Dr. Jürgen Spliedt, Dr. Alexander Fridgen
Gesetzestext
(1) 1Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und die Eigenverwaltung beantragt und ist die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos, so bestimmt das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans. 2Die Frist darf höchstens drei Monate betragen. 3Der Schuldner hat mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.
(2) 1In dem Beschluss nach Absatz 1 bestellt das Gericht einen vorläufigen Sachwalter nach § 270a Absatz 1, der personenverschieden von dem Aussteller der Bescheinigung nach Absatz 1 zu sein hat. 2Das Gericht kann von dem Vorschlag des Schuldners nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist; dies ist vom Gericht zu begründen. 3Das Gericht kann vorläufige Maßnahmen nach § 21 Absatz 1 und 2 Nummer 1a, 3 bis 5 anordnen; es hat Maßnahmen nach § 21 Absatz 2 Nummer 3 anzuordnen, wenn der Schuldner dies beantragt.
(3) 1Auf Antrag des Schuldners hat das Gericht anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet. 2§ 55 Absatz 2 gilt entsprechend.
(4) 1Das Gericht hebt die Anordnung nach Absatz 1 vor Ablauf der Frist auf, wenn
1. |
die angestrebte Sanierung aussichtslos geworden ist; |
2. |
der vorläufige Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt oder |
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ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder ein Insolvenzgläubiger die Aufhebung beantragt und Umstände bekannt werden, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird; der Antrag ist nur zulässig, wenn kein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt ist und die Umstände vom Antragsteller glaubhaft gemacht werden. |
2Der Schuldner oder der vorläufige Sachwalter haben dem Gericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen.3Nach Aufhebung der Anordnung oder nach Ablauf der Frist entscheidet das Gericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
1. Bisherige gesetzliche Regelung
Rn 1
Eine Vorgängervorschrift zu § 270b existiert nicht.
2. Regelungszweck
Rn 2
Das Vertrauen der Schuldner in das Insolvenzverfahren soll gestärkt und ein Anreiz geschaffen werden, frühzeitig einen Eröffnungsantrag zu stellen, um rechtzeitig die Weichen für eine Sanierung des schuldnerischen Unternehmens zu stellen. Bereits § 270a bietet dem Schuldner ein erhöhtes Maß an Planungssicherheit, weil er nicht befürchten muss, bei der nicht offensichtlich aussichtslosen Beantragung eines Eigenverwaltungsverfahrens die Leitungsfunktion in seinem Unternehmen zu verlieren. Soll der Schuldner aber frühzeitig – vor allem bei bloß drohender Zahlungsunfähigkeit – den Insolvenzantrag stellen, wird er oft mit der Erarbeitung eines Sanierungsplanes noch nicht ausreichend weit fortgeschritten sein. Er benötigt daher vor allem Zeit, um den Sanierungsplan auszuarbeiten, in der der Geschäftsbetrieb aber nicht durch Vollstreckungsmaßnahmen oder durch Verwertung von Sicherheiten von Gläubigern, die der Sanierung ablehnend gegenüber stehen, zum Stillstand gebracht wird. § 270b gibt dem Schuldner im Zeitraum zwischen Eröffnungsantrag und Verfahrenseröffnung daher zeitlich befristet ein eigenständiges Sanierungsverfahren an die Hand, das ihn vor derartigen Beeinträchtigungen schützt ("Schutzschirmverfahren"). Das Schutzschirmverfahren kann nur angeordnet werden, wenn gleichzeitig auch die Eigenverwaltung beantragt ist. Der vom Schuldner erstellte Sanierungsplan soll dann im eröffneten Insolvenzverfahren durch einen Insolvenzplan umgesetzt werden. Voraussetzung für die Anordnung des Schutzschirms ist allerdings, dass lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt. Hat der Schuldner mit der Beantragung des Insolvenzverfahrens bis zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gewartet, entfällt die Begründung, mit der dem Schuldner eine Schonfrist gewährt werden könnte.
3. Schutzschirm (Abs. 1)
Rn 3
Der Schutzschirm, der über dem Schuldner aufgespannt wird, birgt für die Gläubiger insoweit Nachteile, als sie nicht mehr ungehindert ihre Forderungen gegen den Schuldner durchsetzen können, ohne dass bereits durch Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters Vorkehrungen zur Sicherung der späteren Insolvenzmasse getroffen werden. Diese Nachteile werden den Gläubigern nur unter bestimmten Voraussetzungen zugemutet.
Rn 4
Der Schutzschirm erlaubt es dem Schuldner, trotz Eröffnungsantrages die Kontrolle über das Unternehmen zu behalten und sich trotzdem dem unmittelbaren Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Die Gesetzesbegründung geht hierbei von einer "garantierten" Frist aus, die dem Schuldner für die...