Rn 8
Für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sind die fälligen Zahlungspflichten zu berücksichtigen.
Zahlungsunfähigkeit bedeutet danach ausschließlich Geldilliquidität, d.h. einen Mangel an Zahlungsmitteln. Die Unfähigkeit, andere Leistungspflichten zu erfüllen, wie die Erbringung von Sach- oder Dienstleistungen, begründet keine Zahlungsunfähigkeit. Ebenso wenig ist es relevant, aus welchen subjektiven Gründen die Zahlungsunfähigkeit besteht, etwa aufgrund Krankheit, Überlastung, Böswilligkeit.
Rn 9
Für die Frage der Fälligkeit ist § 271 BGB maßgebend. Danach ist primär auf die Abreden der Beteiligten oder auf Branchenüblichkeit abzustellen, im Zweifel ist sofort zu leisten. Darlehen sind in Ermangelung einer festen Zeitbestimmung erst nach Kündigung fällig, § 488 BGB, Wechsel und Schecks nach ihrer Vorlage, Art. 34 Abs. 1 WG, Art. 28 ScheckG. Dementsprechend ist für die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit jede Geldforderung eines Gläubigers einzustellen, deren Erfüllung ohne weiteres verlangt werden kann. Das in der Vergangenheit zusätzlich statuierte Erfordernis, dass die Gläubiger die fälligen Forderungen ernsthaft einfordern mussten, ist in die Legaldefinition nicht übernommen worden.
Der BGH hat in einer Entscheidung vom 19.07.2007 dieses Merkmal des "ernstlichen Einforderns" indes wieder eingeführt. An das "Einfordern" werden indes geringe Anforderungen gestellt, sodass bereits das Übersenden einer Rechnung ausreicht. Bei kalendermäßiger Fälligkeit ist ein Zahlungsverlangen entbehrlich. Ein Wiederholen des Zahlungsbegehrens ist ebenso nicht nötig. Dem BGH geht es darum, Fälle von tatsächlicher Zahlungsstundung aus der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit herauszunehmen.
Rn 10
Bereits in der Zeit vor Einführung der InsO wurde das Merkmal der ernsthaften Geltendmachung der Gläubigerforderungen dahingehend interpretiert, dass die Forderung überhaupt geltend gemacht oder angemahnt war und keine Stundung der Forderung gegeben sein durfte. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch durch das Merkmal der Fälligkeit der Zahlungspflichten bereits erfasst, da eine echte Forderungsstundung zur Verschiebung des Fälligkeitstermins führt. Strafrechtlich neigt der BGH zu der Auffassung, wonach die Fälligkeit von Forderungen im insolvenzrechtlichen Sinn nicht voraussetzt, dass die geschuldete Leistung "ernsthaft eingefordert" werden muss.
Rn 11
Für eine Stundung reicht indessen die einseitige, sanktionslose Überschreitung von Zahlungsterminen nicht aus, zu fordern ist insoweit vielmehr, dass sich der Gläubiger in einer nachvollziehbaren Weise zumindest konkludent mit der Überschreitung eines Zahlungstermins einverstanden erklärt hat. Anderenfalls ist von einer sog. tatsächlichen Stundung auszugehen, bei der es am Rechtsbindungswillen bzw. einer erkennbaren Erklärung (des Gläubigers) fehlt und insoweit nur von einem Stillhalteabkommen auszugehen wäre.
Rn 12
Wird mit den Gläubigern erst nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit eine Stundungsvereinbarung geschlossen (Moratorium), führt dies allein nicht zum Wegfall der Zahlungsunfähigkeit resp. zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit. Erforderlich ist insoweit die tatsächliche Aufnahme der nach Maßgabe der Stundungsabrede zu erbringenden Zahlungen.
Rn 13
Nicht zu folgen ist der Kritik, wonach die Fälligkeit der Forderungen nur unter schwierigen Bedingungen durch Außenstehende festgestellt werden kann. Die Fälligkeit kann auf der Grundlage vorliegender Rechnungen bzw. gesetzlicher Bestimmungen ermittelt werden, sofern keine ausdrücklichen Zahlungsziele durch Gläubiger eingeräumt sind, sind die Forderungen im Zweifel sofort zu erfüllen (§ 271 BGB).
Rn 14
Zum Teil wurde zum Recht der KO die Auffassung vertreten, dass in die Betrachtung der vom Schuldner zu erfüllenden Zahlungspflichten nicht nur die bereits fälligen, sondern auch die alsbald fällig werdenden Verbindlichkeiten einzubeziehen sind (sog. Zeitraumilliquidität im Gegensatz zur sog. Zeitpunktilliquidität).
Der BGH hat insoweit festgestellt, dass auch die innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten des Schuldners bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 (in Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung) zu berücksichtigen sind. Systematisch führt die Einbeziehung der im Dreiwochenzeitraum anfallenden weiteren Verbindlichkeiten zu keinen Abgrenzungsproblemen gegenüber der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO. Damit ist von einer Zeitraumilliquidität auszugehen.
Rn 15
Zu beachten ist, dass es auch an der Durchsetzbarkeit der Forderung ermangeln kann, etwa wenn Einwendungen oder Einreden, z.B. Verjährung, oder Zurückbehaltungsrechte, bestehen. Diese sind unabhängig davon zu berücksichtigen, ob der Schuldner diese bereits geltend gemacht hat.