Leitsatz (amtlich)
a) Bei Bemessung der Höhe des Ausgleiches im Rahmen der Billigkeit sind gegebenenfalls auch Umstände zu berücksichtigen, die erst nach Entstehung des Anspruchs eingetreten sind.
b) Ist ein Handelsvertreter wegen der Größe seines Geschäftsbetriebs Vollkaufmann und hat er von dem Unternehmer fortlaufend Provisionsabrechnungen sowie Durchschläge der den Kunden erteilten Auftragsbestätigungen und Rechnungen erhalten, so kann in der jahrelangen widerspruchslosen Hinnahme dieser Unterlagen ein sich ständig wiederholendes Anerkenntnis gefunden werden, daß ihm weitere Provisionsansprüche nicht zustehen, auch wenn die Unterlagen möglicherweise in einer Reihe von Einzelfällen nicht ausreichten, um ihm volle Klarheit über alle Provisionsansprüche zu verschaffen. Der Handelsvertreter kann unter solchen Umständen für die zurückliegende Zeit auch keinen Buchauszug mehr verlangen (Abweichung von LM Nr. 3 zu § 87 c HGB und dem Urteil vom 28.11.1963 VII ZR 90/62).
Normenkette
HGB §§ 89b, 87c
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 22.03.1963) |
LG Hof |
Tenor
Die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Bamberg vom 22. März 1963 werden zurückgewiesen, jedoch mit der folgenden Einschränkung:
Das Urteil wird auf die Revision der Beklagten aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, soweit die Widerklage auf Auskunft über Geschäfte in Herrenwäsche, auch aus Strick- und Wirkstoffen, abgewiesen ist, die der Kläger in der Zeit bis zum 29. Januar 1959 für die Firma Sch. in E. vermittelt oder abgeschlossen hat.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt zu 3/4 die Beklagte, zu 1/5 der Kläger. Die Entscheidung über das restliche 1/20 dieser Kosten wird dem Berufungsgericht übertragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger vermittelte seit dem 1. Juni 1949 als Bezirkshandelsvertreter der Beklagten in Teilen Süddeutschlands den Vertrieb von Herrenwäsche. Die vertraglichen Beziehungen der Parteien waren zuletzt in dem Vertrag vom 1. Januar 1954 geregelt.
Mit Schreiben vom 3. Oktober 1958 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie halte es für geboten, dem Beispiel der Konkurrenz zu folgen und die Vertreterbezirke zu verkleinern, er habe selbst kürzlich erklärt, daß der Einsatz eines zweiten Mitarbeiters in seinem Gebiet erforderlich sei, sie wolle den Raum westlich der Linie B.-Kö. von seinem Gebiet abtrennen, die gesetzlich vorgesehene Entschädigung für die in Frage kommenden Kunden stehe ihm zu. Mit weiteren Schreiben vom 9. und 17. Oktober 1958 grenzte die Beklagte das abzutrennende Gebiet endgültig und genau ab.
Am 29. Januar 1959 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis mit dem Kläger fristlos, weil dieser die Vertretung von zwei Konkurrenzfirmen übernommen habe. Der Kläger widersprach der fristlosen Kündigung nicht.
Er hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen:
1) ihm als Entschädigung für die Abtrennung des Teilgebietes einen Ausgleich von 4.000 DM zu zahlen,
2) ihm Auskunft darüber zu geben, auf welche Aufträge sich die Retouren bezögen, mit denen sie ihn in ihren Provisionsabrechnungen vom Februar bis Juli 1959 belastet habe, und auf welchen Gründen diese Retouren beruhten,
3)
- ihm für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis zum 29. Januar 1959 einen vollständigen Buchauszug über sämtliche Bestellungen in seinem Bezirk einschließlich der Lagerverkäufe zu erteilen,
- ihm das aus dem Buchauszug sich noch ergebende Provisionsguthaben zu zahlen.
Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und mit Widerklage begehrt,
den Kläger zu verurteilen, ihr Auskunft über die Geschäfte zu erteilen, die er während der Vertragszeit mit ihr für die Firmen Sch. in E. und M. in Bi. über Herrenwäsche, auch aus Strick- und Wirkstoffen, vermittelt oder abgeschlossen habe, und ihr den sich aus der Auskunft ergebenden Schadensbetrag nebst Zinsen zu bezahlen.
Der Kläger hat um Abweisung der Widerklage gebeten.
Das Landgericht hat durch Teilurteil nach den Klageanträgen zu 1, 2, 3 a erkannt, soweit sie bei ihm gestellt waren; die Widerklage hat es abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte ebenfalls nach den Klageanträgen zu 1 und 2 verurteilt; dagegen hat es den Kläger mit den Anträgen zu 3 a und 3 b abgewiesen und ihn auf die Widerklage verurteilt, der Beklagten unter Angabe der Liefermengen und Lieferpreise Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte in Herrenoberhemden er für die Firma Sch. in E. bis zum 29. Januar 1959 vermittelt oder abgeschlossen habe; im übrigen hat es die Widerklage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf Abweisung der Klageanträge zu 1 und 2 weiter und erstrebt ferner auf die Widerklage Verurteilung des Klägers dahin, daß er Auskunft zu erteilen habe, welche Geschäfte er in Herrenwäsche, auch in Herrenhemden aus Wirk- und Strickstoffen, für die Firma Sch. in E. bis zum 29. Januar 1959 vermittelt und abgeschlossen habe.
Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlußrevision den Klageantrag zu 3 a weiter.
Jede Partei beantragt, das Rechtsmittel der anderen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
A. Zur Revision der Beklagten
I. Zum Ausgleichsanspruch
Das Berufungsgericht hat den Ausgleichsanspruch des Klägers wegen der Einschränkung seines Vertreterbezirks im Oktober 1958 in Höhe von 4.000 DM für begründet erachtet.
1.) Es hat festgestellt, die Parteien hätten sich auf das Schreiben der Beklagten vom 3. Oktober 1958 hin über die Bezirksverkleinerung geeinigt, und ist der Auffassung, infolge dieser Teilbeendigung des Vertragsverhältnisses sei nach § 89 b HGB ein Ausgleichsanspruch des Klägers entstanden, da die Beklagte einen wichtigen Grund zu der Gebietsabtrennung wegen eines schuldhaften Verhaltens des Klägers nicht geltendgemacht habe. Die weitere Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch in einem solchen Falle, daß die Einschränkung des Vertreterbezirks wesentlich sei, liege ebenfalls vor. Der Kläger habe in dem abgetrennten Gebiet in den letzten 5 Jahren einen Umsatz von rund 725.000 DM und damit eine Jahresdurchschnittsprovision von rund 7.250 DM erzielt.
Der Kläger habe danach den Ausgleichsanspruch kraft Gesetzes, wenn auch die weiteren Voraussetzungen des § 89 b HGB hierfür vorlägen. Er habe ihn aber auch durch Vereinbarung erworben. Die Beklagte habe den Anspruch in ihrem Schreiben vom 3. Oktober 1958 anerkannt. Sie habe damit nicht nur, wie sie jetzt geltend mache, darauf hingewiesen, daß der Kläger den Anspruch geltend machen könne, falls die Voraussetzungen dafür beständen. Die Beklagte habe vielmehr das Anerkenntnis abgegeben, um das Einverständnis des Klägers mit der Gebietsabtrennung zu erhalten.
2.) Unter diesen Umständen braucht hier nicht entschieden zu werden, ob der Auffassung des Berufungsgerichts beizutreten ist, daß ein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB auch bei Teilbeendigung eines Handelsvertreterverhältnisses durch Gebietsverkleinerung entstehen kann, einer Auffassung, die in der Rechtsprechung und besonders im Schrifttum mehrfach vertreten worden ist und, soweit festgestellt werden kann, bisher keinen ausdrücklichen Widerspruch gefunden hat.
Jedenfalls rechtfertigt sich die Bejahung des Ausgleichsanspruchs durch das Berufungsgericht auf Grund der von ihm festgestellten Vereinbarung der Parteien. Die diesbezügliche tatrichterliche Auslegung ist frei von Rechtsfehlern, ist auch nicht, wie die Revision ohne weitere Begründung meint, mit den Denkgesetzen und dem Wortlaut der Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 3. Oktober 1958 unvereinbar. Es ist naheliegend, daß die Beklagte mit der Entschädigungszusage das Einverständnis des Klägers mit der Gebietsabtrennung erlangen wollte. Das Berufungsgericht brauchte daher diese seine Feststellung nicht noch durch Anführung weiterer Tatsachen zu begründen.
Im übrigen geht es davon aus, daß für die von den Parteien vereinbarte Ausgleichszahlung die Bestimmungen im § 89 b Abs. 1 und 2 HGB maßgebend sein sollten. Auch diese Auslegung der Abrede ist frei von Rechtsirrtum.
3.) Das Berufungsgericht hat auch mit Recht verneint, daß der Kläger die Frist des § 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB für die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs versäumt habe. Die Beklagte kann mit diesem Einwand überhaupt nicht gehört werden, nachdem sie dem Kläger die Zahlung als Entgelt für die von ihm bewilligte Bezirksverkleinerung versprochen hatte.
Zwecks der Vorschrift des § 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB ist es, dem Unternehmer bald Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Handelsvertreter den Ausgleichsanspruch geltend macht (LM Nr. 4 zu § 89 b HGB und Urteil des erkennenden Senats vom 9. Juli 1962, VII ZR 49/61). Im vorliegenden Fall konnte die Beklagte vernünftigerweise darüber nicht im Zweifel sein, nachdem sie selbst schon den Anspruch dem Grunde nach anerkannt hatte.
Die Revision meint noch, auch wenn eine Vereinbarung der Parteien über den Grund des Anspruchs vorläge, seien dessen weitere Voraussetzungen ungeklärt und offen geblieben und hätten daher der Darlegung durch den Kläger innerhalb der Frist bedurft. Das trifft nicht zu. Der Handelsvertreter kann selbst den gesetzlichen Ausgleichsanspruch auch noch nach dem Ablauf der Frist beziffern und naher begründen (vgl. dazu das vorerwähnte Urteil des Senats vom 9. Juli 1962 und die dortigen. Hinweise auf das Schrifttum). Erst recht gilt das für einen vertraglich anerkannten Anspruch.
4.) Die Ausführungen des Berufungsgerichts darüber, daß die Beklagte aus der Geschäftsverbindung mit den vom Kläger geworbenen Kunden weiter erhebliche Vorteile ziehe (§ 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB), lassen keinen Rechtsirrtum erkennen. Mit Recht hat insbesondere das Berufungsgericht angenommen, der Fortbestand der vom Kläger angeknüpften Geschäftsbeziehungen sei zu vermuten. Es befindet sich dabei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. z.B. das Urteil vom 29. März 1962 VII ZR 193/60 S. 10).
Das Berufungsgericht geht im übrigen von den von der Beklagten selbst genannten Umsatzzahlen in der ersten Saison nach der Teilbeendigung des Vertragsverhältnisses aus und bemerkt dazu, die Beklagte habe Umsatzzahlen aus der späteren Zeit nicht genannt. Die Revision hat nicht gerügt, daß das Berufungsgericht etwa ein entscheidungserhebliches Beweiserbieten der Beklagten nicht beachtet hätte. Ein von der Revision geltend gemachter Verstoß gegen den § 139 ZPO ist nicht erkennbar. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich bemerkt, die Beklagte habe nicht näher dargelegt, daß sie einen erheblichen Teil ihrer Kunden an die nunmehr vom Kläger vertretene Konkurrenzfirma verloren habe, es kämen hierfür vielmehr nur 6 Kunden mit einem Jahresumsatz von nur 7.000 DM in Betracht.
Unter diesen Umständen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht erhebliche Vorteile der Beklagten durch ein Fortbestehen der Geschäftsverbindung mit den meisten vom Kläger geworbenen Kunden bejaht hat (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 12. Dezember 1963 VII ZR 47/62 S. 8). Dem steht auch nicht entgegen, daß der Nachfolger des Klägers die Kunden „neu bearbeiten mußte”. Das Berufungsgericht nimmt für das Revisionsgericht bindend an daß von diesem alsbald wieder höhere Umsätze zu erwarten waren Jedenfalls enthalten insoweit die Ausführungen des Berufungsgerichts keinen Widerspruch, wie die Revision meint.
Gegenüber der Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Kläger nur einige wenige der für die Beklagte geworbenen Kunden nach seinem Ausscheiden der Firma Sch. zugeführt hat, kann die Revision sich auch nicht darauf berufen, daß der Kläger dazu in der Lage gewesen sei, weitere Kunden für seinen neuen Unternehmer zu werben. Es kommt nicht darauf an, wozu der Kläger in der Lage war, sondern was er tatsächlich getan hat. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, hierzu gegebenenfalls bestimmte weitere Tatsachen vorzutragen.
5.) Das Berufungsgericht hat ferner für bewiesen erachtet, daß der Kläger die Vertretung der Konkurrenzfirma Sch. erst nach der Abtrennung des Teilbezirks, nämlich Ende November 1958, übernommen hat. Nach seiner Auffassung vermag diese Vertragsverletzung des Klägers gegenüber dem bereits im Oktober 1958 entstandenen Ausgleichsanspruch nicht den Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben zu begründen, zumal die Beklagte aus der Vertragsverletzung auch einen Schadensersatzanspruch herleite, den sie selbständig mit der Widerklage geltend mache. Es sei deshalb die Billigkeit einer Ausgleichszahlung nicht ausgeschlossen. Bei der Billigkeitsprüfung kämen zudem nur solche Umstände in Betracht, die die Frage beträfen, ob der Handelsvertreter für seine Vermittlungstätigkeit und die Vorteile, die er dadurch dem Unternehmer verschafft habe, während der Vertragsdauer bereits angemessen entlohnt worden sei oder nicht.
a) Die Revision meint, die fristlose Kündigung der Beklagten habe gemäß § 89 b Abs. 3 HGB den Ausgleichsanspruch des Klägers vernichtet. Der Kläger hätte auch im Falle der Fortsetzung seiner Tätigkeit in dem abgetrennten Gebiet infolge der fristlosen Kündigung des ganzen Vertrages nach dem 29. Januar 1959 keine Provisionen mehr verdient (§ 89 b Abs. 1 Nr. 2). Der Berufung des Klägers auf das vom Berufungsgericht angenommene Anerkenntnis der Beklagten stehe wegen des von ihm gesetzten wichtigen Grundes zur fristlosen Kündigung die Einrede der Arglist entgegen; die Beklagte könne ihr Anerkenntnis unter diesen Umständen auch wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückfordern. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht darauf abgestellt, daß die Beklagte einen selbständigen Schadensersatzanspruch geltend mache. Bei der Billigkeitsprüfung nach dem § 89 b Abs. 1 Nr. 3 seien ferner alle Umstände des Falles zu berücksichtigen, nicht nur die vom Berufungsgericht angeführten.
b) Die Revisionsangriffe haben auch in diesem Punkte im Endergebnis keinen Erfolg.
aa) Es ist nicht ersichtlich, mit welcher rechtlichen Begründung die Beklagte das von ihr abgegebene Anerkenntnis wegen später eingetretener Umstände hätte anfechten, wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückfordern oder mit der Einrede der Arglist entkräften können. Der Ausgleichsanspruch ist bei der gegebenen Sachlage auch nicht ganz oder jedenfalls zum größten Teil gemäß dem § 89 b Abs. 1 Nr. 2 HGB ausgeschlossen, wie die Revision meint. Einer solchen Annahme steht schon entgegen, daß der Kläger wie die zeitliche Aufeinanderfolge der Ereignisse nahelegt, möglicherweise die Konkurrenztätigkeit für die Firma Sch. nicht übernommen hätte, wenn er seinen ganzen Bezirk hätte behalten können.
bb) Das Berufungsgericht scheint zwar der Auffassung zu sein (BU 20), schon der Umstand, daß der Kläger die Vertragsverletzung erst begangen habe, nachdem sein Ausgleichsanspruch entstanden war, schließe es aus, daß der Ausgleichsanspruch durch die Vertragsverletzung nach Billigkeit und Treu und Glauben in seinem Bestand berührt werden könne. Diese Auffassung ist allgemein gesehen bedenklich, und zwar im Hinblick darauf, daß § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB eine Berücksichtigung aller Umstände fordert und die Bemessung des Ausgleichs überhaupt eine Prognose über die künftige Entwicklung der Verhältnisse notwendig macht (vgl. dazu LM Nr. 13 a zu § 89 b HGB). Folgerichtig müssen erst recht alle bis zur richterlichen Entscheidung bereits eingetretenen Tatsachen beachtet werden.
Aus demselben Grunde kann auch der Meinung des Berufungsgerichts nicht beigetreten werden, bei der Billigkeitsprüfung seien nur solche Umstände zu berücksichtigen, aus denen sich ergebe, ob der Handelsvertreter bei seiner Vermittlungstätigkeit während der Vertragsdauer bereits angemessen entlohnt worden sei oder nicht. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Billigkeitsprüfung nicht in dem vom Berufungsgericht angenommenen Sinne beschränkt worden.
Es ist ferner rechtsgrundsätzlich nicht ausgeschlossen, daß der Unternehmer, der aus wichtigem Grunde, wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters das Vertragsverhältnis fristlos gekündigt hat, die Zahlung eines Ausgleichs ablehnt und außerdem von dem Handelsvertreter den ihm durch dessen schuldhaft vertragswidriges Verhalten, entstandenen Schaden ersetzt verlangt (§§ 89 b Abs. 3 Satz 2, 89 a Abs. 2 HGB).
cc) Das angefochtene Urteil ist aber unbedenklich dahin zu verstehen, daß das Berufungsgericht hilfsweise die Billigkeit der Ausgleichszahlung im Hinblick auf alle Umstände des vorliegenden Falles bejahen wollte und bejaht hat. Das ergeben insbesondere seine Ausführungen S. 26/27. Eine solche Würdigung des Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit konnte der Tatrichter ohne Rechtsverstoß vornehmen (vgl. dazu BGHZ 41, 129, 135). Er konnte dabei auch berücksichtigen, daß die Beklagte den ihr durch die vertragswidrige Tätigkeit des Klägers entstandenen Schaden mit der Widerklage besonders ersetzt verlangt, und sich auf den Standpunkt stellen, daß unter diesen Umständen eine Ausgleichszahlung in Höhe von 4.000 DM der Billigkeit entspreche, zumal er, wie bereits erwähnt, weiterhin festgestellt hat, daß der Kläger der Konkurrenzfirma, nur wenige Kunden der Beklagten zugeführt hat (BU 24).
dd) Der Revision kann auch nicht zugegeben werden, daß das Berufungsgericht die Bedeutung des § 89 b Abs. 2 HGB verkannt hätte. Der dem Kläger zuerkannte Betrag von 4.000 DM liegt beträchtlich unter der Jahresdurchschnittsprovision von 7.250 DM. Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung des Ausgleichs auch ausdrücklich berücksichtigt, daß die Umsätze des Klägers 1957 und 1958 gegenüber 1955 und 1956 erheblich zurückgegangen waren.
6.) Die Revision ist daher zurückzuweisen, soweit sie die Entscheidung über den Ausgleichsanspruch angreift.
II. Zum Auskunftsanspruch bezüglich der Retouren in der Zeit nach der Beendigung des Vertrags.
Das Berufungsgericht hat den Auskunftsanspruch des Klägers für die Zeit von Februar bis Juli 1959, insbesondere auch über die Gründe der Retouren, gemäß dem § 87 c Abs. 3 HGB bejaht, weil die Beklagte dem Kläger weder in den monatlichen Provisionsabrechnungen oder in den Durchschlägen der Retourengutschriften für die Kunden noch sonst die erforderlichen Angaben habe zukommen lassen.
Die Revision kann demgegenüber nicht damit gehört werden, der Kläger habe während der Vertragsdauer nie weitere Angaben über die Retouren verlangt und nie Provisionsansprüche aus den von den Retouren betroffenen Geschäften hergeleitet, es sei daher durch jahrelange entsprechende Handhabung Vertragsinhalt geworden, daß er bei Retouren keine Provision zu beanspruchen gehabt habe.
Die Rechte des Handelsvertreters gemäß dem Abs. 3 des § 87 c können nach dessen Absatz 5 nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Der Kläger konnte daher jedenfalls für die Zukunft auf die ihm zustehenden Auskunftsansprüche nicht verzichten. Für die hier in Betracht kommende Zeit von Februar bis Juli 1959 – nach seinem Ausscheiden – hat das Berufungsgericht – von der Revision nicht angefochten – festgestellt, daß der Kläger durch mehrere Schreiben seines Anwalts in der Zeit von März bis Juni 1959 Auskunft über die Retouren verlangt hat.
Die Revision ist daher auch insoweit unbegründet.
III. Zur Widerklage
Das Berufungsgericht hat die Widerklage abgewiesen, soweit die Beklagte damit Auskunft über der Firma M. vermittelte Geschäfte begehrt hat. In diesem Punkte hat die Revision das Urteil nicht angefochten.
Der Widerklage stattgegeben hat das Berufungsgericht, soweit die Beklagte zwecks Ermittlung des ihr dadurch entstandenen Schadens Auskunft über vom Kläger, für die Firma Sch. vermittelte oder abgeschlossene Geschäfte verlangt. Es hat die Verurteilung aber gegenüber dem Antrag der Widerklage, der sich auf Geschäfte über Herrenwäsche, auch aus Strick- und Wirkstoffen erstreckt, auf Geschäfte über Herrenoberhemden beschränkt.
Darin liegt eine teilweise Abweisung der Widerklage.
Die Revision macht mit Recht geltend, die Urteilsgründe ließen nicht erkennen, wie das Berufungsgericht zu seiner Einschränkung kommt.
Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung (S. 35) behauptet, der Kläger habe für die Firmen Sch. und M. Herrenhemden, auch solche aus Wirk- und Strickstoffen vertrieben. Sie selbst habe solche ebenfalls hergestellt. Das Berufungsgericht hat zwar in anderem Zusammenhang (BU 24) erwähnt, es sei streitig, ob die Beklagte zu der Zeit, als das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien noch bestand, schon Strickwaren geführt habe. Es hat aber dazu bei seiner Entscheidung über die Widerklage keine Feststellung getroffen. Für die Revisionsinstanz ist also davon auszugehen, daß die Behauptung der Beklagten zutrifft.
Unter diesen Umständen ist insoweit das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird festzustellen haben, ob sowohl die Beklagte wie die Firma Sch. damals auch Herrenhemden aus Wirk- und Strickstoffen hergestellt und vertrieben haben und ob danach der weitergehende Widerklageantrag begründet ist.
B. Zur Anschlußrevision des Klägers
(Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges)
Die Anschlußrevision des Klägers hat keinen Erfolg.
1.) Dem Berufungsgericht kann zwar nicht dahin gefolgt werden, daß das Begehren des Klägers rechtsmißbräuchlich sei. Seine Feststellungen reichen nicht aus zu der Annahme, daß der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an der Erlangung eines Buchauszuges mehr habe, weil er über alle Geschäftsvorgänge von der Beklagten bereits ausreichend unterrichtet worden sei. Es nimmt insbesondere hinsichtlich der Gründe der Retouren selbst an, daß diese dem Kläger von der Beklagten nicht mitgeteilt worden sind (BU 31).
2.) Das Berufungsgericht hat aber dargelegt, der Kläger habe durch langjährige widerspruchslose Hinnahme der monatlichen Provisionsabrechnungen sowie durch Entgegennahme der entsprechenden Zahlungen der Beklagten jeweils zum Ausdruck gebracht, daß er mit den Abrechnungen einverstanden sei und sie als richtig hinnehme. Darin liege ein vertragliches Anerkenntnis des Klägers, daß er über die von der Beklagten anerkannten Beträge hinaus keine Provisionsforderungen habe (§ 397 Abs. 2 BGB). Unter diesen Umständen stehe ihm auch kein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges mehr zu.
Die Würdigung des Verhaltens des Klägers durch den Tatrichter bindet das Revisionsgericht; dessen rechtliche Schlußfolgerungen daraus sind nicht zu beanstanden.
3.) Die Revision hat darauf hingewiesen, der erkennende Senat habe in seinem Urteil vom 13. März 1961 (LM Nr. 3 zu § 87 c HGB) den Standpunkt vertreten, der Unternehmer könne im Regelfall das frühere Stillschweigen des Vertreters nach Treu und Glauben nicht als Verzicht auf die Rechte aus § 87 c HGB ansehen.
Auch in diesem Urteil hat der Senat aber ausgesprochen, daß der Handelsvertreter keinen Buchauszug mehr verlangen kann, wenn er sich mit dem Unternehmer über die Abrechnung geeinigt hat. Gerade das hat das Berufungsgericht hier festgestellt.
Der damals entschiedene Fall war im übrigen in einigen Beziehungen anders gelagert, als der hier zu entscheidende. Hier ist insbesondere von Bedeutung, daß der Kläger als Handelsvertreter mit sehr hohen Umsätzen und Provisionseinnahmen Vollkaufmann war. Ihm gegenüber kann die Feststellung des Berufungsgerichts, daß er durch jahrelange widerspruchslose Hinnahme der Provisionsabrechnungen diese als richtig anerkannt hat, rechtlich nicht beanstandet werden. Dazu kommt, daß der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von der Beklagten laufend Durchschläge der Auftragsbestätigungen und der Rechnungen erhalten hatte. Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht das jahrelang geübte passive Verhalten des Klägers als ein sich ständig wiederholendes negatives Schuldanerkenntnis auslegen, selbst wenn die ihm übersandten Unterlagen möglicherweise in einer Reihe von Einzelfällen nicht ausreichten, um ihm volle Klarheit über alle Provisionsansprüche zu verschaffen. Die Beklagte konnte erwarten, daß er sich äußern werde, wenn ihm die Unterlagen zur Klärung seiner Provisionsansprüche nicht genügten. Wenn man vom Kläger fordert, daß er zur Erhaltung etwaiger weitergehender Rechte sich irgendwann und irgendwie während der ganzen Vertragsdauer einmal hätte äußern müssen, so ist das den ganzen Umständen nach nicht unangemessen.
Soweit der erkennende Senat in dem vorerwähnten Urteil sowie in dem Urteil vom 28. November 1963, VII ZR 90/62 in seinen allgemeinen Rechtsausführungen eine abweichende Auffassung vertreten hat, insbesondere hinsichtlich der Wertung eines untätigen Verhaltens des Handelsvertreters, hält er daran für einen Fall der vorliegenden Art nicht fest.
4.) Es kommt hinzu, daß nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts dem Kläger auch für die Direktgeschäfte, insbesondere für Lagerverkäufe, Rechnungsdurchschriften übersandt und Provisionen gutgeschrieben worden sind. Das Berufungsgericht hat auch ohne Rechtsirrtum ausgeführt, daß der Kläger etwaige Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht hinreichend dargetan hat.
Auf die von der Revision noch erhobenen Verfahrensrügen braucht unter diesen Umständen nicht eingegangen zu werden.
C. Zusammengefaßt ergibt sich, daß die Revision im wesentlichen und die Anschlußrevision ganz als unbegründet zurückzuweisen sind. Nur zur Widerklage bedarf es noch einer Entscheidung des Berufungsgerichts, ob die Auskunft auch auf Herrenwäsche aus Wirk- und Strickstoffen zu erstrecken ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 97 ZPO. Soweit über die Widerklage noch nicht endgültig entschieden ist, ist die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens dem Berufungsgericht zu übertragen.
Unterschriften
Glanzmann, Rietschel, Erbel, Vogt, Finke
Fundstellen
NJW 1965, 1136 |
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