Dr. Jürgen Spliedt, Dr. Alexander Fridgen
Gesetzestext
(1) Auf Antrag der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht an, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners nur wirksam sind, wenn der Sachwalter ihnen zustimmt. § 81 Abs. 1 Satz 2 und 3 und § 82 gelten entsprechend. Stimmt der Sachwalter der Begründung einer Masseverbindlichkeit zu, so gilt § 61 entsprechend.
(2) Die Anordnung kann auch auf den Antrag eines absonderungsberechtigten Gläubigers oder eines Insolvenzgläubigers ergehen, wenn sie unaufschiebbar erforderlich ist, um Nachteile für die Gläubiger zu vermeiden. Der Antrag ist nur zulässig, wenn diese Voraussetzung der Anordnung glaubhaft gemacht wird.
(3) Die Anordnung ist öffentlich bekanntzumachen. § 31 gilt entsprechend. Soweit das Recht zur Verfügung über ein Grundstück, ein eingetragenes Schiff, Schiffsbauwerk oder Luftfahrzeug, ein Recht an einem solchen Gegenstand oder ein Recht an einem solchen Recht beschränkt wird, gelten die §§ 32 und 33 entsprechend.
1. Bisherige gesetzliche Regelung
Rn 1
Die Vorschrift wurde bei Neuschaffung der Insolvenzordnung mit Gesetz vom 5.10.1994 (BGBl. I S. 2866) eingeführt und gilt seitdem unverändert. Schon in § 64 VglO war allerdings vorgesehen, dass Verfügungen des Schuldners von der Zustimmung des Verwalters abhängig gemacht werden konnten.
2. Überblick
Rn 2
§ 277 beschreibt die höchste Stufe der Maßnahmen, die im Eigenverwaltungsverfahren zur Sicherung der Insolvenzmasse gegenüber dem Schuldner angeordnet werden können. Schon die allgemeinen Verbindlichkeiten, die der Schuldner eingeht, hat er mit dem Sachwalter gemäß § 275 abzustimmen. Für besonders schadensgeneigte Rechtshandlungen kann das Gericht auf einen entsprechenden Antrag hin nach § 277 aber sogar einem Zustimmungsvorbehalt anordnen. Sind trotz eines angeordneten Zustimmungsvorbehaltes infolge der Eigenverwaltung weiterhin Nachteile für die Gläubiger zu erwarten, kommt eine Aufhebung der Eigenverwaltung gemäß § 272 in Betracht. Die Möglichkeit, dass das Gericht dem Sachwalter Ermächtigungen zum Abschluss von Geschäften mit Wirkung gegenüber der Insolvenzmasse erteilt, ist im Rahmen der Eigenverwaltung nicht vorgesehen. Die Entscheidung über den Zustimmungsvorbehalt beruht im Normalfall auf der bloßen Gläubigerautonomie, denn die Gläubigerversammlung bestimmt, ob ein solcher angeordnet werden soll.
Rn 3
Für das Eröffnungsverfahren gibt es in §§ 270a, 270 Abs. 1 Satz 2, 21, 22 bzw. § 270b besondere Vorschriften über die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts.
Rn 4
Die Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes kann Einfluss auf das Bestehen einer Organschaft haben.
3. Zustimmungsvorbehalt
Rn 5
Der Zustimmungsvorbehalt ist für bestimmte Rechtsgeschäfte auszusprechen. Gegenüber den vorläufigen Maßnahmen, die gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 vor Verfahrenseröffnung angeordnet werden können, bleibt § 277 daher einerseits zurück, weil dort alle Verfügungen des Schuldners unter Zustimmungsvorbehalt gestellt werden können, in der Eigenverwaltung nur bestimmte. Andererseits ist die Regelung des § 277 weiter, weil nicht nur Verfügungen, sondern auch alle anderen Rechtsgeschäfte, insbesondere Verpflichtungsgeschäfte, betroffen sein können.
Rn 6
Die Zustimmung kann im Vorhinein oder auch als Genehmigung gemäß § 184 BGB erteilt werden. Wem gegenüber die Zustimmung des Sachwalters abzugeben ist, hängt von der Art des Rechtsgeschäfts ab und bestimmt sich nach § 182 BGB. Ob diese Zustimmung abzugeben ist, hat der Sachwalter zu entscheiden und sich am Verfahrensziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zu orientieren. Schon wegen der nach Abs. 3 Satz 1 bestehenden Haftung des Sachwalters wird dieser der Begründung von Masseverbindlichkeiten aber nur dann zustimmen, wenn er sich davon überzeugt hat, dass die Insolvenzmasse auch für deren Befriedigung ausreicht.
Rn 7
Ohne diese Zustimmung des Sachwalters vorgenommene Rechtsgeschäfte sind auch im Außenverhältnis nach Abs. 1 Satz 1 unwirksam. Das ergibt sich aus dem – im Gegensatz zu § 276 Satz 2 – fehlenden Verweis auf § 164. Nach der dortigen Regelung sind unter Verstoß gegen das Zustimmungserfordernis vorgenommene Rechtshandlungen nämlich wirksam. Da § 277 Entsprechendes nicht anordnet, ist die Unwirksamkeit des ohne Zustimmung vorgenommenen Rechtsgeschäfts anzunehmen. Der Zustimmungsvorbehalt bewirkt ein absolutes Verfügungsverbot. Ein Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Sachwalter ist mit Anordnung des Zustimmungsvorbehalts nicht verbunden.
Rn 8
Mit dem Verweis in Abs. 1 Satz 2 nach §§ 81 Abs. 1 Satz 2 und 3, 82 wird der gute Glaube in die Verfügungsbefugnis des Schuldn...