Rn 114
Der Prüfungsumfang des Insolvenzgerichts ist im Hinblick auf die Bescheinigung gemäß Abs. 1 Nr. 1 nicht auf eine rein formelle Kontrolle beschränkt, ob überhaupt eine Bescheinigung vorgelegt wurde. Das Gericht kann die Bescheinigung daraufhin überprüfen, ob sie schlüssige Erklärungen enthält, weil § 305 Abs. 1 Nr. 1 den Zweck verfolgt, durch die Ausschöpfung außergerichtlicher Einigungsmöglichkeiten ein gerichtliches Insolvenzverfahren zu vermeiden oder es wenigstens zu beschleunigen oder zu vereinfachen. Daher muss der Versuch der Schuldenbereinigung ernstlich betrieben worden sein. Eine inhaltliche Kontrolle des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuches findet nicht statt. Ist der Plan allerdings offensichtlich inhaltlich unzureichend im Hinblick auf die Vermögenslage des Schuldners (s.o. Rn. 19 ff.) oder hat der Schuldner seine Vermögenslage offensichtlich fehlerhaft gegenüber den Gläubigern dargestellt (s.o. Rn. 23) kann er vom Gericht als nicht hinreichend ernsthaft eingestuft werden. In diesem Fall darf das Gericht die Bescheinigung nicht akzeptieren. Gleichwohl kommt dem Gericht grundsätzlich keine materielle Prüfungs-, Änderungs- oder Gestaltungskompetenz zu. Die Prüfung, ob der Versuch der Schuldenbereinigung ernstlich betrieben worden ist, obliegt der geeigneten Person oder Stelle. Ob eine Stelle geeignet ist, nimmt die nach dem jeweiligen Ausführungsgesetz zuständige Verwaltungsbehörde vor, nicht das Gericht. Deshalb gibt es keine Vermutung, eine Beratung sei bei einer großen räumlichen Distanz nicht ordnungsgemäß erfolgt.
Rn 115
Im Rahmen der Prüfung der Bescheinigung darf das Insolvenzgericht von Amts wegen das in der Bescheinigung verzeichnete Datum des Scheiterns des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs (sog. Scheiternsdatum) auf offensichtliche Verfahrensfehler prüfen. Dies ist bspw. der Fall, wenn den Gläubigern außergerichtlich eine Stellungnahmefrist eingeräumt, bereits vor deren Ablauf aber das Scheitern der außergerichtlichen Schuldenbereinigung bescheinigt wird. Darüber hinausgehend ist das Gericht auch berechtigt zu prüfen, ob die ausstellende Stelle ihr Ermessen bei der Bestimmung des Zeitpunkts des endgültigen Scheiterns offensichtlich überschritten hat. Hierzu darf das Gericht jedoch keine Amtsermittlung betreiben, da die Prüfung auf die Bescheinigung beschränkt ist. Mithin sind die dort aufgeführten wesentlichen Gründe des Scheiterns Gegenstand der Prüfung. Bestehen insoweit Unklarheiten ist das Gericht zur Nachfrage befugt.
Rn 116
Gibt die geeignete Stelle oder Person an, die außergerichtliche Einigung sei mit ihrer Unterstützung erfolgt, obwohl dies offensichtlich unzutreffend ist, handelt es sich um eine Unzulänglichkeit die vom Gericht ohne Weiteres beanstandet werden kann. Problematisch ist Einordnung der gesetzlichen Anforderung, dass die Bescheinigung auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgestellt worden ist. Eine Ansicht meint, es handele sich insoweit um ein Zulässigkeitskriterium für das Verbraucherinsolvenzverfahren, das einer vollen inhaltlichen Kontrolle unterliege. Eine weitverbreitete Ansicht geht grundsätzlich von einer rein formellen Prüfungskompetenz aus. In Zweifelsfällen sei das Gericht aber zur Prüfung berufen, ob tatsächlich eine persönliche Beratung stattgefunden habe. Die geeignete Person oder Stelle habe daher nachvollziehbare Aussagen in die Bescheinigung aufzunehmen, um dem Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob den Anforderungen genüge getan sei. Dies ist unzutreffend. Das Gericht ist selbst bei Zweifeln nicht zur materiellen Prüfung befugt, ob eine persönliche Beratung tatsächlich stattgefunden hat. Die Gerichte haben weiterhin nur die formellen Voraussetzungen der Abschlussbescheinigung zu prüfen. Eine Erweiterung der Prüfungskompetenz der Gerichte in Bezug auf die Bescheinigung ist mit der Einfügung des Erfordernisses der "persönlichen Beratung" weder beabsichtigt noch zu begründen. Über die gesetzliche Ausgestaltung der Zulassung nur geeigneter Bescheiniger wird die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung dem Bescheiniger überantwortet. Eine gerichtliche Inhaltsprüfung würde die Stellung des Bescheinigers und die gesetzlichen Zulassungsregeln aushöhlen, ohne die Effektivität des Verfahrens zu steigern, da ein Neuantrag ohne Sperrfrist möglich wäre. In Fällen einer offenkundig unzureichenden Beratung handelt es sich im Übrigen um eine offensichtliche Unzulänglichkeit der Bescheinigung, die beanstandet werden kann (s.o. Rn. 113).
Rn 117
Geht man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – von einer Prüfungskompetenz des Gerichts aus, ist eine umfassende und teilweise widersprüchliche Kasuistik zu beachten. Die Beratung soll von der geeigneten Person nicht auf einen Mitarbeiter delegiert werden können, der die Voraussetzungen einer Anerkennung nicht selbst erfül...