Rn 24
Eine zur Unternehmensfortführung meist unverzichtbare Fortsetzung der Belieferung mit den notwendigen Vorprodukten ist auch bei Bestellung eines vorläufigen Verwalters mit Fortführungspflicht nur möglich, wenn ausreichende Liquidität vorhanden ist oder unter Berücksichtigung der Zahlungsziele und der Vorschrift des § 55 Abs. 2 zumindest für ein später zu eröffnendes Verfahren dargestellt werden kann bzw. ausreichend gesichert ist. Selbst wenn offene Kreditlinien bestehen, werden die Kreditgeber zumeist von ihrem Kündigungsrecht wegen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers Gebrauch machen (s. u. Rdn. 85). Hier bleibt dem vorläufigen Verwalter häufig nichts anderes übrig, als mit den beteiligten Banken unverzüglich über die Gewährung eines Massedarlehens zu verhandeln oder die Lieferanten zu überzeugen, dass auch ohne zusätzliche, meist nicht verfügbare Sicherheiten die spätere Begleichung der im Rahmen der Betriebsfortführung neu entstandenen Verbindlichkeiten gesichert ist.
Daneben kommt die Vorfinanzierung des den Arbeitnehmern als Lohnersatzleistung zustehenden Insolvenzgeldes in Betracht (s. u. Rdn. 78). Während allerdings nach § 55 Abs. 3 die auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Ansprüche der Arbeitnehmer und die von der Insolvenzgeldsicherung abgedeckten Sozialversicherungsbeiträge im Insolvenzverfahren als Ausnahme zu dem Grundsatz in § 55 Abs. 2 nur als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können, gilt dies nicht für sonstige Verpflichtungen des vorläufigen Insolvenzverwalters aus Dauerschuldverhältnissen, soweit der vorläufige Verwalter während des Insolvenzeröffnungsverfahrens daraus für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch nimmt. Trotzdem dürfte die Ausschöpfung des Insolvenzgeldzeitraumes grundsätzlich geboten sein, da durch sie regelmäßig die Sanierungschancen erhöht werden.
Rn 25
Da die gesetzliche Fortführungspflicht unmittelbar ab seiner Bestellung Geltung beansprucht, ist der vorläufige Verwalter gerade in den ersten Tagen des Insolvenzeröffnungsverfahrens mangels ausreichend gesicherter Tatsachenkenntnis oft gezwungen, sozusagen "aus dem Bauch heraus" Fortführungsentscheidungen mit weitreichenden finanziellen Konsequenzen zu treffen, um sich überhaupt die Chance einer auch nur teilweisen Sanierung des Schuldnerunternehmens offen zu lassen. Im Hinblick auf die geringen Hürden zur Zulässigkeit eines Antrages auf vorläufige Eigenverwaltung nach § 270 a, dürfte inzwischen bei einem "regulären" Eröffnungsverfahren im Grundsatz davon auszugehen sein, dass die eingetretenen wirtschaftlichen Fehlentwicklungen, die zum Insolvenzantrag geführt haben, überwiegend auf Managementfehlern beruhen. Vor diesem Hintergrund muss der vorläufige Verwalter vorschnellen Aussagen leitender Mitarbeiter zu einer angeblich gesicherten Fortführung mit der gebotenen Vorsicht begegnen. Er ist insbesondere bei größeren Unternehmen gut beraten, unter Hinzuziehung unternehmensexterner qualifizierter Fachkräfte so schnell wie möglich die wirtschaftlichen Rahmendaten aufzubereiten und diese Vorgänge nachvollziehbar zu dokumentieren. Ansonsten läuft er unausweichlich Gefahr, bei späterem wirtschaftlichem Scheitern der Fortführung als solventer "Ersatzschuldner" in Anspruch genommen zu werden, um bei den verfahrensbeteiligten Gläubigern wenigstens für einen gewissen Ausgleich des dort entstandenen Insolvenzschadens zu sorgen (zur Haftung s. u. Rdn. 32).
Rn 26
Der vorläufige Verwalter ist nicht verpflichtet, ein möglicherweise sogar betriebswirtschaftlich ungerechtfertigt stillgelegtes Schuldnerunternehmen wieder aufzunehmen. Dies ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut, wonach der vorläufige Verwalter nur ein vom Schuldner betriebenes Unternehmen fortzuführen hat. Ist das Unternehmen im Zeitpunkt der Anordnung der Sicherungsmaßnahmen schon endgültig stillgelegt, wird es nicht mehr betrieben, so dass die Fortführungspflicht entfällt.