Rn 32
Wie der spätere Insolvenzverwalter haftet der vorläufige Insolvenzverwalter über die Verweisung in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 für eine schuldhafte Verletzung seiner insolvenzspezifischen Pflichten nach § 60 und bei einer Nichterfüllbarkeit von ihm begründeter Masseverbindlichkeiten nach § 61. Daneben ist aber auch eine Haftung aus allgemeinen Rechtsvorschriften nicht ausgeschlossen.
Die Haftung aus § 60 trifft den vorläufigen Insolvenzverwalter grds. nur bei der Verletzung von Pflichten, die ihm nach dem Gesetz obliegen (§ 60 Abs. 1 Satz 1). Maßstab für die Haftung ist nach § 60 Abs. 1 Satz 2 ebenso die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften (vorläufigen) Insolvenzverwalters. Der vorläufige Insolvenzverwalter haftet grds. allen Beteiligten eines Insolvenzverfahrens gegenüber, also gegenüber dem Schuldner, den Insolvenz- und Massegläubigern und den Aus- und Absonderungsberechtigten. Dies gilt unabhängig davon, ob das Insolvenzverfahren später eröffnet wird oder nicht. Voraussetzung für eine Haftung ist jedoch die Bestimmung des Pflichtenkreises des vorläufigen Insolvenzverwalters. Dazu ist insbesondere eine Differenzierung nach dem Umfang der dem vorläufigen Verwalter im Einzelfall gerichtlich eingeräumten Befugnisse vorzunehmen. Demzufolge haftet der vorläufige Insolvenzverwalter im Wesentlichen für die Verletzung von Pflichten bei Sicherung und Erhalt der Masse und für einen Verstoß gegen die ihm obliegenden Sorgfalts- und Obhutspflichten bei der Verwaltung der Massegegenstände.
Im Fall der Fortführung des Geschäftsbetriebs ist für die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters einschränkend zu beachten, dass dieser mit seiner Bestellung innerhalb kürzester Zeit die vorläufige Verwaltung eines ihm völlig unbekannten Unternehmens in einem ggf. wenig vertrauten Geschäftszweig zu gewährleisten hat. Vielfach kommt erschwerend hinzu, dass das schuldnerische Unternehmen über eine ungeordnete oder sogar gänzlich unbrauchbare Buchhaltung verfügt, so dass der vorläufige Verwalter keine verlässliche betriebswirtschaftliche Grundlage für eine geordnete Betriebsfortführung vorfindet und diese zunächst erarbeiten muss. Diesen tatsächlichen Gegebenheiten ist für die Frage einer Haftung im Einzelfall gebührend Rechnung zu tragen. Dem vorläufigen Insolvenzverwalter ist daher eine gewisse Einarbeitungszeit zuzugestehen, im Rahmen derer eine Haftung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. In der Folgezeit steigen jedoch die Anforderungen an den vorläufigen Insolvenzverwalter und damit dessen Haftungsgefahr. Dem trägt auch die Haftungsbegrenzung aus § 60 Abs. 2 Rechnung, der gerade im Fall der Betriebsfortführung im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung und in der Einarbeitungszeit des Verwalters eine erhebliche Bedeutung zuzumessen ist. Danach haftet der (vorläufige) Insolvenzverwalter – abweichend von § 278 BGB – für ein Fehlverhalten von Mitarbeitern des schuldnerischen Unternehmens nur, wenn diese offensichtlich ungeeignet sind, der vorläufige Insolvenzverwalter seine Pflichten bei der Überwachung dieser Mitarbeiter verletzt oder diesen Entscheidungen von besonderer Bedeutung überlassen hat.
Rn 33
Ist bei einem mit Fremdrechten belasteten Vermögensgegenstand des Schuldners durch eine freihändige Verwertung ein höherer Erlös als bei einer Versteigerung zu erwarten, so muss der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt einer solchen freihändigen Verwertung durch den Absonderungsberechtigten zustimmen. Selbst wenn sich der Schuldner weigert, kann der vorläufige Verwalter verpflichtet sein, sich bei dem Insolvenzgericht eine Einzelermächtigung für den freihändigen Verkauf zu verschaffen, wenn andernfalls voraussichtlich nach Verfahrenseröffnung eine solche Verwertungsmöglichkeit nicht mehr besteht. Dagegen besteht keine spezifische insolvenzrechtliche Pflicht eines vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt, der Weiterleitung von Mietzahlungen an den Vermieter zuzustimmen, die er als Zwischenvermieter erhält. Auch eine Masseschuld wird dadurch in einem späteren eröffneten Verfahren nicht begründet.
Rn 34
Eine Haftung nach § 61 wegen unerfüllbarer Masseverbindlichkeiten kommt für den vorläufigen Insolvenzverwalter über die Verweisung nur in Betracht, wenn ihm auch die Befugnis eingeräumt wurde, mit Wirkung gegen den Schuldner durch eine eigene Rechtshandlung Masseverbindlichkeiten zu begründen, also nur bei gleichzeitiger Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2. Der schwache vorläufige Verwalter kann nur durch seine Zustimmung zur Begründung von Verbindlichkeiten aus dem Steuerverhältnis (§ 55 Abs. 4) oder auf Grundlage einer gerichtlichen Einzelermächtigung Masseverbindlichkeiten begründen. Hat der vorläufige Insolvenzverwalter unerfüllbare Masseverbindlichkeiten begründet, wird ihm von § 61 Satz 2 die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises eingeräumt. Der Verwalter haftet nicht, wenn er zum Zeitpunkt der Be...