Rn 3
Zur Masse gehören grundsätzlich nur Gegenstände, die auch in der Einzelzwangsvollstreckung zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehen, die also pfändbar sind (Abs. 1 Satz 1). Ist ein Gegenstand unpfändbar, unterfällt er nicht dem Insolvenzbeschlag; der Gegenstand gehört nicht zur Insolvenzmasse. Der Schuldner kann jedoch auf den Pfändungsschutz verzichten; dann wird der an sich unpfändbare Gegenstand Bestandteil der Insolvenzmasse i.S.d. § 35.
2.1 Verweisung auf Einzelvorschriften (§ 36 Abs. 1 Satz 2)
Rn 4
Mit dem Insolvenzverfahren tritt die Gesamtvollstreckung an die Stelle der Einzelzwangsvollstreckung. Daher finden grundsätzlich auch alle Pfändungsschutzvorschriften der Einzelzwangsvollstreckung Anwendung (Abs. 1 Satz 1). Während Abs. 1 Satz 1 insgesamt auf die Vorschriften der Einzelzwangsvollstreckung verweist, verweist Satz 2 zusätzlich auf einzelne Vorschriften der Einzelzwangsvollstreckung. Diese unübersichtliche Verweisung wurde nachträglich eingeführt und sollte die anhaltende Diskussion um die Anwendbarkeit einzelner Regelungen aus den §§ 850 ff. ZPO – insbesondere die Regelungen über den Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen – beenden.
Rn 5
Ursprünglich verwies § 36 Abs. 1 ohne Differenzierungen auf die Vorschriften der Einzelzwangsvollstreckung. Dabei war unstreitig, dass einzelne Vorschriften insbesondere aus der Vollstreckung in Forderungen in §§ 850 ff. ZPO den Zwecken des Insolvenzverfahrens zuwiderlaufen und daher nicht anwendbar sein sollten. Beispielsweise wird die Pfändbarkeit der einzelnen Forderungen differenziert nach der Schutzwürdigkeit der jeweils vollstreckenden Gläubiger. So gelten bestimmte Einschränkungen nicht für die Vollstreckung von Unterhaltsansprüchen (§ 850 d ZPO) oder Ansprüchen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung (§ 850 f. Abs. 2 ZPO). Ursprünglich sollte diese Differenzierung Rechtsprechung und Literatur überlassen werden. Anhaltende Diskussionen zeigten jedoch die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung.
Daraufhin wurde Satz 2 in die Vorschrift eingefügt. Die Verweisung bezieht sich im Wesentlichen auf die Pfändbarkeit von Arbeitseinkommen (§§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, 850g, 850h ZPO), gleichgestellten Einkünften (§§ 850h, 850i ZPO) und Altersrenten (§§ 851c, 851d ZPO) sowie auf die Vorschriften über das Pfändungsschutzkonto (§§ 850k, 850l ZPO). Aus der Normgruppe §§ 850 – 850l ZPO wird nicht verwiesen auf den Pfändungsschutz bedingt pfändbarer Bezüge (§ 850b ZPO), auf die erweiterte Pfändbarkeit für Unterhaltsgläubiger (§ 850d ZPO) und für Gläubiger von Haftungsansprüchen wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung (§ 850f Abs. 2 ZPO). Außerhalb der Normgruppe der §§ 850-850l ZPO verweist § 36 Abs. 1 Satz 2 auf den Pfändungsschutz für Altersrenten und Altersvorsorgevermögen (§§ 851c, 851d ZPO).
Aus der doppelten Verweisung in Satz 1 und Satz 2 dürfen keine Schlüsse gezogen werden auf die Anwendbarkeit oder Unanwendbarkeit der nicht erwähnten Vorschriften; hier bleiben weiterhin Rechtsprechung und Literatur gefragt. Insofern ist die Verweisung in Satz 2 rein deklaratorisch.
2.2 Pfändbarkeit zum Eröffnungszeitpunkt
Rn 6
Relevanter Zeitpunkt für die Frage der Pfändbarkeit ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Wird der Gegenstand jedoch erst im Laufe des Insolvenzverfahrens unpfändbar, entfällt der Insolvenzbeschlag nicht nachträglich. Wird ein Gegenstand dagegen im Laufe des Insolvenzverfahrens pfändbar, fällt er als Neuerwerb i.S.d. § 35 Abs. 1 Hs. 1 in die Insolvenzmasse.
2.3 Persönlicher Anwendungsbereich
Rn 7
Pfändungsschutz gibt es grundsätzlich nur bei natürlichen Personen; das Vermögen juristischer Personen ist vom Pfändungsschutz nur betroffen, wenn die Unpfändbarkeit schutzwürdigen Interessen Dritter dient; insbesondere bei zweckgebundenen Forderungen (§ 851 Abs. 2 ZPO, § 399 Alt. 1 BGB) oder Vormerkungen.