Rn 36
Teilweise bezieht die h.M. über § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG auch Gesellschafterhilfen in den sachlichen Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts ein, die keine Finanzierungs– oder Kreditfunktion haben. Dies gilt – ganz h.M. nach – etwa für so genannte Nutzungsüberlassungen. Hierunter versteht man den Fall, dass der Gesellschafter der Gesellschaft – mit oder ohne zugrunde liegender schuldrechtlicher Abrede – Sachen zum Gebrauch gewährt oder belässt. Gegenstand der Gebrauchs- bzw. Nutzungsüberlassung kann sowohl eine bewegliche als auch eine unbewegliche Sache sein. Darüber hinaus können h.M. zufolge auch Patente und oder sonstige Schutzrechte "überlassen" werden (Lizenzverträge). Einbezogen in den sachlichen Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts ist auch das "Stehenlassen" von Nutzungsmöglichkeiten. Letzteres liegt h.M. zufolge vor, wenn der Gesellschafter den der Gesellschaft einmal eingeräumten Gebrauch einer Sache oder eines Rechts mit oder ohne entsprechende Abrede nachträglich weiter belässt. Streitig ist, ob und inwieweit auch Dienstleistungen, die der Gesellschafter gegenüber seiner Gesellschaft erbringt, in den sachlichen Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts fallen. Der österreichische Oberste Gerichtshof hat – für die Rechtslage vor Inkrafttreten des EKEG – auf Gesellschafter-Dienstleistungen die für kapitalersetzende Nutzungsüberlassungen geltenden Rechtsfolgen entsprechend angewandt. Teilweise wird auch für das deutsche Recht – mit unterschiedlichen Nuancen – die entsprechende Anwendung der Grundsätze über kapitalersetzende Nutzungsüberlassungen auf Gesellschafter-Dienstleistungen erwogen. Die ganz überwiegende Ansicht in der Literatur lehnt demgegenüber eine Verhaftung der Dienstleistungsverpflichtung ab.
Rn 37
Weil die Nutzungsüberlassung grundsätzlich keine der Darlehensgewährung vergleichbare Finanzierungsfunktion aufweist und daher strukturell von einem Darlehen verschieden ist, weisen die Voraussetzungen für eine Vermögensbindung gegenüber dem Grundfall der Darlehensgewährung (siehe oben Rn. 15 ff.) Besonderheiten auf. Dies gilt in erster Linie für den zeitlichen Anwendungsbereich einer kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung. Stets eröffnet ist dieser zwar, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Im Übrigen aber stellt die Rechtsprechung nicht auf die Kredit-, sondern auf die so genannte Überlassungsunwürdigkeit ab. Für die Frage, wann die Gesellschaft überlassungsunwürdig ist, ist – überwiegender Ansicht nach – hinsichtlich der Art des zum Gebrauch überlassenen Gegenstands zu differenzieren. Handelt es sich um ein "Standardwirtschaftsgut", d.h. um Güter, die für eine Vielzahl von Verwendern in Betracht kommen (unbebaute Grundstücke, Serien-Kfz, Fotokopierer etc.), tritt eine Überlassungsunwürdigkeit erst ein, wenn die Gesellschaft nicht sicher in der Lage ist, das laufende Nutzungsentgelt oder eventuelle Schäden an der überlassenen Sache auszugleichen. Handelt es sich demgegenüber um ein spezielles Wirtschaftsgut, d.h. um Gegenstände, die gerade auf die Zwecke der Gesellschaft ausgelegt sind (individuelle Software, eigens für die Gesellschaft angefertigte Maschinen oder – wie in Fällen einer Betriebsaufspaltung üblich – um die Bereitstellung einer kompletten Betriebseinrichtung etc.), dann soll eine Überlassungsunwürdigkeit bereits vorliegen, wenn die Gesellschaft das nach Refinanzierungsgesichtspunkten oder im Hinblick auf mögliche Veränderungskosten bemessene Überlassungsentgelt über die vorgesehene Vertragsdauer nicht entrichten kann. Darüber hinaus setzt die Überlassungswürdigkeit bei speziellen Wirtschaftsgütern – so die h.M. – einen Grundstock an vorhandenen liquiden Mitteln der Gesellschaft voraus, um eventuell kurz- oder mittelfristig eintretende Umsatzeinbrüche auffangen zu können.
Rn 38
Hinsichtlich der Frage, inwieweit der Gesellschafter im Rahmen seiner Finanzierungsentscheidung objektiv zwischen Unternehmensfortführung und Liquidation wählen kann, ist zu beachten, dass die rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmittel des Gesellschafters zumindest für die Fallgruppe des Stehenlassens einer Nutzungsüberlassung weitgehend eingeschränkt sind. Ein außerordentliches Kündigungsrecht kraft Gesetzes (vgl. § 543 BGB) steht dem Gesellschafter bei Eintritt der Krise der Gesellschaft nicht zu. Lediglich für den Fall, dass sich die Gesellschaft in Zahlungsverzug befindet, kommt unter den Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Scheidet eine außerordentliche Kündigung im konkreten Fall aus, kann der Gesellschafter ein Umqualifizieren seiner stehengelassenen Nutzungsüberlassung durch Ausübung eines ordentlichen Kündigungsrechts zumindest für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist verhindern. Gerade in den Fällen des Stehenlassens von Gebrauchsüberlassungen kommt daher den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsinstrumenten (siehe oben Rn. 21) im...