Gesetzestext
(1) Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und Verwaltung zu nehmen.
(2) 1Der Verwalter kann aufgrund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses die Herausgabe der Sachen, die sich im Gewahrsam des Schuldners befinden, im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. 2§ 766 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Vollstreckungsgerichts das Insolvenzgericht tritt.
1. Allgemeines
1.1 Regelungszweck, Anwendungsbereich
Rn 1
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 80 Abs. 1, §§ 35 f.). An seine Stelle tritt der Verwalter. Damit der Verwalter auch tatsächlich über alle Gegenstände der Masse verfügen kann, statuiert § 148 Abs. 1 für ihn das Recht und die Pflicht zur sofortigen Inbesitznahme und Verwaltung aller Massegegenstände. Während ein Herausgabeanspruch gegen Besitz ausübende Dritte widrigenfalls klageweise durchgesetzt werden muss, vermag der Verwalter gegen den nicht herausgabebereiten Schuldner bereits aufgrund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses sofort zu vollstrecken (§ 148 Abs. 2 Satz 1).
Rn 2
Auch die Inbesitznahme und Verwaltung der Masse durch den Insolvenzverwalter dient ausschließlich dem Verfahrenszweck der bestmöglichen und gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger; jedwedes Verhalten des Verwalters hat sich daran auszurichten. Die Befriedigung aller Gläubiger erfolgt entweder durch Verwertung des Schuldnervermögens und Verteilung des Erlöses oder auf andere Art (insbesondere Geschäftsfortführung) nach Bestimmung eines Insolvenzplans, dessen Ziele die Gläubigerversammlung bestimmt (§ 1 Satz 1, §§ 157, 159). Anders als nach § 11 Abs. 1 KO und § 8 Abs. 2 GesO werden daher Inbesitznahme und Verwaltung der Insolvenzmasse durch § 148 nicht zwangsläufig mit deren Verwertung durch den Insolvenzverwalter verknüpft – dies würde die Gläubiger ggf. vor vollendete Tatsachen stellen und so ihre Mitwirkungsmöglichkeiten verkürzen.
Rn 3
Zu einer Inbesitznahme und Verwaltung nach § 148 Abs. 1 kommt es nicht bei Eigenverwaltung des Schuldners (§§ 270 ff.).
1.2 Verhältnis zur vorläufigen Insolvenz
Rn 4
Zur Sicherung der (künftigen) Insolvenzmasse kann dem Eröffnungsbeschluss die gerichtliche Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorausgehen (§ 21 Abs. 2 Nr. 1). Die Rechtsstellung des sog. starken vorläufigen Verwalters, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen übergegangen ist (§ 22 Abs. 1), entspricht im Wesentlichen der des endgültig bestellten Verwalters: Zur Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) hat auch der vorläufige Verwalter vor allem das Recht und die Pflicht, dieses unverzüglich in Besitz zu nehmen und zu verwalten; § 148 Abs. 2 Satz 1 und 2 finden sinngemäß Anwendung.
Rn 5
Von der Inbesitznahme im vorläufigen Verfahren betroffen sind ebenso wie nach Verfahrenseröffnung grundsätzlich alle Gegenstände, die sich im Gewahrsam des Schuldners befinden, und nicht nur die (prospektive) Masse. Der Verwalter hat allerdings bis zur Verfahrenseröffnung das erhöhte Bestandsschutzinteresse des Schuldners und damit die zweifache Zweckbegrenzung der vorläufigen Verwaltung zu beachten: Im Unterschied zu § 148 Abs. 1 sind nur solche Maßnahmen zulässig, die zur Vermögenssicherung bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung erforderlich sind. Hinzu kommt, dass in der vorläufigen Verwaltung eine vorzeitige Verwertung einzelner Gegenstände noch weitgehender als nach Verfahrenseröffnung ausgeschlossen ist.
Rn 6
Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne dass dem Schuldner zugleich ein allgemeines Verwaltungs- und Verfügungsverbot auferlegt wird, so bestimmt sich seine Rechtsstellung nach den dahingehenden gerichtlichen Anordnungen (§ 22 Abs. 2 Satz 1). Diese können den vorläufigen Verwalter etwa auch zur Besitzergreifung und Verwaltung einzelner Schuldnergegenstände ermächtigen. Im Übrigen wird man je nach Kompetenzausstattung des vorläufigen Verwalters differenzieren müssen: Während allgemeine (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) und beschränkte (§ 21 Abs. 1 Satz 1) Zustimmungsvorbehalte grundsätzlich kein Besitz- und Verwaltungsrecht für den Verwalter begründen, führen gegenständlich beschränkte – und ebenso wie allgemeine Verfügungsverbote stets absolut wirkende – Verfügungsverbote dazu, dass der Verwalter den oder die davon betroffenen Gegenstände in der Regel auch in Besitz nehmen und verwalten kann und muss.