Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine eigenkapitalersetzende Leistung vorliegt, wenn ein Gesellschafter eine Bankbürgschaft, die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem gegen die Gesellschaft ergangenen, vorläufig vollstreckbaren Urteil geleistet worden ist, dadurch absichert, daß er der Bank eine ihm persönlich zustehende Eigentümergrundschuld abtritt.
Normenkette
GmbHG § 30
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 26.05.1988) |
LG Düsseldorf |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Mai 1988 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte ist Konkursverwalter über das Vermögen der Bauunternehmung Willy R. Hoch- und Tiefbau GmbH & Co. KG. Der Kläger ist deren Kommanditist.
Die Gemeinschuldnerin war von einer Firma F. auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden, weil sie einen Bauleistungsauftrag, den ihr diese Firma erteilt zu haben behauptete, nicht ausgeführt hatte. Im Jahre 1972 erlangte die Firma F. ein Urteil, in dem die Schadensersatzpflicht der Gemeinschuldnerin festgestellt wurde; das Urteil wurde 1974 rechtskräftig. Im anschließenden Rechtsstreit über die Höhe des Anspruchs wurde die Gemeinschuldnerin durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28. Juni 1977 zur Zahlung von 393.456,82 DM verurteilt; das Urteil war gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Gemeinschuldnerin vereinbarte mit der Firma F., daß diese nicht vollstrecken werde, wenn sie selbst die Sicherheit in Höhe von 400.000,– DM leiste. Am 15. August 1977 übernahm die W. (im folgenden: W.) auf der Grundlage eines mit der Gemeinschuldnerin geschlossenen Avalkreditvertrags eine entsprechende Prozeßbürgschaft. Zur Sicherheit trat ihr der Kläger eine ihm persönlich zustehende Eigentümergrundschuld von 1 Million DM ab. Er selbst ließ sich dafür von der Gemeinschuldnerin sicherungshalber unter anderem zwei Forderungen abtreten, über die diese damals mit den Schuldnern prozessierte. Bei dem einen von ihnen handelte es sich um Rechtsanwalt Dr. L., der die Gemeinschuldnerin seinerzeit dahingehend beraten hatte, daß der ihr von der Firma F. erteilte Auftrag nicht wirksam sei und sie ihn deshalb nicht auszuführen brauche; die Gemeinschuldnerin nahm ihn aus diesem Grund auf Schadensersatz in Anspruch. Gegen den anderen, S., machte die Gemeinschuldnerin eine streitige Werklohnforderung geltend. Die Klage gegen Dr. L. war durch Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Mai 1977 abgewiesen worden. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurden dieses Urteil wie auch ein zweites, der Feststellungsklage der Gemeinschuldnerin stattgebendes Berufungsurteil vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Der Rechtsstreit endete im März 1985 mit einem Vergleich, in dem sich Rechtsanwalt Dr. L. zur Zahlung von 220.000,– DM verpflichtete. S. war in erster Instanz durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Mai 1977 zur Zahlung von mehr als 300.000,– verurteilt worden, hatte dagegen jedoch Berufung eingelegt; diese wurde später durch Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 1978 zurückgewiesen. Die Annahme der dagegen eingelegten Revision lehnte der Bundesgerichtshof durch Beschluß vom 12. Februar 1981 ab.
Über das Vermögen der Kommanditgesellschaft wurde am 14. Juli 1978 das Vergleichsverfahren und am 20. Februar 1979 das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Aus den beiden Forderungen gegen Dr. L. und S. erhielt der Beklagte nach der Behauptung des Klägers insgesamt 515.250,55 DM.
Diesen Betrag nimmt der Kläger für sich in Anspruch; nach seiner Darstellung hat er im Zusammenhang mit der von ihm abgesicherten Prozeßbürgschaft der W. insgesamt 569.126,89 DM aufgewandt. Von den 515.250,55 DM hat er nach Abzug von 57.725,98 DM einen Betrag von 457.524,57 DM eingeklagt. Bei den 57.725,98 DM handelt es sich um einen hinterlegten Restbetrag aus der von der W. geleisteten Bürgschaftssumme, um den sich der Kläger mit der Firma F. streitet. Insoweit hat er gegenüber dem Beklagten Feststellung beantragt, daß dieser ihm auch jenen Restbetrag zu zahlen habe, soweit er in dem darüber mit der Firma F. geführten Rechtsstreit unterliegen sollte.
Der Beklagte hat sich darauf berufen, daß die vom Kläger übernommene Absicherung der Prozeßbürgschaft eine eigenkapitalersetzende Leistung gewesen sei und daß dem Kläger deshalb aus den an ihn abgetretenen Forderungen keine Befriedigung zustehe. Außerdem hat er sich auf die Konkursanfechtungstatbestände berufen.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 296.738,56 DM nebst Zinsen verurteilt und die beantragte Feststellung ausgesprochen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte den Antrag auf volle Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Ob der Beklagte die Auszahlung der Gelder, die er aus den an den Kläger abgetretenen Forderungen erlangt hat, unter dem Gesichtspunkt des Kapitalersatzes verweigern kann, richtet sich hier nicht nach den erst am 1. Januar 1981 in Kraft getretenen §§ 32 a, 32 b GmbHG, 32 a KO, sondern nach den vom Senat insoweit zu den §§ 30, 31 GmbHG entwickelten Grundsätzen. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage des vom Beklagten vorgetragenen Sachverhalts den kapitalersetzenden Charakter der vom Kläger für die Gesellschaft erbrachten Leistung zu Unrecht verneint.
1. Die §§ 30, 31 GmbHG sind auf eine der Zuführung von Eigenkapital gleichkommende Leistung des Kommanditisten einer GmbH & Co. KG jedenfalls dann entsprechend anzuwenden, wenn dieser gleichzeitig Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist (vgl. BGHZ 69, 274, 279). Das ist hier nach der Behauptung des Beklagten der Fall. Davon ist für die Revisionsinstanz auszugehen.
2. Der Kläger hat sich in den Vorinstanzen auf den Standpunkt gestellt, die von ihm vorgenommene Absicherung des der Prozeßbürgschaft der WestLB zugrundeliegenden Avalkredits sei einem Gesellschafterdarlehen nicht gleichzustellen, weil dadurch der Gesellschaft keine Geldmittel zugeführt worden seien. Diese Betrachtung ist nicht richtig.
Die Firma F. konnte aus dem Urteil auf Zahlung von 393.456,82 DM, das sie gegen die Gemeinschuldnerin erwirkt hatte, gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstrecken. Die Gemeinschuldnerin konnte dies nur dadurch abwenden, daß sie – aufgrund einer Vereinbarung mit der Gläubigerin – ihrerseits Sicherheit leistete. Als Sicherheitsleistung sieht § 108 Abs. 1 ZPO grundsätzlich die Hinterlegung von Geld oder zur Sicherheitsleistung geeigneten Wertpapieren vor. Verfügt der Schuldner nicht über die dafür erforderlichen Mittel, muß er sie sich im Kreditwege besorgen. Die Art der Sicherheitsleistung kann freilich durch gerichtliche Bestimmung oder Vereinbarung der Parteien anderweitig festgelegt werden. Wird, wie üblich und wie auch im vorliegenden Fall geschehen, eine Bankbürgschaft zugelassen, dann ersetzt diese die für die Hinterlegung erforderlichen Finanzmittel. Ihr liegt im Verhältnis zwischen der Bank und dem Hauptschuldner ein sogenannter Avalkreditvertrag zugrunde (vgl. BGH, Urt. v. 3. Mai 1984 – IX ZR 37/83, WM 1984, 768, 769). Wird, wie hier, ein solcher der Gesellschaft gewährter Haftungskredit durch einen Gesellschafter persönlich abgesichert, dann stellt diese Leistung bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Kapitalersatz dar (vgl. Rümker, FS Stimpel, 1985, S. 673, 695). Das ist nicht anders als bei der wirtschaftlich denselben Zweck erfüllenden Kaution, bei der es keine Rolle spielt, ob der Gesellschafter sie selbst stellt (dazu Sen.Urt. v. 12. Dezember 1988 – II ZR 378/87, WM 1989, 253, 255 = ZIP 1989, 161, 162) oder ob er die durch einen Dritten gestellte Kaution absichert.
3. Nach der Rechtsprechung des Senats stellt eine Gesellschafterleistung Ersatz für Eigenkapital dar, wenn die Gesellschaft entweder konkursreif ist oder wenn sie im Zeitpunkt der Leistung von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen hätte erhalten können und deshalb ohne die Leistung hätte liquidiert werden müssen (BGHZ 76, 326, 330; BGHZ 81, 311, 317). Diese Voraussetzungen liegen hier nach dem Sachverhalt, von dem in der Revisionsinstanz auszugehen ist, vor.
Das Berufungsgericht hat unterstellt, daß die Gemeinschuldnerin im Sommer 1977 über keine für die Leistung der Sicherheit ausreichenden flüssigen Mittel verfügte und daß sie von dritter Seite kurzfristig keinen Kredit zu banküblichen Bedingungen hätte erhalten können. Es hat weiter ausgeführt, daß ein wirtschaftlich gesunder Zustand der Gemeinschuldnerin für das Jahr 1977 nicht angenommen werden könne, daß vielmehr der im Jahre 1976 erwirtschaftete Verlust von mehr als 2 Millionen DM sowie das im Jahre 1978 eröffnete und im Jahre 1979 in das Anschlußkonkursverfahren übergeleitete Vergleichsverfahren eher dagegen sprächen. Der Beklagte hat dazu in den Tatsacheninstanzen vorgetragen, die Hausbank der Gemeinschuldnerin, die D. Volksbank, habe es im Hinblick auf den Umfang des von ihr bereits zur Verfügung gestellten Betriebsmittelkredits abgelehnt, der Gemeinschuldnerin den beantragten Avalkredit von 400.000,– DM einzuräumen, und die W. habe ausdrücklich die ihr von der Gesellschaft angebotenen Sicherheiten als unzureichend zurückgewiesen. Er hat ferner behauptet, für die damaligen Geschäftsführer habe festgestanden, daß, wenn es nicht gelinge, die Zwangsvollstreckung durch die Firma F. abzuwenden, die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragt werden müsse. Mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts ist für die Revisionsinstanz von der Richtigkeit dieses Tatsachenvorbringens auszugehen. Die Gemeinschuldnerin war danach nicht nur kreditunfähig, sondern auch konkursreif.
Allerdings spricht es gegen eine Kreditunfähigkeit, wenn die Gesellschaft ausreichende Sicherheiten stellen kann, die Hausbanken diese aber nur deswegen nicht akzeptieren, sondern persönliche Absicherung durch die Gesellschafter verlangen, weil dies ihren allgemeinen Gepflogenheiten entspricht oder weil sie kein Vertrauen in die Sanierungsbemühungen der Geschäftsführung haben (Sen.Urt. v. 28. September 1987 – II ZR 28/87, WM 1987, 1488, 1489). So war es hier nach dem Tatsachenvortrag des Beklagten aber nicht. Danach soll die W. die ihr angebotene zusätzliche Belastung des Büro- und Parkhauses der Gemeinschuldnerin in Solingen, auf dem bereits langfristige Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 2,1 Millionen DM abgesichert gewesen seien, wegen des dafür nach ihrer Einschätzung nicht ausreichenden Grundstückswerts abgelehnt haben. Die an den Kläger abgetretenen, bestrittenen Forderungen gegen Rechtsanwalt Dr. L. und gegen S., um die damals noch prozessiert wurde, stellten jedenfalls keine ausreichenden Sicherheiten dar.
4. Das Berufungsgericht hat es gleichwohl abgelehnt, die vom Kläger durch Abtretung der Eigentümergrundschuld bewirkte Absicherung der Prozeßbürgschaft als Ersatz für haftendes Kapital einzustufen. Es hat dazu ausgeführt, diese lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung getroffenen Maßnahmen hätten weder einer dauerhaften noch auch nur einer vorübergehenden Liquiditätsverbesserung gedient. Es sei nur darum gegangen, die mit der Gefahr des Zusammenbruchs des Unternehmens behaftete Zwangsvollstreckung aus dem nur vorläufig vollstreckbaren Titel so lange hinauszuschieben, bis die Gesellschaft ihre Forderungen gegen Dr. L. und S. durchgesetzt und sich auf diese Weise das Geld beschafft haben würde, das sie zur Erfüllung der Forderung der Firma F. soweit sich diese letztlich als berechtigt erweisen sollte, benötigt habe.
Diese Begründung trägt unter den hier gegebenen Umständen die Entscheidung nicht. Nach der Rechtsprechung des Senats haben kurzfristige Überbrückungskredite, die nur der Deckung eines vorübergehenden Geldbedarfs dienen sollen, wegen dieser Zweckbestimmung nicht die Bedeutung kapitalersetzender Darlehen (BGHZ 31, 258, 269; BGHZ 75, 334, 337; BGHZ 90, 381, 393 f.; Sen.Urt. v. 24. April 1989 – II ZR 207/88, WM 1989, 1166, 1168; vgl. dazu Fleck, LM GmbHG, § 30 Nr. 6). Im Schrifttum ist diese Einschränkung vereinzelt auf Kritik gestoßen. Könne, so wird geltend gemacht, die Gesellschaft damit rechnen, den Kredit alsbald mit anderen Mitteln ablösen zu können, dann sei sie in Wirklichkeit nicht kreditunfähig. Anderenfalls sei es nicht gerechtfertigt, die Deckung eines wenn auch überraschend aufgetretenen Finanzmittelbedarfs durch einen Gesellschafter von der Einstufung als Eigenkapitalersatz auszunehmen (Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 40 f.; Fischer/Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 12. Aufl. §§ 32 a/b Rdn. 22; G. Hueck in Baumbach/Hueck, GmbHG, 15. Aufl. § 32 a Rdn. 29; vgl. auch Schwark, JZ 1984, 1036, 1037; OLG Hamm ZIP 1986, 1321, 1323; OLG Düsseldorf, ZIP 1989, 586, 587 f.). Der wesentliche Kern dieser Ansicht besteht darin, daß sie die von den Parteien vereinbarte Zweckbestimmung eines Kredits als einer kurzfristigen Überbrückungshilfe nicht genügen läßt, um den Kapitalersatzcharakter auszuschließen. Sie verlangt vielmehr, daß dem die objektive Lage des Unternehmens entspricht; insbesondere soll es erforderlich sein, daß eine reale Aussicht besteht, den Kredit in der vorgesehenen kurzen Zeitspanne ablösen zu können, und daß dies dann auch tatsächlich geschieht (in diesem Sinne auch Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 7. Aufl. II §§ 32 a, 32 b Rdn. 45; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 7. Aufl. §§ 32 a, 32 b Rdn. 36).
Zu der Frage ist hier nicht abschließend Stellung zu nehmen. Im vorliegenden Fall kann der eigenkapitalersetzende Charakter der Leistung des Klägers jedenfalls dann nicht verneint werden, wenn ohne sie bereits damals der Konkurs unvermeidbar gewesen wäre; davon, daß es so war, ist, wie bereits erwähnt, für die Revisionsinstanz auszugehen. In einem solchen Fall ist die Funktion des Eigenkapitalersatzes immer zu bejahen (Sen.Urt. v. 29. November 1971 – II ZR 121/69, WM 1972, 74; BGHZ 76, 326, 330).
Unabhängig davon hat das Berufungsgericht, was die Revision zu Recht rügt, bei seiner Beurteilung die besonderen, teils unstreitigen, teils vom Beklagten behaupteten und bisher nicht widerlegten Umstände dieses Falles nicht hinreichend berücksichtigt. Sie schließen es aus, die die Prozeßbürgschaft der W. absichernde Leistung des Klägers als kurzfristige, kein Eigenkapital ersetzende Überbrückungshilfe zu qualifizieren. Mit der – noch dazu kurzfristigen – Beseitigung des zugunsten der Firma F. ergangenen Vollstreckungstitels war ernstlich nicht zu rechnen; denn die ihm zugrundeliegende Schadensersatzverpflichtung der Gemeinschuldnerin stand seit 1974 rechtskräftig fest, und es ging nur noch um die Höhe des Anspruchs. Tatsächlich ist die Verurteilung der Gemeinschuldnerin später in Höhe von 248.895,51 DM rechtskräftig geworden. Die Mittel, mit denen die Gemeinschuldnerin die Verbindlichkeit gegenüber der Firma F. begleichen und damit letztlich den durch die Leistung des Klägers ermöglichten Kredit ablösen wollte, sollten durch die Realisierung der beiden sicherungshalber an den Kläger abgetretenen Forderungen gegen Dr. L. und S. gewonnen werden; von einer anderen Möglichkeit der Kreditrückführung ist im Vortrag des Klägers nicht die Rede. Wann und in welcher Höhe sich jene Forderungen würden durchsetzen lassen, war indessen im Zeitpunkt der Leistung des Klägers denkbar unsicher. Die Klage gegen Dr. L. war erst kurz zuvor in der Berufungsinstanz abgewiesen worden. Damit war auf absehbare Zeit mit einer der Gemeinschuldnerin günstigen Entscheidung in jenem Prozeß nicht zu rechnen. Auch der Kläger soll das nach der Behauptung des Beklagten damals so gesehen haben. Darüber hinaus sollen etwaige Vollstreckungsmöglichkeiten gegenüber Rechtsanwalt Dr. L. unsicher zu beurteilen gewesen sein, weil dessen Versicherungsschutz unzureichend gewesen sei. Tatsächlich konnte ein Titel gegen Dr. L. erst – lange nach Konkurseröffnung – im dritten Berufungsverfahren in einem vom Beklagten im März 1985 geschlossenen Vergleich erlangt werden. Auch der Anspruch gegen S. wurde der Gemeinschuldnerin erst durch Nichtannahmebeschluß des Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 1981 rechtskräftig zugesprochen.
Auf der Grundlage dieses Sachverhalts kann von einem kurzfristigen Überbrückungskredit nicht gesprochen werden.
5. Wenn sich nach den vom Berufungsgericht nachzuholenden Tatsachenfeststellungen zur Frage der Kreditunfähigkeit oder der Konkursreife erweisen sollte, daß der Leistung des Klägers eigenkapitalersetzender Charakter zukam, ist ein Anspruch auf ihre Rückgewähr und damit auf Auskehrung des Erlöses aus den sicherungshalber an ihn abgetretenen Forderungen ausgeschlossen, soweit infolge von Überschuldung der Kommanditgesellschaft oder durch sonstige Entwertung der Beteiligung der Komplementär-GmbH deren Stammkapital – wie es in einem solchen Fall regelmäßig zu sein pflegt – angegriffen ist (BGHZ 76, 326, 336). Das Berufungsgericht hat hierzu – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen getroffen. Das wird, gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien, ebenfalls nachzuholen sein.
II. Der Beklagte hat sich auch auf die Anfechtungstatbestände der §§ 31 Nr. 2 und 30 Nr. 1 KO berufen. Das Berufungsgericht hat sich damit nicht befaßt; die Revision rügt das zu Recht. Wegen dieses Verfahrensfehlers ist das Berufungsurteil nach § 551 Nr. 7 ZPO ebenfalls aufzuheben. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Beklagte die Erfüllung der Klageforderung auch unter diesem Gesichtspunkt verweigern kann.
1. Zum Anfechtungsgrund nach § 30 Nr. 1 KO hat der Beklagte behauptet, die Kommanditgesellschaft sei schon im Zeitpunkt der Abtretung der beiden Forderungen an ihn am 18. August 1977 zahlungsunfähig gewesen. Bisher fehlt es dazu an tatrichterlichen Feststellungen.
2. Was den Anfechtungsgrund nach § 31 Nr. 2 KO betrifft, können folgende Erwägungen eine Rolle spielen:
- Die Forderungsabtretung vom 18. August 1977 lag weniger als ein Jahr vor Eröffnung des Vergleichsverfahrens am 14. Juli 1978; auf diesen Zeitpunkt kommt es gemäß § 107 Abs. 2 VerglO für die Anwendung des § 31 Nr. 2 KO an.
- Der Tatbestand des § 31 Nr. 2 KO setzt einen Vertrag des Gemeinschuldners mit einem der dort aufgeführten nahen Angehörigen voraus. Die Rechtsprechung hat dazu in bestimmten Fällen auch persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft und GmbH-Gesellschafter gerechnet (vgl. die Zusammenstellung in BGHZ 96, 352, 357). Ob das auch für den Kommanditisten gilt, ist noch nicht entschieden und in der Literatur streitig (dafür z.B. Kuhn/Uhlenbrock, KO, 10. Aufl. § 31 Rdn. 23; wohl auch Kilger, KO, 15. Aufl. § 31 Anm. 13; dagegen Mohrbutter, Handbuch des gesamten Vollstreckungs- und Insolvenzrechts, 2. Aufl. § 78 I B 5). Im jetzigen Verfahrensstadium ist darauf nicht weiter einzugehen.
- Eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 31 Nr. 2 KO liegt nicht vor, wenn der spätere Gemeinschuldner für das, was er aufgibt, eine vollwertige Gegenleistung erhält. Die Prozeßbürgschaft der WestLB, die die Gemeinschuldnerin im Gegenzug für die an den Kläger abgetretenen Forderungen erhalten hat, genügt diesen Anforderungen jedoch deswegen nicht, weil sie nur einem einzelnen Gläubiger – der Firma F. – zugute kam; die Gesamtheit der Gläubiger hat damit für die ihrem Zugriff entzogenen Forderungen gegen Dr. L. und S. keinen gleichwertigen Ersatz erhalten (vgl. auch BGH, Urt. v. 9. Februar 1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404, 405).
- Nach § 41 Abs. 1 KO muß das Anfechtungsrecht spätestens ein Jahr nach Konkurseröffnung ausgeübt werden. Diese Frist hat der Beklagte nicht gewahrt; darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Nach § 41 Abs. 2 KO kann der Konkursverwalter aber die Erfüllung einer durch die anfechtbare Handlung begründeten Leistungsverpflichtung auch nach Ablauf der Frist verweigern. Diese Vorschrift ist nach einer ständigen, bereits vom Reichsgericht begründeten Rechtsprechung auch auf die Herausgabepflicht des Konkursverwalters nach § 816 Abs. 2 BGB anzuwenden, die sich daraus ergibt, daß er einen einem Aussonderungsrecht unterliegenden Gegenstand verwertet und den Erlös zur Masse gezogen hat (RGZ 84, 225, 227 f.; RGZ 95, 224, 226; BGHZ 30, 238, 239; BGH, Urt. v. 4. Mai 1970 – VIII ZR 163/68, MDR 1970, 757; ebenso Kuhn/Uhlenbrock a.a.O. § 41 Rdn. 12 b; Kilger a.a.O. § 41 Anm. 8).
3. Der Senat kann die Sache unter dem Gesichtspunkt der Konkursanfechtung nicht abschließend entscheiden, weil das Verweigerungsrecht des Beklagten nicht besteht, wenn der Kläger beweist, daß ihm zur Zeit des Vertragsschlusses eine Absicht der Gemeinschuldnerin, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war. Dazu fehlt es an tatrichterlichen Feststellungen.
III. Damit die noch erforderlichen Tatsachenfeststellungen getroffen werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Boujong, Dr. Bauer, Röhricht, Dr. Henze, Stodolkowitz
Fundstellen
Haufe-Index 1127360 |
BB 1990, 87 |
NJW 1990, 980 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1990, 95 |
GmbHR 1990, 125 |