Rn 12
Nach § 155 Abs. 2 Satz 1 beginnt mit der Verfahrenseröffnung – zwingend – ein neues Geschäftsjahr. Dementsprechend entsteht für die Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens i. d. R. ein sog. Rumpfgeschäftsjahr, zu dessen Abschluss der Schuldner selbst eine Inventur durchzuführen und einen Jahresabschluss zu erstellen hat (§§ 240 Abs. 2 Satz 1, 242 Abs. 1 Satz 1 HGB). Hierzu muss ihm der Verwalter ggfl. Einblick in die Bücher, Geschäftsunterlagen und sonstigen Aufzeichnungen des Unternehmens gewähren, die er – spätestens – mit Verfahrenseröffnung in Besitz zu nehmen hat (§§ 22 Abs. 3 Satz 2, 36 Abs. 2 Nr. 1, 148). Die Aufstellung der Eröffnungsbilanz (§§ 154 HGB, 270 Abs. 1 AktG, 71 Abs. 1 GmbHG) und die Inventarisierung aller Vermögensgegenstände zu Beginn des Insolvenzverfahrens obliegen dem Verwalter.
Rn 13
Das neue Geschäftsjahr dauert grundsätzlich zwölf Monate (§ 240 Abs. 2 Satz 2 HGB). Es beginnt an dem Tag, der der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entspricht, nicht aber – entgegen §§ 4 InsO, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1 BGB – an dem darauffolgenden Tag. Der Insolvenzverwalter kann allerdings einen anderen Zeitraum wählen, namentlich zum ursprünglichen Rhythmus zurückkehren. Diese – allein dem Insolvenzverwalter obliegende – Bestimmung stellt keine Satzungsänderung dar und bedarf auch keines sonstigen Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Sie setzt aber für ihre Wirksamkeit eine Anmeldung zum Handelsregister der Gesellschaft (die Registereintragung wirkt allerdings nicht konstitutiv) oder eine sonstige Mitteilung an das Registergericht noch während des ersten laufenden Geschäftsjahrs nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus. Andernfalls kann der Geschäftsverkehr aufgrund des Insolvenzvermerks im Handelsregister regelmäßig auf den (neuen) Jahresrhythmus vertrauen.
Rn 14
Mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens beginnt – wenn das Unternehmen fortgeführt wird – wiederum ein neues Geschäftsjahr. Mit diesem wird zum Rhythmus des Geschäftsjahres entsprechend der Satzungsregelung bei der Gesellschaft zurückgekehrt, so dass es sich regelmäßig um ein Rumpfgeschäftsjahr handelt.
Rn 15
Die Regelung des § 155 Abs. 2 Satz 1 findet entsprechende Anwendung auf die steuerrechtlich relevante Bestimmung des Wirtschaftsjahres (regelmäßig das Kalenderjahr); dieses bildet vor Insolvenzeröffnung nunmehr ebenfalls ein Rumpfjahr (§ 7 Abs. 4 Satz 1 KStG). Nur dies schafft die Möglichkeit, die handelsrechtliche Buchführung und Rechnungslegung auch weiterhin dem Steuerrecht zugrunde zu legen; zudem lassen sich Steuerforderungen sicher in Insolvenzforderungen (§ 38) und Masseforderungen (§ 55) aufteilen. Folgt man dem nicht, ergibt sich nach § 4 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG jedenfalls die Möglichkeit, das Geschäftsjahr dem Wirtschaftsjahr anzugleichen, wobei die hierfür notwendige Zustimmung des Finanzamtes in der Regel zu erteilen ist, andernfalls eine ermessensfehlerhafte Entscheidung vorliegt. Der Veranlagungszeitraum bleibt aber weiterhin das Kalenderjahr (§§ 7 Abs. 3 Satz 1, 31 Abs. 1 KStG, § 25 Abs. 1 EStG, 7 Satz 1, 14 Satz 2 GewStG); vgl. eingehend Rn. 64 ff.