Gesetzestext
(1) Wurde im Ausland vor Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens ein vorläufiger Verwalter bestellt, so kann auf seinen Antrag das zuständige Insolvenzgericht die Maßnahmen nach § 21 anordnen, die zur Sicherung des von einem inländischen Sekundärinsolvenzverfahren erfassten Vermögens erforderlich erscheinen.
(2) Gegen den Beschluss steht auch dem vorläufigen Verwalter die sofortige Beschwerde zu.
Bisherige gesetzliche Regelungen: Art. 102 EGInsO
1. Allgemeines
1.1 Normzweck
Rn 1
§ 344 enthält eine vergleichbare Regelung wie Art. 38 EuInsVO. § 344 bietet im Fall eines ausländischen (außereuropäischen) vorläufigen Hauptinsolvenzverfahrens ein Instrumentarium zur Sicherung der in Deutschland belegenen Masse, falls später ein deutsches Sekundärinsolvenzverfahren (§§ 354 ff.) eröffnet wird.
Rn 2
§ 344 ermöglicht Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 nach dem deutschen Belegenheitsrecht. Zu den Sicherungsmaßnahmen können z.B. die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, die Untersagung bzw. vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 bzw. § 30d Abs. 4 ZVG oder ein allgemeines Verfügungsverbot für den Schuldner gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 gehören.
Rn 3
Abweichend von der Systematik des § 21 können zur Sicherung der Masse eines (zukünftigen) deutschen Sekundärinsolvenzverfahrens bereits Maßnahmen nach § 21 angeordnet werden, obwohl in Deutschland noch kein Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gestellt wurde.
Rn 4
§ 344 schafft einen Ausgleich dafür, dass der ausländische vorläufige Insolvenzverwalter nach dem deutschen autonomen internationalen Insolvenzrecht keine Befugnis hat, die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in Deutschland zu beantragen, vgl. § 356 Abs. 2. Diese Möglichkeit hat lediglich der Insolvenzverwalter. Mit § 344 kann der vorläufige ausländische Insolvenzverwalter eine Minderung der in Deutschland belegenen potentiellen Sekundärinsolvenzmasse vor der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens verhindern.
1.2 Verhältnis zu § 343 Abs. 2
Rn 5
§ 344 Abs. 1 ist von der Regelung des § 343 Abs. 2 abzugrenzen, wonach Sicherungsmaßnahmen, die in einem ausländischen Insolvenzeröffnungsverfahren angeordnet werden, in Deutschland anerkannt werden. Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach deutschem Recht gemäß §§ 344, 21 kann geboten sein, um im Vergleich zu § 343 Abs. 2 kurzfristiger eine Sicherung der potentiellen Sekundärinsolvenzmasse zu erhalten. Des Weiteren kann das inländische Recht weitergehende Sicherungsmaßnahmen als das ausländische Recht kennen:
Rn 6
- Bei den nach § 343 Abs. 2 anzuerkennenden Sicherungsmaßnahmen handelt es sich um Sicherungsmaßnahmen nach der ausländischen lex fori concursus. Mit dieser Norm sind Schutzlücken hinsichtlich der Sicherung deutscher Massegegenstände nicht ausgeschlossen, falls in Deutschland weitergehende Sicherungsmaßnahmen realisierbar sein sollten. Diese potentielle Lücke wird durch § 344 geschlossen.
Rn 7
- Der Unterschied zu der Anerkennung der Wirkungen der ausländischen Sicherungsmaßnahmen nach § 343 Abs. 2 liegt darin, dass die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 nicht den Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften (Erfordernis einer förmlichen vollstreckbaren Erklärung etc.) unterliegt.
1.3 Verhältnis zu Art. 38 EuInsVO
Rn 8
§§ 335 ff. finden als autonomes deutsches internationales Insolvenzrecht grundsätzlich nur im Verhältnis zum außereruropäischen Ausland Anwendung, vgl. Vorbemerkung zu §§ 335 ff., Rn. 6. Innerhalb Europas gilt grundsätzlich die EuInsVO. Aufgrund des so genannten Ergänzungsverhältnisses (Vorbemerkung zu §§ 335 ff. Rn. 7) können die §§ 335 ff. aber auch im Geltungsbereich der EuInsVO ergänzend Anwendung finden.
Rn 9
Nach der Gesetzesbegründung ist § 344 bei innereuropäischen Sachverhalten ergänzend zur EuInsVO anwendbar: § 344 bestimmt das im Fall des Art. 38 EuInsVO zuständige Gericht und räumt dem ausländischen vorläufigen Insolvenzverwalter eine Beschwerdebefugnis ein.
Rn 10
Art. 38 EuInsVO ermöglicht dem vorläufigen Insolvenzverwalter, "Maßnahmen zur Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens, das sich in einem anderen Staat befindet", zu beantragen. Damit lässt die Norm offen, ob der Antrag im Staat des Hauptinsolvenzverfahrens zu stellen ist, also bei dem ausländischen Gericht, das den vorläufigen Verwalter bestellt hat, oder in dem Staat des angestrebten Sekundärinsolvenzverfahrens, mithin bei dem Gericht, in dessen Staat d...