Rn 7
Zur Zeit der Geltung der Konkursordnung konnte auch gegen natürliche Personen, die keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübten, ein Konkursantrag gestellt werden. In der breiten Öffentlichkeit war völlig unbekannt, dass diese Personen sogar einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr eigenes Vermögen stellen konnten. Die rechtlichen Regelungen zum Konkursverfahren waren aber vollständig auf Konkurse von Unternehmen bzw. Inhaber von Unternehmen zugeschnitten. Im Ergebnis verblieben den Schuldnern selbst bei einer Durchführung des Konkursverfahrens trotz des großen durch das Verfahren verursachten Aufwands die restlichen durch eine etwa vorhandene Masse nicht gedeckten Schulden.
Rn 8
Bei den Vorbereitungen zu einer Reform des Konkursrechts durch das Bundesministerium der Justiz seit 1976 und Beratungen des Deutschen Bundestages ab 1992 spielte eine Insolvenz der sog. Verbraucher zunächst keine Rolle. Erst die Diskussion über das Restschuldbefreiungsverfahren im Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung und die erhobene Kritik an der beabsichtigten Ausrichtung der Restschuldbefreiung am Unternehmerinsolvenzverfahren führte zu einem Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages, in die Insolvenzordnung ein neues auf die Bedürfnisse der Verbraucher zugeschnittenes, abgestuftes Regelinstrumentarium mit den Vorschriften der §§ 304–314 im Anschluss an die Vorschriften zur Restschuldbefreiung in die vorbereitete Insolvenzordnung einzufügen.
Rn 9
Mit dem Neunten Teil der Beschlussempfehlung sollte ein besonderes Verfahren geschaffen werden, das den Bedürfnissen von Verbrauchern und Kleingewerbetreibenden angepasst ist, und nicht zu einer übermäßigen Belastung der Gerichte führt. Deshalb sollte dem Versuch einer außergerichtlichen Einigung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern Vorrang eingeräumt werden.
Rn 10
Die drei Stufen des Verbraucherinsolvenzverfahren wurden in der bis 01.07.2014 geltenden Fassung der Insolvenzordnung folgendermaßen konzipiert:
- Das Verfahren ist darauf ausgerichtet, zuallererst außergerichtliche Verhandlungen zwischen Schuldnern und Gläubigern zu fördern.
- Wenn mangels außergerichtlicher Einigung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt wird, stellt das Gericht zunächst fest, ob das Einverständnis der Gläubiger mit einem Schuldenbereinigungsplan zu erreichen ist und führt ein gerichtliches Verfahren durch.
- Führt auch das Verfahren über den Schuldenbereinigungsplan nicht zum Erfolg, wird ein vereinfachtes Insolvenzverfahren durchgeführt. An dieses schließt sich, wenn der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, eine siebenjährige Wohlverhaltensperiode an, in der der Schuldner sein pfändbares Einkommen den Gläubigern zur Verfügung stellen muss. An deren Ende steht die gesetzliche Restschuldbefreiung nach den §§ 286 ff. für redliche Schuldner.
- Beabsichtigt war eine Rückwirkung der Stufenmechanik auf die Verfahrensbeteiligten in der Form, dass insbesondere für ökonomisch kalkulierende Gläubiger ein Anreiz zur Einigung auf den ersten beiden Stufen entsteht. Denn Folge der Durchführung des Insolvenzverfahrens auf der dritten Stufe ist regelmäßig die vollständige oder erhebliche Aufzehrung der Insolvenzmasse durch die vorrangig zu befriedigenden Verfahrenskosten (§ 53).
Rn 11
Der persönliche Anwendungsbereich des Verbraucherinsolvenzverfahrens erfasste in der Fassung vom 01.01.1999 Verbraucher und Kleingewerbetreibende gleichermaßen. Zur Abgrenzung vom Regelinsolvenzverfahren wurde aus § 347 Abs. 2 Nr. 2 des RegE die Formulierung der "geringfügigen selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit" übernommen. Um die Auslegung dieses Begriffs zu erleichtern, wurde darauf hingewiesen, dass in Abs. 2 an die Definition des Minderkaufmanns in § 4 HGB angeknüpft werde. In der gerichtlichen Praxis ergaben sich von Anfang an erhebliche Schwierigkeiten, die sog. "Kleingewerbetreibenden" von anderen Unternehmern abzugrenzen. Um die ausgeübte wirtschaftliche selbstständige Tätigkeit als geringfügig einzustufen, wurden Abgrenzungskriterien entwickelt: Die Zahl der Beschäftigen, die Art der Tätigkeit, der Umsatz, das Anlage- und Betriebskapital, die Vielfalt der im Betrieb erbrachten Leistungen und der Geschäftsbeziehungen, die Art der Inanspruchnahme von Kredit und die Teilnahme auch am Wechselverkehr. Darüber hinaus war die Vorschrift des § 4 HGB bereits 1998 im Rahmen der Reform des Handelsrechts, also vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung, ersatzlos gestrichen worden. Schließlich erwies sich die Grundannahme, bei Kleingewerbetreibenden lägen regelmäßig überschaubare Vermögensverhältnisse vor, als verfehlt, denn die Anzahl der Gläubiger überstieg oft die Zahl von 100 und erreichte in der Spitze bis zu 800. Dies erschwerte besonders die Meinungsbildung und die Abstimmung über den Schuldenbereinigungsplan. Hinzu kam der Streit über die Zulässigkeit einer Prozesskostenhilfe für völlig mittellose Schuldner bei der Antragstellung und di...