Rn 16

§ 207 Abs. 1 Satz 2 lässt offen, wer als Vorschussberechtigter in Betracht kommt. Unter Bezugnahme auf die Begründung des Regierungsentwurfs wurde vertreten, dass nur die Beteiligten des Insolvenzverfahrens berechtigt seien, einen Vorschuss zu leisten.[35] Es besteht jedoch kein Grund, den Kreis der Vorschussberechtigten auf die Beteiligten zu beschränken. Vielmehr kann der Vorschuss durch jede Person erfolgen, die das damit verbundene Risiko auf sich nehmen will.[36]

 

Rn 17

Eine teleologische Reduktion des Kreises der Vorschussberechtigten ergibt sich nach h.M. lediglich daraus, dass der Insolvenzverwalter rechtspolitisch als unabhängiger Sachwalter ohne jeden Bezug zum Verfahren bleiben soll. Diese neutrale Position wäre nach h.M. gefährdet, wenn der Verwalter sich durch die Zahlung eines Vorschusses und den daraus folgenden Rückgriffsanspruch gegen die Gesellschaftsorgane gleichsam zu einem Beteiligten des Verfahrens machen könnte. Daher geht die h.M. von einem Ausschluss des Insolvenzverwalters aus dem Kreis der Vorschussberechtigten aus.[37] Diese Ansicht erscheint jedoch nicht zwingend. Dass der Verwalter ein eigenes Interesse am Verlauf eines Insolvenzverfahrens und insbesondere am Ausgang von Prozessen über massezugehörige Gegenstände hat, ist der InsO auch sonst nicht fremd: Unterliegt der Verwalter in einem Prozess, läuft er bei ungünstigem Verhältnis zwischen vorhandener Masse und den anfallenden Prozesskosten Gefahr, durch Eintritt von Massearmut seinen Vergütungsanspruch zu verlieren. Auch in diesem Fall kommt man nicht umhin, dem Verwalter die Integrität zuzugestehen, seine erforderliche Unabhängigkeit zu wahren. Insgesamt erscheint es daher vorzugswürdig, auch dem Verwalter das Recht zu einer Vorschussleistung zuzubilligen.[38] An einer Vorschussleistung hat der Insolvenzverwalter etwa dann ein besonderes Interesse, wenn die Massearmut erst durch einen Kostenerstattungsanspruch wegen eines vorausgegangenen Prozesses eingetreten ist, den der Verwalter in erster Instanz verloren hat, und der Verwalter nur wegen der fehlenden Bereitschaft der Gläubiger zur Vorschussleistung gehindert ist, die Entscheidung durch Rechtsbehelfe anzugreifen.

 

Rn 18

Die Gesetzesgeschichte steht einer Einbeziehung des Insolvenzverwalters in den Kreis der Vorschussberechtigten nicht entgegen. Zwar ist die Erwähnung des Insolvenzverwalters in der Begründung zum Referententwurf nicht in die Begründung des Regierungsentwurfs übernommen worden;[39] ein hinreichend deutlicher Wille des Gesetzgebers, den Insolvenzverwalter auszuschließen, kommt allein hierdurch aber nicht zum Ausdruck.[40] Die Einbeziehung des Insolvenzverwalters in den Kreis der Vorschussberechtigten steht schließlich in Einklang mit dem grundlegenden gesetzgeberischen Ziel, eine Einstellung der Verfahren mangels Masse möglichst zu vermeiden.[41]

[35] So etwa die Vorauflage (11. Lfg., Stand Januar 2002), § 207 Rn. 12 unter Hinweis auf Begr zu § 317 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 218. Im RegE ist tatsächlich davon die Rede, dass ein "Beteiligter" die Kosten vorschießt. Eine ausdrückliche Einschränkung auf den Kreis der Beteiligten ist hiermit aber nicht verbunden. Zur Entstehungsgeschichte vgl. näher Kübler, in: Kölner Schrift, S. 967 (970 f.) Rn. 12.
[36] FK-Kießner, § 207 Rn. 23; HambKomm-Weitzmann, § 207 Rn 6; Kübler, in: Kölner Schrift, S. 967 (970 f.) Rn. 12.
[37] HK-Landfermann, § 207 Rn. 14; Nerlich/Römermann-Westphal, § 207 Rn. 21; Kübler, in: Kölner Schrift, S. 967 (970 f.) Rn. 12, unter Bezug auf Häsemeyer, in: Leipold (Hrsg.), Insolvenzrecht im Umbruch, S. 101 (109); Pape/Hauser, Massearme Verfahren, Rn. 215 (wegen drohender Widersprüche zu § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO); auch Dinstühler, ZIP 1998, 1697 (1700).
[38] So auch FK-Kießner, § 207 Rn. 24; Braun-Kießner, § 207 Rn. 18.
[39] Kübler, in: Kölner Schrift, S. 967 (970 f.) Rn. 12.
[40] Nach Uhlenbruck, NZI 2001, 408, spricht die Gesetzesgeschichte sogar für eine Einbeziehung des Insolvenzverwalters.
[41] Den Bedenken der h.M. könnte i.Ü. auch dadurch Rechnung getragen werden, dass bei Vorschusszahlung durch den Insolvenzverwalter der Erstattungsanspruch ausgeschlossen wird (so auch Uhlenbruck, NZI 2001, 408). Der Ausschluss des Erstattungsanspruchs gegenüber dem Ausschluss des Verwalters aus dem Kreis der Vorschussberechtigten wäre immer noch das weniger einschneidende Mittel.

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