Gesetzestext
Die Anfechtung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass für die Rechtshandlung ein vollstreckbarer Schuldtitel erlangt oder dass die Handlung durch Zwangsvollstreckung erwirkt worden ist.
1. Allgemeines
1.1 Entstehungsgeschichte
Rn 1
§ 141 ist die Nachfolgevorschrift des inhaltsgleichen § 35 KO. Die GesO enthielt keine solche Regelung. § 10 GesO definierte allgemein "Rechtshandlungen des Schuldners" als anfechtbar.
1.2 Normzweck und Systematik
Rn 2
§ 141 ist kein eigenständiger Anfechtungstatbestand. Vielmehr kommt der Norm klarstellende Funktion einerseits, aber auch ein eigener Regelungsgehalt andererseits zu. Dieser kommt darin zum Ausdruck, dass die Norm den Begriff der Rechtshandlung i.S. des § 129 (klarstellend) ergänzt.
Rn 3
Die Klarstellungsfunktion besagt, dass trotz Mitwirkung eines staatlichen Organs (Gericht, Behörde oder Notar) an einer Rechtshandlung deren Anfechtbarkeit nicht ausgeschlossen ist. Zwar ist der staatliche Rechtsakt (Alt. 1) mangels Gläubigerbenachteiligung selbst anfechtungsrechtlich tabu und nur mit den dafür vorgesehenen verfahrensrechtlichen Rechtsbehelfen (z.B. Rechtsmittel oder bei Vollstreckungsakten die Rechtsbehelfe der Zwangsvollstreckung) angreifbar (Ausnahme Rn. 9 u. 11). Doch ist die Anfechtung der dem Rechtsakt zugrunde liegenden Rechtshandlung bei Vorliegen eines Anfechtungsgrundes möglich, und zwar auch dann, wenn für die Rechtshandlung ein vollstreckbarer Titel erlangt wurde (Alt. 1) oder die Handlung durch Zwangsvollstreckung erwirkt worden ist (Alt. 2). Im Anfechtungsprozess ist der Anfechtungsgegner also mit dem Einwand ausgeschlossen, dass die angefochtene Rechtshandlung tituliert ist oder die Rechtshandlung aus einer staatlichen Vollstreckungsmaßnahme besteht. Zu beachten ist, dass sich verfahrensrechtliche Rechtsbehelfe und die insolvenzrechtliche Anfechtung nicht ausschließen, wobei die Geltendmachung verfahrensrechtlicher Rechtsbehelfe keinesfalls die Anfechtungsfrist nach § 146 wahrt.
Rn 4
Auch nach Einführung des § 88 ist § 141 nicht obsolet. Vielmehr erfasst er solche Rechtshandlungen, die im Rahmen der Zwangsvollstreckung früher als einen Monat vor Stellung des Eröffnungsantrags stattfanden und daher nicht von der Wirkung der sog. Rückschlagsperre des § 88 betroffen sind. Eine der Rückschlagsperre unterfallende Rechtshandlung dagegen, bedarf regelmäßig keiner Anfechtung mehr.
2. § 141 Alt. 1
2.1 Vollstreckbare Schuldtitel i.S. des § 141 Alt. 1
Rn 5
§ 141 Alt. 1 ist gegenüber Alt. 2 die allgemeine Vorschrift. Demnach erfasst sie alle Handlungen, die zwar auf einem Schuldtitel beruhen, sich aber nicht als Vollstreckungshandlungen im formellen Sinn darstellen, sondern freiwillig vorgenommen wurden bzw. die Leistung noch aussteht.
Rn 6
Als vollstreckbare Schuldtitel kommen alle die in der ZPO anerkannten Titel in Betracht. Zu nennen sind etwa rechtkräftige bzw. für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteile (§ 704 ZPO) sowie die in §§ 794, 796a bis c ZPO aufgezählten weiteren Titel; des Weiteren Arrestsbefehle, einstweilige Verfügungen (§ 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, §§ 928, 936, 940 ZPO), Zuschlagsbeschlüsse im Zwangsversteigerungsverfahren nach § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, §§ 82, 93 ZVG sowie nach § 794 Abs. 1 Nr. 4a, §§ 1060, 1053 ZPO für vollstreckbar erklärte Schiedssprüche oder schiedsgerichtliche Vergleiche.
Rn 7
Darüber hinaus zählen hierzu auch außerhalb der ZPO festgeschriebene Titelarten wie der Auszug aus der Insolvenztabelle über eine festgestellte Forderung (§ 201 Abs. 2), Insolvenzpläne (§ 257), Notarkostenrechnungen (§ 155 KostO), sowie vollziehbare Verwaltungsakte und vollstreckbare Entscheidungen der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit.