Rn 3

Durch Satz 1 wird der Prognosezeitraum bei der Überschuldungsprüfung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO für das gesamte Jahr 2021 von zwölf auf vier Monate verkürzt. Damit soll ausweislich der Gesetzesbegründung eine Erleichterung verbunden sein, da in Pandemiezeiten erhebliche Prognoseunsicherheiten bestünden.[3] Ob Satz 1 tatsächlich eine Erleichterung für die betroffenen Unternehmen begründet, muss allerdings bezweifelt werden. Die mit Satz 1 in Bezug genommene kürzere Prognose kann bei einem fehlenden Ende der Pandemie verheerend wirken. Während der Schuldner bei einer einjährigen Prognose das Ende der Pandemie und damit ein Funktionieren seines Geschäftsmodells berücksichtigen kann, dürfte dies bei einer Prognose mit einem Zeithorizont von vier Monaten oftmals nicht gelingen. Damit ist ein nicht unerhebliches Problem in der Anwendung von § 4 angesprochen. Bei diesem ist nicht völlig klar, welchen Zweck er eigentlich haben soll. Dieser könnte zum einen darin gesehen werden, den Geschäftsleitern bei der Prüfung der Überschuldung einen verlässlicheren Rechtsrahmen an die Seite zu stellen, um zu belastbareren Prognosen zu kommen. Zum anderen könnte man in § 4 aber auch eine Regelung sehen, die dazu dient, die Insolvenzantragspflicht bei der Überschuldung zu relativieren und somit deren Druck auf die Geschäftsleiter abzumildern. Auch wenn die Gesetzesbegründung eher ersteres nahelegt[4], dürfte letzterem Aspekt bei der Auslegung von § 4 Rechnung zu tragen sein.

 

Rn 4

Voraussetzung für die Verkürzung des Prognosezeitraums ist die Ursächlichkeit der COVID-19-Pandemie für die Überschuldung. Auf welche Art und Weise die Ursächlichkeit nachgewiesen werden soll, gibt § 4 mit Ausnahme von Satz 2 (Rdn. 5 ff.) nicht vor. Jenseits von Satz 2 dürfte der Nachweis aber gelingen, wenn man unter Heranziehung der Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre nachweisen kann, dass bei einer normalen Geschäftsentwicklung ohne die COVID-19-Pandemie keine Überschuldung vorgelegen hätte. Daher muss eine (negative) Überschuldungsprüfung für den Zeitpunkt vor Beginn der COVID-19-Pandemie und eine hypothetische und auf den Geschäftsdaten der vergangenen Jahre basierende (negative) Überschuldungsprüfung für den jeweiligen Zeitpunkt im Jahr 2021 vorgenommen werden. Nur wenn beide Überschuldungsprüfungen negativ sind, ist Satz 1 anwendbar.

[3] Begr RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 213.
[4] Begr RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 213.

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