Rn 2
Das Verbraucherinsolvenzverfahren soll zahlungsunfähigen Verbrauchern und ehemaligen Kleinunternehmern ermöglichen, ihre Verbindlichkeiten auf der Grundlage einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung, eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans oder als letzte Möglichkeit auf der Grundlage eines Verbraucherinsolvenzverfahrens, ggf. mit anschließendem Restschuldbefreiungsverfahren zu regulieren. Das Regelinsolvenzverfahren und das Verbraucherinsolvenzverfahren bilden einander ausschließende, unterschiedlich strukturierte Verfahrensarten. Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist eine besondere Verfahrensart für natürliche Personen, die grundsätzlich keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder jemals ausgeübt haben. Haben sie einmal eine solche Tätigkeit ausgeübt, gelten für sie ausnahmsweise die §§ 305 ff., wenn sie aufgrund ihrer Verschuldensstruktur Verbrauchern im Wesentlichen gleichgestellt werden können.
Rn 3
Mit der Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens wurde das im deutschen Konkurs-(Insolvenz-)Recht bis dahin geltende Universalprinzip weitgehend aufgegeben. Eine Eigenverwaltung und ein Insolvenzplanverfahren waren nicht vorgesehen (§ 312 Abs. 3). Das Verfahren lehnte sich an das Insolvenzplanverfahren an. Inzwischen sind die Vorschriften über das Insolvenzplanverfahren auch im Verbraucherinsolvenzverfahren anwendbar.
Rn 4
Durch die genaue Festlegung der Zugangsvoraussetzungen für das Verbraucherinsolvenzverfahren in § 304 entfällt ein Wahlrecht des Schuldners zwischen dem Regelinsolvenzverfahren und dem Verbraucherinsolvenzverfahren. Dies bedeutet aber auch, dass ein "Verbraucher" keinen zulässigen Regeleröffnungsantrag stellen kann. Der Zugang zum Verbraucherinsolvenzverfahren ist für den Antragsteller praktisch wesentlich aufwendiger, da er die Antragsvoraussetzungen des § 305 zu erfüllen hat und einen aufwendigen Versuch zur außergerichtlichen Schuldenbereinigung unternehmen muss. Warum demgegenüber ein Selbstständiger im Rahmen des Regelverfahrens sofort einen Insolvenzantrag stellen kann, ist nicht einsichtig. Der Versuch des BMJ von der mit dem ESUG in § 13 Abs. 4 eröffneten Möglichkeit zur Einführung eines Formularzwangs für Regelinsolvenzverfahren Gebrauch zu machen, ist an der Komplexität der Gestaltung eines einheitlichen Formulars für alle Regelinsolvenzverfahren gescheitert.
Rn 5
Dem Schuldner steht in jedem Fall eine der beiden Verfahrensarten offen. Das Verbraucherinsolvenzverfahren stellt aber gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren die Ausnahme dar. Im Zweifel bleibt deshalb dem Schuldner immer der Weg zur Restschuldbefreiung über das Regelverfahren offen.
Rn 6
Da das Restschuldbefreiungsverfahren nach §§ 286 ff. die vorherige Durchführung eines Insolvenzverfahrens voraussetzt, wurde mit den Regelungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens, hier den Instituten der außergerichtlichen Schuldenbereinigung und des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens, angestrebt, eine Entschuldung des einbezogenen Personenkreises zu erreichen, ohne ein förmliches und aufwendiges Insolvenzverfahren durchführen zu müssen. Vorrangiges Ziel der Regelungen ist es dabei, wirtschaftlich gescheiterten, redlichen Personen einen Neuanfang zu ermöglichen. Folgerichtig bleibt die Anordnung einer strafrechtlichen Einziehung auch nach Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens möglich.