Rn 45
Ist zum Zeitpunkt der Eröffnungsantragstellung eine aktive selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners nicht feststellbar, ist in einem zweiten Prüfungsschritt zu untersuchen, ob der Schuldner in der Vergangenheit einer solchen Tätigkeit nachgegangen ist, die aber vollständig aufgegeben worden sein muss. Eine vollständige Aufgabe setzt nicht voraus, dass alle Abwicklungstätigkeiten bereits beendet sind, sondern eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit bei offensichtlicher Reorganisationsunfähigkeit des Unternehmens.
Rn 46
Da für die Prüfung der Verfahrensfähigkeit nur der Antragszeitpunkt maßgeblich sein muss (s. u. Rdn. 63 ff.), ist es möglich, dass sich zum Zeitpunkt einer Eröffnung die tatsächlichen Verhältnisse wieder geändert haben. Rechtsmissbräuchlich dürfte es allerdings sein, wenn der Schuldner vor Antragstellung seine selbstständige Tätigkeit durch "Gewerbeabmeldung" beendet und dasselbe oder ein ähnliches Gewerbe in der Zeit bis zu einer gerichtlichen Entscheidung wieder anmeldet.
Rn 47
Ging der Schuldner in der Vergangenheit einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit nach, ist weiter zu prüfen, ob er dennoch einem Verbraucher gleichgestellt werden kann (Satz 2), d. h. seine Vermögens- und Verschuldungsstruktur derjenigen von Verbrauchern im Wesentlichen entspricht. Absicht der Regelung des § 304 ist es, auch ehemalige (Klein-)Unternehmer auf das Regelinsolvenzverfahren zu verweisen, wenn nicht Tatsachen bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass der Schuldner trotz seiner früheren unternehmerischen Tätigkeit ausnahmsweise dem Verbraucherinsolvenzverfahren zuzuordnen ist.
Rn 48
Die nach der ursprünglichen Fassung des § 304 festgestellten Nachteile für das Verbraucherinsolvenzverfahren durch Einbeziehung der Kleinunternehmer sollen durch grundsätzlichen Ausschluss der ehemaligen Kleinunternehmer beseitigt werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wurde lediglich für die ehemaligen Kleinunternehmer vorgesehen, deren Verschuldungsstruktur der von Verbrauchern im Wesentlichen entspricht und bei denen die Vorteile des Verfahrens genutzt werden können.
Rn 49
Die Insolvenzordnung normiert in § 304 Abs. 1 Satz 2 seither zwei zentrale Abgrenzungskriterien, die (jedes für sich) eine Gleichstellung ausschließen. Einerseits ist dies die fehlende Überschaubarkeit seiner Vermögensverhältnisse, die nach Absatz 2 zwingend vorliegt, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Antragstellung mehr als 19 Gläubiger hat, andererseits das Bestehen von Forderungen aus Arbeitsverhältnissen gegen den Schuldner unabhängig davon, ob weniger als 20 Gläubiger vorhanden sind.
2.2.1 Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse
Rn 50
Die Gleichstellung des ehemaligen Unternehmers mit dem Verbraucher scheidet aus, wenn seine Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Eröffnungsantragstellung nicht überschaubar sind (§ 304 Abs. 1 Satz 2, 1. Variante). Die Auswertung der seit 1999 gemachten Erfahrungen hatte gezeigt, dass insbesondere eine hohe Zahl von Gläubigern einer einvernehmlichen Schuldenbereinigung entgegenstand. Es wurde von einer Gläubigerzahl von mehreren Hundert in einem Verfahren berichtet. Gläubigerzahlen im Bereich bis 100 waren keine Seltenheit. In solchen Fällen war schon im Hinblick auf die Probleme bei der Zustellung des Schuldenbereinigungsplans eine zeitnahe Einigung aussichtslos. Die Insolvenzgerichte waren schon mit der rein logistischen und organisatorischen Durchführung solcher Verfahren überfordert, zumal die an die Gläubiger zuzustellenden Kopien fünfstellige Zahlen erreichten und nicht aufbringbare Auslagen beim Schuldner verursachten. Deshalb sollte die Zahl der Gläubiger als zentrales Abgrenzungskriterium eingeführt werden. Eine empirische Grundlage hat die Abgrenzung bei 20 Gläubigern nicht.
Rn 51
Nach § 304 Abs. 2 fehlt es an einer Überschaubarkeit, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnungsantragstellung mehr als 19 Gläubiger hat. Die Zahl der Gläubiger soll nicht nur entscheidend für das Gelingen einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Schuldenbereinigung sein, sondern auch ein für die Praxis leicht handhabbares Kriterium darstellen und so die Zuordnung des betroffenen Schuldners zum Verbraucher- oder zum Regelinsolvenzverfahren relativ einfach ermöglichen. Entscheidungsgrundlage des Gerichts ist grundsätzlich die Angabe der Gläubigerzahl im Forderungsverzeichnis (Anlage 6 der amtlichen Formulare zum Eigenantrag Verbraucherinsolvenz), da eine Nichtaufnahme von Gläubigern strafbar sein kann und insolvenzrechtlich zu schwerwiegenden Nachteilen für den Schuldner führt (z. B. §§ 308 Abs. 3, 290 Abs. 1 Nr. 6).
Rn 52
Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist zunächst allein auf die Kopfzahl der Gl...