelegenheit gegeben wird, Einwendungen hiergegen in dem anhängigen Verfahren zu erheben. Solche Bedenken scheiden aber im vorliegenden Fall deshalb aus, weil die Gesellschafterin, die ablehnend gestimmt hat, als Nebenintervenientin am Verfahren beteiligt ist und so ihre Auffassung hinreichend zur Geltung bringen konnte. Damit hatte sie auch die Möglichkeit, etwa bestehende sonstige Gründe, die gegen die Wirksamkeit eines positiven Beschlusses sprechen könnten, schon in diesem Verfahren vorzubringen (vgl. BGHZ 76, 191, 200 f). Jedenfalls bei dieser Verfahrenslage ist die von der Klägerin gewählte Klageverbindung das geeignete und angemessene Mittel, ohne umständliche Umwege zu einem sachgerechten Abstimmungsergebnis zu gelangen.
Dem steht auch nicht die Überlegung entgegen, es sei widersprüchlich, einen ablehnenden Beschluß für nichtig zu erklären und gleichzeitig das Zustandekommen eines zustimmenden Beschlusses festzustellen, obwohl nur ein einziger Beschluß vorliege. Mit der Beseitigung der ablehnenden Stimme durch eine erfolgreiche Anfechtung ist der Weg dafür frei, den wirkungslos abgelehnten Antrag aufgrund der dann vorliegenden mehrheitlichen Zustimmung zur Geltung zu bringen (vgl. BGHZ 76, 191, 197 f).
4. Die Sache ist daher zur weiteren Klärung der Frage, ob für die ablehnende Stimmabgabe der Streithelferin zum Gewinnausschüttungsantrag der Klägerin sachliche Gründe vorgelegen haben, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im übrigen muß die Revision zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 650030 |
BGHZ, 320 |
ZIP 1983, 1444 |
DNotZ 1985, 89 |