Rn 6
Dem Gesetzgeber ist es als unbillig erschienen, dass einem Schuldner Restschuldbefreiung auch gegenüber einem Gläubiger erteilt wird, den er vorsätzlich geschädigt hat. Die Schadensfolge muss bei der unerlaubten Handlung vom Vorsatz umfasst sein. Es genügt nicht, dass eine vorsätzliche Handlung adäquat kausal zu einem Schaden geführt hat. Ansprüche aus Gefährdungshaftung fallen nicht unter § 302 Nr. 1. So fällt auch ein durch eine "Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination" -z. B. durch eine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt verursachte fahrlässige Körperverletzung und der daraus geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht unter den Ausschluss des § 302 Nr. 1. In der gleichen Entscheidung sieht der BGH aber mit einem obiter dictum den Ausschluss der Restschuldbefreiung wegen der schweren Folge aus der gegen das Opfer vorsätzlich ausgeübten Gewalt es als gerechtfertigt an, wenn bei Begehung eines Raubes mit (nicht vorsätzlicher) Todesfolge gemäß § 251 StGB das Opfer letztlich das Opfer einer Vorsatztat sei. Wer aber als Geschäftsführer in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die GmbH weiterbetreibt, nimmt auch die Gläubigerbenachteiligung billigend in Kauf.
Rn 7
Unter § 302 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 fallen alle gegen den Schuldner gerichteten Forderungen, die ihre Grundlage in den §§ 823 ff. BGB haben, ggf. gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz.
§ 302 Nr. 1 regelt nicht näher, welche Forderungen als Ansprüche aus Vorsatzdelikt von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden, sondern setzt eine solche Begriffsbestimmung voraus. Auch soweit Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung durch andere Vorschriften privilegiert werden, fehlt jeweils eine nähere Bestimmung der damit erfassten Ansprüche (vgl. § 89 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 InsO, § 850f Abs. 2 ZPO, § 393 BGB; ferner § 273 Abs. 2, § 1000 Satz 2 BGB). Es besteht Einigkeit, dass der Begriff der vorsätzlichen unerlaubten Handlung auf das Deliktsrecht der §§ 823 ff. BGB Bezug nimmt.
Die Handlung muss vorsätzlich begangen worden sein, wobei bedingter Vorsatz ausreichend ist. In Betracht kommen u. a.:
- die Verletzung gesetzlicher Unterhaltspflichten, die gemäß § 170b StGB strafbar ist und dementsprechend i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB zivilrechtlich als unerlaubte Handlung zu qualifizieren ist,
- eine strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen Eingehungsbetruges (§ 263 StGB i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB),
- die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB) und
- der Verstoß gegen die Pflicht zur rechtzeitigen Anmeldung eines Insolvenzverfahrens gem. § 15 a.
Die Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO wird nicht als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB angesehen und nicht als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung i. S. d. § 302 Nr. 1, weil es sich um einen steuerrechtlichen Tatbestand handelt, an den das Gesetz (§ 38 AO) eine Zahlungspflicht knüpft.
Rn 7a
Hat eine Kasse durch Unterhaltsvorschuss Unterhalt statt des Unterhaltspflichtverletzers geleistet, stellt § 170 StGB ein Schutzgesetz auch zu Gunsten des Trägers der Kasse (öffentlichen Versorgungsträgers) dar. Der Erstattungsanspruch des ersatzweise leistenden Trägers auf Erstattung des gezahlten Unterhalts bleibt von der Erteilung der Restschuldbefreiung unberührt, wenn er als Anspruch aus unerlaubter Handlung zur Tabelle angemeldet worden ist.
Rn 7b
Von § 302 Nr. 1 werden Ansprüche auf Zahlung der Gerichtskosten aus Strafverfahren nicht erfasst. Diese Kosten werden zwar durch ein vorsätzliches Verhalten des Schuldners veranlasst. Sie beruhen als Verbindlichkeit und Ersatzanspruch aber nicht auf Erfüllung des Tatbestands einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung. Ein Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung setzt nicht nur voraus, dass der Schuldner eine unerlaubte Handlung begangen hat, sondern auch, dass der Gläubiger seine Forderung gerade aus dem Recht der unerlaubten Handlungen herleiten kann. Ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch kann auch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung begründet sein, sofern zugleich ein materiell-rechtlicher deliktischer Erstattungsanspruch besteht. Kosten der Nebenklage sind rein prozessualer Natur und nicht aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung begründet.
Rn 7c
Nachdem bereits eine aus vorsätzlicher und mit Strafe bedrohter Unterhaltspflichtverletzung entstandene Forderung zu den privilegierten Verbindlichkeiten gezählt wurde, wurde wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit der Unterhaltsberechtigten klargestellt, dass es für einen Ausschluss nach § 302 ausreicht, wenn der Schuldner pflichtwidrig seinen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkommt (§ 302 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 n. F.). Durch den Begriff der "Pflichtwidrigkeit" wurde ebenfalls klargestellt, dass die Nichtleistung des Unterhalts dann einer unerlaubten Handlung gleichgestellt wird, wenn neben der gesetzlichen Unterhaltspflicht die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschu...